Gazprom-Geld im Spitzenfußball "Eine wichtige Budgetposition"
Schalke brach mit dem russischen Energiekonzern Gazprom, auch die UEFA reagierte. Doch nicht alle Clubs wollen oder können auf das Geld des Sponsors verzichten - so wie Roter Stern Belgrad und Austria Wien.
Austria Wien - das steht für eine ruhmreiche Vergangenheit und große Spieler: Toni Polster, Herbert Prohaska, Robert Sara und allen voran Matthias Sindelar - vor einem knappen Jahrhundert eine Art Jahrhundertspieler, dessen Karriere 1938 mit der NS-Machtübernahme in Österreich vorbei war. Die bis dato jüdisch-bürgerliche Austria konnte nach dem Krieg an frühere Erfolge anknüpfen, feierte vor allem zwischen Mitte der 1970er- und 1980er-Jahre viele nationale Meistertitel: 24 sind es inzwischen, dazu 27 Pokalsiege.
Doch in der Gegenwart hat Austria Wien akute Geldprobleme. Die Verbindlichkeiten belaufen sich auf rund 70 Millionen Euro.
Lizenzprobleme und Geldstrafe
Vergangene Woche gab es von der österreichischen Liga in erster Instanz keine Lizenz für die neue Saison, dafür aber eine Geldstrafe in Höhe von 20.000 Euro und vier Minuspunkte als Aussicht für die kommende Saison. In der derzeitigen Spielzeit läuft es zwar sportlich gesehen recht gut, ungeachtet der jüngsten 1:2-Niederlage gegen Branchenprimus Salzburg. Doch was das Geld betrifft, räumt Austria-Vorstand Gerhard Krisch ein: "Wir müssen uns damit abfinden, dass wir wirtschaftlich nicht safe sind."
Krisch spricht von "Hausaufgaben" und "Baustellen". Arbeitsplätze seien im Verein bereits abgebaut worden, teure Transfers weiterhin nicht möglich. Es gibt zudem Streit mit einer Investorengruppe, ein neuer Trikot-Brustsponsor wird gesucht.
Abschied von Gazprom fällt schwer
Und so fällt der Abschied von Gazprom schwer. Seit 2018 haben die "Veilchen" einen Vertrag mit dem Staatskonzern aus St. Petersburg. Er bringt, so heißt es, mindestens fünf Millionen Euro im Jahr, und das ist im österreichischen Fußball nicht wenig - vor allem bei 70 Millionen Euro Schulden und nach zwei umsatzschwächenden Pandemie-Jahren.
Vom russischen Geld profitiert gerade der Fußballnachwuchs wie die zweite Mannschaft. Sie nahm nach Kriegsbeginn in der Ukraine den Sponsor Gazprom vom Trikot. Neulich aber - so zeigten es unter anderem Bilder beim Fachportal "sportsbusiness.at" - lief sie doch wieder damit auf.
Ist es moralisch vertretbar, in Zeiten wie diesen den Vertrag aufrechtzuhalten? Austria-Vorstand Krisch antwortet: "Es gibt einen gültigen Vertrag, und ich werde um jeden gültigen Vertrag kämpfen, so lange es sich lohnt, darum zu kämpfen."
Außerdem sei die Budgetposition nicht unwichtig, erklärte Krisch bei einer Pressekonferenz vergangene Woche, bei der auf der Sponsorenwand hinter ihm das Gazprom-Logo zu sehen war. Von den LED-Banden im Stadion hat man den Namen jedoch entfernt. Es ist offensichtlich kompliziert.
Wien und Belgrad als große Partner
Das Gazprom-Sponsoring im europäischen Spitzenfußball beruhte vor dem Krieg auf mehreren Säulen. In Deutschland hat der FC Schalke 04 mit Gazprom gebrochen. Auch die bis dahin unter anderem bei Europameisterschaft, Nations League und Champions League vom Sponsoring profitierende UEFA hat reagiert und unter anderem St. Petersburg das diesjährige Finale der Königsklasse entzogen.
