Vor Tsipras-Besuch in Berlin Gabriel setzt auf einen Neustart
Vor dem Besuch des griechischen Ministerpräsidenten Tsipras in Berlin gibt es keinen Mangel an Forderungen, Mahnungen und Ratschlägen Richtung Athen. Wirtschaftsminister Gabriel setzte im Bericht aus Berlin auf einen Neustart. Andere Politiker zeigen sich ungeduldig.
57 Tage nach seinem Amtsantritt kommt Griechenlands Regierungschef Alexis Tsipras heute erstmals nach Berlin. Beim Abendessen mit Kanzlerin Angela Merkel wollen beide über die griechische Schuldenproblematik und die zuletzt angespannten deutsch-griechischen Beziehungen sprechen.
Tsipras und Merkel haben sich zuletzt Ende vergangener Woche in Brüssel getroffen. Wann genau der griechische Regierungschef die beim EU-Gipfel versprochene Reformliste vorlegt, ist jedoch unklar. Merkel hatte deutlich gemacht, dass sie die Liste nicht schon heute vorgelegt haben will.
Gabriel: Griechen müssen wieder in Arbeit kommen
Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel erhofft sich von dem Treffen bessere Beziehungen beider Länder: "Ich hoffe, dass wir einen wirklichen Neustart schaffen", sagte er im Bericht aus Berlin.
Gabriel bekräftigte einerseits, dass Deutschland helfen wolle. Andererseits aber sei das nicht ohne Gegenleistungen, also faire Abmachungen über die notwendigen Reformen, möglich. "Das muss er machen, ob er es morgen schon kann, das weiß ich nicht."
Gabriel betonte, es müsse endlich etwas getan werden, damit die Menschen in Griechenland wieder in Arbeit kämen und die sozialen Probleme gelindert würden. "Das soziale Elend ist riesig." In der Vergangenheit sei vor allem den Banken geholfen worden.
Bezüglich der Reparationsforderungen Griechenlands aus dem Zweiten Weltkrieg an Deutschland erklärte der Vizekanzler, dies habe nichts mit der derzeitigen Schuldenlage Griechenlands zu tun. Es mache keinen Sinn, auf diesem Wege moralisch Druck auf Deutschland auszuüben. Deutschland trage eine besondere Verantwortung, habe aber in den vergangenen Jahren auch viel Hilfsbereitschaft gezeigt.
Gabriel sprach sich dagegen aus, weiter über einen Austritt Griechenlands aus dem Euro zu spekulieren. Er fragte: Was solle die Welt über die EU denken, wenn nicht einmal die Probleme Griechenlands gelöst werden könnten, das gerade einmal zwei Prozent zum Bruttoinlandsprodukt der EU beitrage.
"Ohne Reformwillen läuft nichts"
Andere Politiker äußerten sich deutlich ungeduldiger über die Forderungen an Tsipras. "Ich erwarte, dass er diese Liste beim Gespräch mit Kanzlerin Merkel am Montag vorlegt", sagte SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann gegenüber "Spiegel Online". "Ich will endlich wissen, ob Griechenland zu echten Reformen bereit ist oder nicht."
Auch eine Zustimmung zu einem möglichen dritten Hilfspaket knüpfte Oppermann an Bedingungen. "Ohne einen glasklaren Reformwillen der griechischen Regierung läuft gar nichts", machte er klar.
Sein Kollege von der Union sieht das ganz ähnlich. Konkrete Reformzusagen müssten endlich her, forderte Volker Kauder im "Handelsblatt". Athen müsse sich vor allem "noch mehr anstrengen", um fällige Steuern einzutreiben. Am Samstag hatte die Regierung einen ersten Schritt in diese Richtung gemacht, als sie ein Gesetz auf den Weg brachte, das säumigen Steuerzahlern geringere Strafen in Aussicht stellte. Und aus der Schweiz wurde bekannt, dass Griechenland Verhandlungen über den Umgang mit dort gelagertem unversteuerten Geld aufnehmen will.
"Athen hat bisher zu wenig geliefert"
Ein drittes Hilfspaket für Griechenland schloss Kauder zum jetzigen Zeitpunkt aus. Nach Ansicht von Bayerns Finanzminister Markus Söder hat Griechenland bisher "zu wenig geliefert". Trotz gegenteiliger Zusagen, erinnerte er im "Tagesspiegel".
Etwas Optimismus nach Brüssel-Gipfel
Die von Linken und Rechtspopulisten getragene Regierung in Athen hatte die Geduld der Euro-Partner bei ihren Rettungsbemühungen in den vergangenen Monaten auf eine harte Probe gestellt. Sie machte vor allem Merkel und den deutschen Finanzminister Wolfgang Schäuble für ein angebliches Spardiktat verantwortlich, das vor allem ärmere Menschen treffe.
Beim EU-Gipfel in Brüssel vergangene Woche hatte sich die stark getrübte Stimmung etwas verbessert: Die Europartner sicherten Athen zu, so rasch wie möglich die dringend benötigten Milliardenkredite zu überweisen. Im Gegenzug will Tsipras in den nächsten Tage eine neue Liste mit Reformvorschlägen vorlegen.
Ab dem 9. April könnte es wirklich eng werden
Damit erhält Athen nach wochenlangem Streit noch eine Chance, den drohenden Bankrott abzuwenden und damit in der Eurozone zu bleiben. Griechenlands Regierung soll nach Informationen der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" nur noch bis 8. April ausreichend liquide sein. Das gehe aus internen Berechnungen der EU-Kommission hervor, berichtete das Blatt unter Berufung auf Diplomaten. Vom 9. April an werde die Finanzsituation des Landes in der EU-Kommission als "kritisch" eingestuft. Athen müsse dann 467 Millionen Euro an den Internationalen Währungsfonds (IWF) zurückzahlen. Mitte April müssten außerdem kurzfristige Staatsanleihen im Wert von 2,4 Milliarden Euro refinanziert werden.