Tsipras vor Antrittsbesuch in Brüssel Ist die Troika ein Auslaufmodell?
Frankreich, Spanien, Italien und Zypern - Nach seiner großen Werbetour für den neuen Kurs der griechischen Regierung muss Ministerpräsident Tsipras noch in dieser Woche nach Brüssel: Dann muss eine Lösung im Schuldenstreit her. Zumindest auf einige Zugeständnisse darf Griechenland dabei hoffen.
Wenn der neue griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras in dieser Woche nach Brüssel kommt, dann wird er vor allem eines spüren: Gesprächsbereitschaft. "Das ist notwendig - im Interesse Griechenlands und der gesamten Eurozone", sagte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, nachdem sich die neue griechische Regierung im Eilschritt in die Ämter gehievt hatte.
Neue Bedingungen für die Schuldenrückzahlung, noch längere Laufzeiten - darüber wird derzeit diskutiert. Wenn auch mit Stirnrunzeln: "Noch längere Laufzeiten und Tilgungsfristen machen keinen Sinn mehr", erklärte unlängst auch EU-Parlamentspräsident Martin Schulz. Mit anderen Worten: Dann kann man gleich verzichten.
Genau dieses Tabu soll aber nicht angerührt werden. Einen irgendwie gearteten Schuldenerlass soll es nicht geben, da sind sich die Euroländer - zumindest noch - einig. Und: Griechenland muss alle Verpflichtungen, die mit den Geldgebern ausgehandelt wurden, auch einhalten. Etwas anderes ist dagegen nicht mehr ausgeschlossen: Griechenland könnte bald nicht mehr unter ganz so strenger Aufsicht stehen, wenn es um die Frage geht, ob Athen seine Kreditverpflichtungen auch so erfüllt, wie sich das die Geldgeber vorstellen. Dazu zählen vor allem Reformen im Staatsappart, eine strikte Ausgabenkontrolle und der Versuch, die Staatseinnahmen zu verbessern.
Bisher waren dafür die Finanzexperten der sogenannten Troika zuständig. Sie sollten diesen Prozess überwachen und standen bisher noch mit Rat und Tat zur Seite. Beliebt waren sie nicht im Land. Ihre Empfehlungen, etwa zur Privatisierung von Staatseigentum wie dem Hafen von Piräus, wurden nie gerne gehört und sollen jetzt - geht es nach Athen - auch nicht mehr befolgt werden. Athen will von der Troika nichts mehr wissen und über Reformprogramme selbst bestimmen.
Der Rausschmiss ist aber so einfach nicht zu bewerkstelligen, wenn Griechenland nicht offenen Auges eine Staatspleite riskieren will. Die Troika vertritt die Geldgeber: Die EU-Kommission, die Europäische Zentralbank und den Internationalen Währungsfonds. Das Problem bleibt: Wer passt dann auf, ob Kredite auch "sinnvoll" eingesetzt werden? Eine Frage, die weniger Griechenland, mehr aber die EU-Kommission in Brüssel beschäftigt.
Troika - ein Auslaufmodell?
Auch ohne den griechischen Einspruch ist die Troika ein Auslaufmodell. Ihre Konstruktion ist juristisch höchst umstritten. Geht es nach einem Gutachten des Generalanwaltes des Europäischen Gerichtshofs, sieht es so aus, als könnte die Troika schon bald für rechtlich unzulässig erklärt werden. Die EZB habe sich um Währungsfragen, aber nicht um Wirtschaftsreformen zu kümmern. Darum gehe es aber bei der Troika, so der EuGH. Falls die EZB ausscheiden müsste, wäre es auch mit der Troika vorbei - und dem strengen Kontrollsystem, wie es derzeit für überschuldete Länder gilt.
Entscheidende Frage: Werden die Kontrollen lascher - und die Gefahren einer Griechenlandpleite wieder größer? Der Chef des Wirtschafts- und Währungsausschusses im EU-Parlament, Markus Ferber warnte schon kurz, nachdem der EuGH-Generalanwalt seine Empfehlungen verbreitet hatte, vor einem EZB-Aus in der Troika: "In den Rettungsschirmen ist klar geregelt, dass die Überwachung durch die Troika stattfindet. Die EZB hat dazu einen wichtigen Beitrag zu leisten, insbesondere seit sie auch die Aufsicht für systemrelevante Banken übernommen hat", so der CSU-Politiker.
Nach dem aktuellen Vorstoß von EU-Kommissionspräsident Juncker, sich nach Alternativen umzuschauen, wächst der Widerstand im Europäischen Parlament in der Europäischen Volkspartei (EVP), zu der auch CDU und CSU gehören: "Wer die Troika leichtfertig in Frage stellt, gefährdet das Rettungssystem", warnt Ferber. Auch die Griechen würden wieder mit der Troika zusammenarbeiten. Andernfalls: "Meine Prognose ist, dass Griechenland den Schock haben wird und nicht die Troika, und deswegen wird sich manches wieder normalisieren, was jetzt in der ersten Woche noch ganz anders formuliert wird".
Trotzdem könnte Griechenland der Besuch der Finanzaufpasser in der bisherigen Form bald erspart bleiben - falls sich die EU mit Athen auf weichere Kontrollen einigt. Anstatt präzise die Ausgaben zu kontrollieren und Strukturreformen zu begleiten, könnte es in Zukunft großzügiger zugehen: weniger Detailprüfungen, mehr Spielräume für die Ideen der neuen griechischen Regierung. Allerdings nur, wenn sie die bisher gesteckten und mit den Geldgebern vereinbarten Reformziele nicht einfach fallen lässt. "Tsipras merkt, dass Wahlkampfrhetorik und Regierungsarbeit zwei verschiedene Dinge sind", glaubt EU-Parlamentspräsident Schulz.
Signalwirkung befürchtet
Dabei geht es in den Brüsseler Debatten inzwischen weniger um Griechenland, sondern um die Siganlwirkung in andere EU-Länder. Viele europäische Regierungen treibt die Sorge um, dass EU-kritische radikale Parteien bei künftigen Wahlen noch stärker werden können. Nicht zuletzt deshalb kommt nicht nur die Griechenland-Hilfe in die Diskussion, sondern einmal mehr der gesamte EU-Sparkurs, der nach wie vor in Berlin favorisiert wird.
In Brüssel ist von einer "Anti-Merkel-Front" aber noch wenig zu spüren. Dass Zipras Frankreich, Spanien oder Italien als Hebel gegen die Bundesregierung in Berlin erfolgreich einsetzen könnte, gilt in der EU-Kommission als unwahrscheinliches Szenario. Der Einfluss der neuen griechischen Regierung werde in dieser Beziehung überschätzt. Der Syriza-Chef werde eher früher als später auch in Berlin vorstellig werden. Im eigenen Interesse.