Beim russischen Klub Zenit St. Petersburg hat sich wie zu erwarten nichts geändert. Bleiben als große Fußball-Partner des Unternehmens Austria Wien und Roter Stern Belgrad.
Bei Kündigung droht Rückzahlungsforderung
Der Wiener Traditionsklub zögert noch vor einem radikalen Schnitt, will vorerst am bis 2023 laufenden Vertrag festhalten. Wohl auch, weil im Fall einer einseitigen Kündigung Rückzahlungsforderungen drohen. Der reflektiert wirkende Vorstand Krisch, der zuletzt Probleme bei der Kontaktaufnahme mit Gazprom hatte, ist sich der Weltlage zugleich bewusst.
Aus seinen Worten ist das Dilemma herauszuhören, in dem sich viele Unternehmen und damit auch Profi-Sportvereine befinden: "Das hat nichts mit der menschlichen Katastrophe zu tun, die in diesen Ländern und vor allem in der Ukraine passieren. Aber wir haben auch eine wirtschaftliche Seite. Die hat nicht nur die Wiener Austria. Die hat jeder von uns. Sie wissen, wie wir heizen."
Rund 80 Prozent seines Erdgases bezieht Österreich aus Russland. Bundeskanzler Karl Nehammer wurde bei seinem viel diskutierten Moskau-Besuch vom russischen Präsidenten Wladimir Putin zugesichert, dass es weiter fließt. Viele österreichische Unternehmen sind nach wie vor in Russland engagiert. So auch Red Bull, der Geldgeber in Salzburg, der eine Anfrage des Wiener "Standard" nach den Gründen unbeantwortet ließ.
Gazprom-Sponsoring auch in Belgrad
In Serbien ist die Grundsituation eine ganz andere, das hat eine weitere prorussische Demonstration am vergangenen Wochenende in Belgrad verdeutlicht. Belgrad ist die Heimat von Roter Stern, dem jugoslawischen und serbischen Rekordmeister, der 1991 den Weltpokal und, viel wichtiger, den Europapokal der Landesmeister gewann.
Immer wieder marschieren rechtsextreme Fußball-Hooligans bei Demos wie am Wochenende mit, fielen auch im berühmt-berüchtigten Heimstadion mit Ukraine-feindlichen Aktionen und Parolen auf - genau wie die Basketballer von Roter Stern. Sie verweigerten jüngst bei einem Euro-League-Spiel in Litauen die Teilnahme an einer Anti-Kriegs-Aktion.
Enge Verflechtungen in Serbien
Der serbische Präsident Aleksandar Vučić war früher selbst Teil der Fanszene von Roter Stern. Grundsätzlich sind die Verflechtungen zwischen Fußball, Politik, Behörden und Wirtschaft im Land eng, was eben auch die Beziehungen zu Russland betrifft. Zum einen ist Serbien noch mehr als Österreich abhängig von russischen Rohstoffen, nach ARD-Informationen beim Gas zu 100 Prozent. Zum anderen sind die Länder aufgrund ihrer slawisch-orthodoxen Prägung verbunden - aber auch politisch. Serbien, einst NATO-Gegner im Kosovo-Krieg, trägt die EU-Sanktionen gegen Putin nicht mit, wenngleich der Warenhandel mit der Europäischen Union durchaus wichtig ist.
Und so wird in Belgrad anders als in Wien nicht einmal breit darüber diskutiert, ob Roter Stern den Vertrag mit seinem Hauptsponsor kündigen sollte. Das ist seit rund zwölf Jahren die Gazprom-Öl-Tochter Gazprom Neft. Sie überweist pro Jahr dem Vernehmen nach umgerechnet rund vier Millionen Euro an den Klub. Von der EU ist sie sanktioniert.