Energiekrise Gefährliche Heizexperimente
Die Angst vor Gasmangel, Stromausfällen und gestiegenen Energiekosten lässt Verbraucher beim Heizen erfinderisch werden. Doch Fachleute schlagen Alarm: Viele Ideen zum alternativen Heizen sind riskant.
Wenn Jörg Dindorf durch die sozialen Netzwerke surft, schüttelt er vor dem Bildschirm immer öfter den Kopf. Er ist Sprecher für den Brand- und Katastrophenschutz im rheinland-pfälzischen Bad Kreuznach und seit 43 Jahren Feuerwehrmann. Mit welchen "wildesten Empfehlungen" sich Menschen derzeit im Internet präsentieren, um der Energiekrise ein Schnippchen zu schlagen, hat er noch nicht erlebt: "Outdoor-Geräte wie Holzkohlegrills und Heizpilze, die mit Gasflaschen betrieben werden und definitiv nur für den Außenbereich sind, könne man doch auch in der Wohnung nutzen", beschreibt Dindorf die gefährlichen Empfehlungen. "So etwas hat schon sehr oft zu Todesfällen geführt infolge von Kohlenmonoxid-Vergiftungen".
Drohende Kohlenmonoxid-Vergiftung
Am meisten beunruhigen ihn Teelichtöfen: "Darin sehen wir eine große Gefahr nun in der Winterzeit." Wie schnell sei ein solcher, selbstgebastelter Ofen umgefallen oder drohe eine Kohlenmonoxid-Vergiftung, weil der Sauerstoff im Raum aufgebraucht sei. "Oder der Paraffin-Brand, wenn die einzelnen Teelichter verschmelzen und beim Löschen mit Wasser wie Fett explodieren können!" Dindorf ist sich sicher: "Sobald es richtig kalt wird, steigen deshalb unsere Einsatzzahlen."
Auch die deutschen Versicherungen befürchten einen Anstieg von Brandunfällen. So betont Jörg Asmussen, Hauptgeschäftsführer im Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft:
Wir sehen mit Sorge, zu welch abenteuerlichen Mitteln manche Mieter und Hausbesitzer greifen wollen. Wir raten von gefährlichen Experimenten dringend ab."
Immer mehr qualmende Schornsteine
Das Phänomen "Energienot macht erfinderisch" zeigt sich auch über den Dächern deutscher Wohnhäuser: Hier qualmen Schornsteine, wo in den Jahren zuvor nichts gen Himmel stieg. Die Kaminofenbauer und Schornsteinfeger verzeichnen volle Auftragsbücher. In der Energiekrise besinnen sich offenbar viele auf die Holzfeuerstätte, aber nicht alle davon auf Auflagen und Bedingungen, die damit einhergehen - obwohl ein qualmender Schornstein einen weithin sichtbaren Beleg für dessen Betrieb liefert.
"Schornsteinfeger sind von Berufs wegen geschult, auf Schornsteinmündungen zu schauen und im Laufe der Jahre haben sie einen Blick dafür, zu erkennen, welcher Schornstein qualmen darf und welcher nicht", schmunzelt Daniel Fürst - selbst Schornsteinfegermeister und Vorsitzender des Berufsverbands. Und dann wird er ernst: "Leider stellen wir fest, dass ganz viele Bürgerinnen und Bürger ihren Holzofen wieder in Betrieb nehmen, ohne dass eine Inspektion stattfindet."
Das sei illegal und brandgefährlich wegen Vogelnestern, Wespennestern oder anderen Verstopfungen in einem stillgelegten Schornstein, schildert Fürst: "Wird vorher nicht geprüft, ob ein freier Abzug der Abgase möglich ist, besteht Gefahr, dass Kohlenmonoxid in der Wohneinheit bleibt."
Ein weiteres Risiko: Glanzruß, nicht vollständig verbrannter Ruß, ist brennbar, entzündet sich bei zu großer Hitze. Mögliche Folgen sind ein Schornsteinbrand, ein Schornsteinriss, ein Feuer vielleicht in der Zwischendecke - und damit deutlich höhere Schäden als die gesparten Energiekosten.
Selbst alte Möbel werden verbrannt
Selbst wenn es oben qualmt und unten eine Betriebserlaubnis vorliegt, sagt das noch nichts über die Zustände unterm Dach aus: "Die Feststellung machen wir derzeit auch, dass Bürgerinnen und Bürger auch nicht zugelassene Brennstoffe verwenden: Pressspanplatten, alte Möbel", erzählt Fürst. "Das sind Brennstoffe, die sind für solche kleine Feuerstätten nicht zugelassen." Auch hier drohen wieder Schornsteinbrände, abgesehen von Schadstoffausstoß und Umweltverschmutzung.
Solche Fälle sind nicht neu. Fürst sieht aber eine Veränderung zu den Jahren vor der derzeitigen Energiekrise:
Ohne valide Zahlen, rein aus Bauchgefühl: Die Beobachtung, wenn wir in die Häuser kommen, ist schon, dass Feuerstätten nicht ordnungsgemäß bedient werden mit falschen Brennstoffen. Viele Bürgerinnen und Bürger drosseln die Luftzufuhr auch zu stark, damit das Holz weniger schnell abbrennt. Rückstandsfreie Verbrennung braucht aber immer genug Sauerstoff.
Fürst versteht die Ursachen: "Der Holzmarkt ist leergefegt, viele können sich das sündhaft teure Holz aus dem Baumarkt nicht leisten." Silvia Oestreicher, Sprecherin des Deutschen Feuerwehrverbands, sieht auch Unkenntnis des frisch angeschafften oder nach Jahren wieder in Betrieb genommenen Kaminofens: "Wer zum ersten Mal damit heizt, weiß nicht unbedingt, dass falsche Bedienung das Entstehen von Glanzruß verursacht." Da werde mal schnell mit Zeitung angefeuert, obwohl die Druckerschwärze vielleicht zu gefährlichen Ablagerungen führen kann. "Da hilft: Bedienungsanleitung lesen!"
Drohende Brände durch Elektro-Öfen
"Stark im Rennen sind unserer Beobachtung nach auch Elektroöfen", erzählt Fürst. "Wir kommen in die Häuser und sehen mehrere Elektroradiatoren an einer Mehrfachsteckdose angeschlossen." Selbst falls sie in der Wandsteckdose stecken: "In Gebäuden mit älteren Stromkabeln oder bei vielen Geräten an einer Zuleitung können die Kontakte extrem heiß werden und in Brand geraten", warnt Asmussen. Das wäre immerhin sichtbar im Gegensatz zu Verbrennungsgasen, die geruchlos töten.
Sparmöglichkeiten beim Heizen sehen die Fachleute allein in neuen, effizienteren Anlagen oder - in Anbetracht des Auftragsstaus bei Anbietern - im Verbessern der bestehenden: "Heizungssteuerungen sind oft nach Jahren immer noch auf die Werkseinstellungen beim Einbau eingestellt. Oder der einbauende Betrieb hat sie zu warm geregelt, um möglichen Kundenbeschwerden über eine zu kalte Heizung vorzubeugen." Mit Heizungsoptimierung lasse sich viel Geld sparen. "Das sollten Bürgerinnen und Bürger zuerst in Erwägung ziehen."