Verhandlungen Griechenlands mit Geldgebern Varoufakis fordert Schuldenerlass
Mehr Zeit, weniger Schulden - das hat Griechenlands Finanzminister Varoufakis erneut von den Geldgebern gefordert. In einem Interview machte er aber auch Hoffnung auf ein Ende des Schuldenstreits. Gestern waren allerdings die Gespräche vorerst gescheitert.
Zuvor hatte Griechenlands Finanzminister Yanis Varoufakis mit den internationalen Geldgebern auf längere Laufzeiten zur Schuldentilgung und einen Schuldenerlass gepocht. Er sagte der "Bild"-Zeitung, sein Land brauche eine Umschuldung: "Nur so können wir die Rückzahlung von so viel Schulden wie möglich garantieren und auch leisten." Er verzichte auf weitere Hilfsgelder, wenn die Gläubiger von EZB, IWF und EU einen Schuldenschnitt anböten. Außerdem benötige Griechenland "eine Streckung der Laufzeiten".
Einen Euro-Ausstieg halte er zwar nicht für sinnvoll, sagte Varoufakis - "aber alles ausschließen kann niemand, auch ich kann nicht ausschließen, dass ein Komet die Erde trifft."
Der Finanzminister sagte zugleich: "Wir wollen kein weiteres Geld." Deutschland und der Rest der Euro-Zone hätten Griechenland "doch schon zu viel Geld gegeben - und zwar gehörig". Griechenland wolle "keinen Cent für Löhne und Renten und Schuldentilgung".
"Kanzlerin muss dabei sein"
Trotz der festgefahrenen Gespräche könne es eine schnelle Einigung geben, sagte Varoufakis. Eine Einigung könnte in nur einer Nacht erreicht werden. "Aber: Die Kanzlerin muss dabei sein." Das seinem Land von den Gläubigern auferlegte Sparprogramm sei gescheitert. "Es führt kein Weg daran vorbei: Wir müssen ganz von vorn anfangen, Tabula rasa machen."
Zugleich räumte Varoufakis massive Probleme in der staatlichen Finanzverwaltung ein. Er warnte davor, wie von den Gläubigern gefordert, die Mehrwertsteuer für "wichtige Lebensbereiche" auf 23 Prozent zu erhöhen.
Verhandlungen vorerst gescheitert
Gestern waren die Verhandlungen in Brüssel zur Lösung des Schuldenstreits mit Griechenland nach Angaben der EU-Kommission vorerst gescheitert. Der EU-Vertreter sagte nach zweitägigen Verhandlungen, die Vorschläge Griechenlands seien weiter unvollständig. Laut Kommission muss Athen jährlich noch "bis zu zwei Milliarden Euro" zusätzlich einsparen. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker bleibe aber überzeugt, dass bis Monatsende eine Lösung gefunden werden könne, wenn die griechische Regierung mehr Reformbemühungen und alle Seiten politischen Willen zeigten.
Tsipras: Geldgeber müssen in Realität ankommen
Der griechische Regierungschef Alexis Tsipras kritisierte das Beharren der internationalen Geldgeber auf weitere Kürzungen der Renten in seinem Land. Dahinter könne man nur politische Absichten vermuten, zitierte ihn die linksgerichtete Athener Zeitung "Efimerída ton Syntaktón". Griechenland werde dennoch geduldig warten, bis IWF, EZB und EU "in der Realität ankommen", sagte Tsipras weiter. Seine Regierung wünsche sich "ernsthaft" eine Lösung.
Die Zeit läuft ab
Griechenland ringt seit Monaten um die Freigabe der letzten 7,2 Milliarden Euro aus dem laufenden Rettungsprogramm. Die Kreditgeber - Internationaler Währungsfonds, Europäische Zentralbank und Europäische Union - verlangen dafür Reformen. Nach Einschätzung von Experten steht Athen kurz vor der Staatspleite und damit womöglich auch vor dem Ausscheiden aus dem Euro. Ende Juni muss Griechenland 1,6 Milliarden Euro an den IWF zurückzahlen, wenig später weitere Milliardenbeträge an die Europäische Zentralbank.
Am Donnerstag beraten die 19 Euro-Finanzminister. Dann könnte sich entscheiden, ob es noch vor Ablauf des Rettungsprogramms Ende Juni eine Lösung geben kann. Im Falle einer Staatspleite müssten die Geldgeber wohl einen Großteil der bisher gewährten 240 Milliarden Euro abschreiben.
SPD-Chef Sigmar Gabriel schloss eine Rettung Griechenlands "um jeden Preis" aus. Im "Bericht aus Berlin" sagte er, nicht nur die Zeit laufe ab, sondern in vielen Teilen Europas sei auch die Geduld zu Ende. In der griechischen Regierung säßen Leute, "die glauben, dass die Angst vor einem Ausscheiden Griechenlands so groß ist, dass wir alles mitmachen. Das wird nicht passieren, wir lassen uns nicht erpressen."