Fragen und Antworten Wozu die lockere Geldpolitik der Fed führt
Ungeachtet der Zinswende in Europa steuert die US-Notenbank Fed unbeirrt einen lockeren geldpolitischen Kurs. Die Zentralbanker um Fed-Chef Bernanke beschlossen, den Zins nahe Null zu belassen. Dabei ist diese Geldpolitik höchst umstritten. tagesschau.de erklärt warum.
Ungeachtet der Zinswende in Europa steuert die US-Notenbank Fed unbeirrt einen lockeren geldpolitischen Kurs. Die Zentralbanker um Fed-Gouverneur Ben Bernanke beschlossen erwartungsgemäß, den Zins nahe Null zu belassen und die seit November laufenden milliardenschweren Staatsanleihenkäufe trotz des Wirtschaftsaufschwungs bis zum Juni fortzusetzen. Das Programm dient der Ankurbelung der Konjunktur.
Auch ohne überraschende Entscheidungen läutet die Zinssitzung des so genannten Fed-Offenmarktausschusses (FOMC) dieses Mal dennoch eine Premiere ein: Erstmals in der fast hundertjährigen Geschichte der Notenbank erläuterte ihr Präsident den Beschluss sowie den vierteljährlichen Konjunkturausblick auf einer Pressekonferenz. Ein Zugeständnis an die Kritiker, die fordern, die hinter verschlossenen Türen getroffenen Entscheidungen einer breiten Öffentlichkeit näher zu bringen.
Welche Geldpolitik verfolgt die Fed derzeit?
Die US-Notenbank ist mit Ausbruch der Finanzkrise auf eine sehr lockere Geldpolitik eingeschwenkt. Der Leitzins liegt bei 0 bis 0,25 Prozent. Das bedeutet, dass sich die Banken sehr billiges Geld bei der Fed leihen und ihre eigenen Geschäfte refinanzieren können. Zudem pumpt die Fed mit dem Kauf von Staatsanleihen monatlich 110 Milliarden Dollar in den Markt. Dieses im November gestartete Programm soll laut Planung bis Ende Juni laufen.
Was sind die Folgen der Fed-Politik?
Mit der Niedrigzinspolitik päppelt die Fed den wackeligen Aufschwung in den USA weiter auf: Kredite sind günstig, das erleichtert es den Unternehmen zu investieren und zu expandieren. Und auch der Konsum wird tendenziell gestützt - etwa durch günstige Verbraucherkredite. Zudem wird Sparen für die Bürger unattraktiv, weil sich Guthaben kaum verzinsen. Der private Verbrauch ist für die US-Wirtschaft extrem wichtig: Er macht 70 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus.
Von einer starken US-Konjunktur profitieren grundsätzlich auch andere Länder: Ausländische Waren finden in den USA Absatz, US-Investitionen in aller Welt stärken die jeweiligen Volkswirtschaften. Allerdings führt der geldpolitische Kurs der Fed seit Monaten zu einer Dollar-Schwäche. Auch bringt eine lockere Geldpolitik Inflationsrisiken mit sich.
Was werfen die Kritiker der Fed vor?
Die Kritik entzündet sich vor allem an den Risiken für die Preisstabilität und die Währung. Eine Zinserhöhung, so die Kritiker, könne die Inflation im Zaum halten und den Dollar stärken. Tatsächlich ist die Fed die nahezu einzige wichtige Zentralbank, die sich noch weigert, etwas gegen die anziehende Inflation zu tun. Die "Los Angeles Times" tituliert Bernanke deshalb bereits als "Außenseiter unter den Notenbankern". Das Finanzmagazin "Barron’s" schreibt: "Die meisten anderen Notenbanken bekämpfen die Inflation und stärken ihre Währungen." Der Vorwurf der Autoren: "Die Probleme sind maßgeblich von der US-Notenbank kreiert worden." Kritiker sehen die nächste Blase am Horizont, weil die Märkte mit billigem Geld überschwemmt werden. 13 US-Bundesstaaten denken bereits darüber nach, Gold- und Silbermünzen als gesetzliche Zahlungsmittel zuzulassen, weil sie der eigenen Währung nicht mehr trauen.
Ist die Inflation in den USA ein Problem?
Laut Arbeitsministerium sind die Lebenshaltungskosten im März um 2,7 Prozent gestiegen. Generell bedeutet das, dass die realen Einkommen der Amerikaner sinken, weil die Preise schneller anziehen als die Löhne. Vor allem der Benzinpreis zieht kräftig an: Binnen eines Jahres sind die Preise an den Zapfsäulen um ein Drittel gestiegen. Das bedeutet kollektive Mehrkosten für Amerikas Autofahrer von 121 Milliarden Dollar in zwölf Monaten.
