Sondergipfel zum griechischen Schuldenstreit Last-Minute-Deal scheint möglich
Brüssel empfängt Premier Tsipras mit lobenden Worten - denn der ist offenbar erstmals zu spürbaren Zugeständnissen bereit. Parallel genehmigt die EZB frische Notkredite, um allen Beteiligten Zeit zu verschaffen. Bringt der Sondergipfel zu Griechenland doch noch den Durchbruch?
Im griechischen Schuldenstreit scheint vor dem Sondergipfel heute Abend plötzlich ein Durchbruch möglich. "Wir haben Fortschritte gemacht über die letzten beiden Tage, aber wir haben es noch nicht geschafft", sagte EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker bei einem gemeinsamen Auftritt mit Griechenlands Premierminister Alexis Tsipras am Morgen in Brüssel. "Ich weiß nicht, ob wir heute eine Einigung bekommen werden."
Junckers Kabinettschef Martin Selmayr hatte zuvor mit einem Tweet für Aufsehen gesorgt, in dem er die jüngsten Reformvorschläge aus Athen als "gute Grundlage" bezeichnete. EU-Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici ging noch einen Schritt weiter und sagte, er gehe davon aus, "dass am Abend eine Entscheidung erreicht wird".
Selbst wenn es am Abend einen Kompromiss geben sollte, kann es sich laut ARD-Brüssel-Korrespondent Rolf-Dieter Krause aber allenfalls um eine "Grundsatzeinigung" handeln. Denn bevor die Euro-Staaten einem Deal in letzter Instanz zustimmen könnten, bräuchte es zunächst eine formale Einigung der Griechen mit den drei Gläubigerinstitutionen, so Krause.
Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel bekräftigt, dass es ohne "abschließende Empfehlung" der Gläubiger-Gruppe aus EU-Kommission, IWF und EZB an diesem Montag nur bei einem "Beratungsgipfel" bleibe. Ohnehin blieben noch mehrere Tage Zeit, um eine Entscheidung zu treffen.
EZB billigt neue Notkredite für Athens Banken
Tsipras war bereits am frühen Morgen in Brüssel gelandet. Dort traf er nicht nur mit Juncker zusammen, sondern später laut Diplomaten auch mit IWF-Chefin Christine Lagarde, EZB-Direktoriumsmitglied Benoit Coeuré und Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem. Für den Mittag war schließlich ein Treffen der Euro-Finanzminister anberaumt, bevor sich um 19 Uhr die Staats- und Regierungschefs der Euro-Länder zum eigentlichen Gipfel versammeln.
Anders als befürchtet öffneten die griechischen Banken am Morgen wieder - obwohl in Panik geratene Sparer vergangenen Woche offenbar mehr als sechs Milliarden Euro von ihren Konten abgehoben hatten. Laut den Nachrichtenagenturen AFP und Bloomberg entschied das EZB-Direktorium, die Notkredite für die griechischen Geldhäuser nochmals zu erhöhen. Ohne die Geldspritzen der Notenbank würde den Instituten vermutlich binnen Tagen der Kollaps drohen.
Athener Medien zufolge enthalten die neuen griechischen Vorschläge erstmals substanzielle Zugeständnisse an die Gläubiger. So sei Tsipras bereit, die Mehrwertsteuer für Grundnahrungsmittel, Restaurants und Hotels quasi zu verdoppeln. Zudem wolle er die meisten Frührenten abschaffen, die umstrittene Immobiliensteuer aufrechterhalten und eine Art Sondernsteuer für Reiche einführen. Eine Bestätigung für diese Berichte gab es nicht.
Steinmeier: Griechenland muss jetzt liefern
Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier mahnte weitere Konzessionen an: "Wir können alle miteinander nur hoffen, dass die Verantwortlichen in Griechenland sehen und einsehen, dass die Regierung dort sich bewegen muss, wenn die Unterstützung von EZB, Europa und IWF weiterhin gewünscht wird", sagte der SPD-Politiker. "Nicht nur für Griechenland, sondern für ganz Europa stehen wir vor entscheidenden Tagen."
Ohne Fortschritte bei dem Krisengipfel am Montag droht Griechenland Ende Juni der Staatsbankrott, was zum Ausscheiden aus der Eurozone führen könnte. Griechenland verhandelt seit Monaten mit seinen internationalen Geldgebern über die Bedingungen zur Auszahlung ausstehender Finanzhilfen von 7,2 Milliarden Euro.