EU-Gipfel in Brüssel Ein bisschen Optimismus
Es gibt keine konkreten Beschlüsse, auch ist der Schuldenstreit mit Griechenland längst nicht gelöst: Dennoch verbreiten alle Teilnehmer des EU-Gipfels vorsichtigen Optimismus. Doch die Annäherung ist mühsam.
"Die Griechen sind wieder in der Spur" - so knapp wie uncharmant brachte es der deutsche EU-Kommissar Günther Oettinger auf den Punkt. Nach seinen Worten hat die Regierung von Alexis Tsipras den Ernst der Lage nun erkannt. Lege Athen endlich belastbare Reformen vor, dann könne das Geld, das das Land so dringend brauche, noch vor Monatsende fließen. Um den allseits gefürchteten "Graccident", also einen ungeplanten Ausstieg aus der Eurozone, zu verhindern, hätte es dieser Dramatik jedoch nicht bedurft. Aber vielleicht brauche "das Ego von Herrn Tsipras ja die Augenhöhe am Tisch einer Nachtsitzung mit den Regierungschefs", mutmaßte Oettinger.
Oettingers Chef, EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, schätzte den Sinn des mitternächtlichen Krisentreffens etwas differenzierter ein. Der erfahrene Vermittler, der in Brüssel als Fürsprecher der Griechen gilt, hatte selbst an dem dreistündigen Gespräch in kleiner Runde teilgenommen. Seine vorsorgliche Mahnung, man möge sich zusammenreißen, haben die Beteiligten offensichtlich beherzigt. Für den Luxemburger war es "eine nützliche Arbeit", wie er sagt. Man habe viel zu besprechen gehabt und sich darauf verständigt, "den Prozess zu beschleunigen".
Dass das diesmal gelingt, davon zeigte sich Juncker überzeugt. Anders als in den vergangenen Wochen habe man bei diesem Treffen eine spürbare Annäherung festgestellt. Dies stimme ihn optimistisch.
Tatsächlich hatte sich die Atmosphäre zwischen Brüssel und Athen, vor allem aber zwischen Athen und Berlin zuletzt erheblich aufgeheizt. Finanzminister Wolfgang Schäuble, so hatten Beobachter den Eindruck, hielt das Tischtuch bereits für zerschnitten. Nicht so anscheinend die Kanzlerin. Angela Merkel betonte: "Ich habe mitgenommen, dass das Vertrauen wieder hergestellt wird und konzentriert gearbeitet wird. Insofern war es ein gutes und konstruktives Gespräch."
Kein Kurswechsel im Schuldenstreit, aber ein neuer Anlauf
Ein Gespräch, dem laut Merkel nun schnell Taten folgen müssen. Der griechische Premier Tsipras habe zugesichert, in den nächsten Tagen eine vollständige Liste mit spezifischen Reformvorschlägen vorzulegen. Vollständiger als die erste, wie sie betonte. Diese würde dann zügig geprüft. Spekulationen, Tsipras habe darum gebeten, schon vorher einen Teil der ausstehenden Hilfsgelder zu überweisen, wollte die Kanzlerin nicht kommentieren.
Kein Kurswechsel also im Schuldenstreit. Bestenfalls ein neuer Anlauf und eine Demonstration des guten Willens. Der Druck auf Griechenland, mit den sogenannten Institutionen, also der ehemaligen "Troika" bestehend aus EU-Kommission, Internationalem Währungsfonds und Europäischer Zentralbank, zusammenzuarbeiten und den vorgeschriebenen Sparkurs fortzusetzen, bleibt bestehen. Ebenso der akute Finanzbedarf: Hatte es bisher geheißen, Athen könne problemlos noch bis Ende April ohne die zugesagten Euro-Milliarden auskommen, scheint die Deadline nun eher Ende März zu sein.
Tsipras macht gute Miene zum Spiel
Griechenlands Regierungschef machte am Ende trotzdem gute Miene zum Spiel: Man sei optimistischer nach dieser Aussprache. Alle Seiten hätten ihren Willen bekräftigt, ihr Bestes zu tun, um die Schwierigkeiten der griechischen Wirtschaft so schnell wie möglich zu überwinden.
Viel Zeit dafür bleibt Tsipras freilich nicht. Das dürfte er wissen. Und so kam wenige Stunden nach der Vereinbarung von Brüssel ein positives Signal aus Athen. Das griechische Finanzministerium ließ wissen, dass es die Kontrollen von EU, EZB und IWF ab sofort wieder zulasse. An der ungeliebten Troika führt für die Griechen also vorerst kein Weg vorbei. Und eine Lösung des langfristigen Schuldenproblems ist weit und breit nicht in Sicht. Vielleicht kommt dieses Thema ja am kommenden Montag zur Sprache, beim Treffen von Merkel und Tsipras in Berlin.