Die US-Notenbank stellt sich allerdings auf den Standpunkt, dass sie an den steigenden Preisen keine Schuld trage. Denn die Inflation werde durch höhere Energie- und Lebensmittelpreise getrieben. Es bestehe aber kein Zusammenhang zwischen Vergrößerung der Geldmenge und höheren Preisen für Nahrung und Energie, so die Argumentation von Fed-Chef Bernanke. Nach Berechnungen der Fed liegt die Inflationsrate derzeit bei 1,6 Prozent. Weil auch eine straffere Geldpolitik aus Sicht der Fed gegen Preissteigerungen bei Energie und Lebensmitteln ohnehin nichts ausrichten kann, rechnet die Notenbank diese Posten heraus - und arbeitet in ihrer Analyse der Teuerung mit einer so genannten Kernrate von 0,2 Prozent. Die Botschaft: Inflation ist kein Thema.
Welche Risiken birgt das gigantische US-Haushaltsdefizit?
Die USA häufen allein im laufenden Haushaltsjahr bis zu 1,65 Billionen Dollar neue Schulden an, rund zehn Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Die Gesamtverschuldung beträgt derzeit mehr als 14,2 Billionen Dollar. Das ist an der Wirtschaftsleistung gemessen das dickste Minus in der Staatskasse seit fünf Jahrzehnten. Angesichts dieser Zahlen drohte die Ratingagentur Standard & Poor's kürzlich mit einer Herabstufung von der Bestnote AAA. Ein schlechteres Rating kann zu erheblich höheren Zinsen für US-Staatsanleihen führen. Dies könnte nach Expertenmeinung das ohnehin zaghafte Wirtschaftswachstum abwürgen und die Gefahr einer neuen Rezession heraufbeschwören.
Wie steht die Fed zur Haushaltsmisere?
Bernanke selbst verlangte mit drastischen Worten einen straffen Sparkurs von der Regierung, um eine Schuldenkrise abzuwenden: "Ab einem gewissen Punkt wären die Vereinigten Staaten in einer Position, in der sie nur noch den Staatsbankrott erklären könnten. Die Folgen davon für unser Finanzsystem, für unsere Finanzpolitik und für die Wirtschaft wären katastrophal." Dass die USA allerdings extrem über ihre Verhältnisse leben, kreiden Experten auch der US-Notenbank an. Ein Effekt der Politik des billigen Geldes sei eben, dass die Notenbanker die seit den 90-er Jahren laufende Schuldenorgie in den USA weiter anheizen. Und durch den massiven Ankauf von US-Staatsanleihen ist die Fed seit kurzem auch der größte Gläubiger der USA – noch vor China.
Was bedeutet die Zinswende der EZB für die USA?
Der Wechselkurs ist der Preis einer Währung ausgedrückt in einer anderen Währung. Dieser Preis bildet sich auf dem globalen Devisenmarkt. Volkswirtschaftlich ist der Wechselkurs bedeutsam für die Wettbewerbsfähigkeit auf dem Weltmarkt.
Während EZB-Chef Jean-Claude Trichet mit der Straffung des Leitzinses um einen Viertelprozentpunkt auf 1,25 Prozent der anziehenden Inflation den Kampf angesagt hat, bleibt die Fed bei ihrer Nullzinspolitik. Die Zinsdifferenz zwischen den beiden Währungsräumen spielt eine erhebliche Rolle beim Wechselkurs: Denn das Kapital wandert tendenziell dahin, wo es mehr abwirft. Das stärkt die jeweilige Währung - in diesem Fall den Euro. So legt der Euro trotz europäischer Schuldenkrise beständig zu: Kurz vor Ostern stieg die Gemeinschaftswährung erstmals seit 2009 über 1,46 Dollar.
Warum beharrt die Fed auf ihrem Kurs?
Obwohl die Wirtschaft wieder Tritt gefasst hat, macht den US-Notenbankern große Sorge, dass der Arbeitsmarkt noch Jahre von einer Normalisierung entfernt ist. Die Krise hat acht Millionen Amerikaner den Job gekostet, der Stellenaufbau kommt nur zögerlich in Gang. Die Fed muss wegen ihres doppelten Mandats mit Argusaugen darüber wachen, dass der Arbeitsmarkt wieder auf die Beine kommt. Denn anders als die EZB soll sie neben der Preisstabilität auch noch Beschäftigung fördern. Bernanke hat klargestellt, dass er sein Stützungsprogramm erst beenden will, wenn auch der Arbeitsmarkt wieder anzieht.
Die Teuerung hält Bernanke für eine vorübergehendes Phänomen, unter anderem getrieben durch Unruhen in der arabischen Welt. Die Schwächung des Dollar scheint er billigend in Kauf zu nehmen: Dadurch wird tendenziell die Wettbewerbsfähigkeit der US-Industrie unterstützt, Waren aus den USA werden billiger und die Industrieproduktion wurde so zuletzt gestärkt. Das lindert den Schaden für die chronisch negative Handelsbilanz der USA.