G20-Gipfel im Schatten des Währungsstreits "Unwahrscheinlich, dass China sich beugt"
Der G20-Gipfel in Seoul wird überschattet vom Währungsstreit zwischen China und den USA. Washington wirft Peking seit Jahren vor, die Landeswährung Yuan künstlich zu verbilligen, was China vehement zurückweist. Die koreanischen Organisatoren des Gipfels glauben dennoch an einen Erfolg.
Von Astrid Freyeisen, ARD-Hörfunkstudio Schanghai
Schwerpunktthema beim G20-Gipfel in Seoul wird das Ungleichgewicht im weltweiten Handel sein - und was dagegen getan werden kann. Vermutlich wird es wieder zu einem verbalen Schlagabtausch zwischen China und dem Westen kommen, vor allem den USA. Washington wirft Peking seit Jahren vor, die staatlich gesteuerte Landeswährung Yuan künstlich niedrig zu halten, was chinesischen Exporteuren einen unfairen Vorteil verschaffe und letztlich Arbeitsplätze in den USA koste. Dagegen wehrt sich Peking, wie es auch andere wirtschaftliche Vorwürfe des Westens von sich weist. Die koreanischen Organisatoren des G20-Gipfels glauben dennoch, dass in Seoul Kompromisse gefunden werden könnten. Eine möglicherweise zu kühne Prognose.
Zwei Beispiele zeigen, warum in der globalisierten Wirtschaftswelt im Alltag solche Fronten schwer zu ziehen sind. Beispiel eins: Li Jianyi aus Changzhou, der Gehäusen für Windturbinen herstellt. "Alle meine Maschinen kaufe ich in Deutschland", erklärt Li. "Solche aus chinesischer Produktion würden mich nur zwei Millionen Yuan kosten, während die deutschen zehnmal teurer sind. Aber: Das Niveau der chinesischen Industrie ist noch 50 Jahre hinter Deutschland zurück."
"Chinesische Kunden schauen nicht nur auf den Einkaufspreis"
Beispiel zwei: Bernhard Franger von der Firma Internormen aus dem badischen Altlussheim. Er sagt: "Die chinesischen Kunden schauen nicht mehr nur auf den Einkaufspreis, sondern auch, wie lange die Standzeit der Produkte ist" - also wie lange sie halten. Der chinesische Markt sei sehr wichtig für das Unternehmen und mache inzwischen ein Viertel des Umsatzes aus. Unter anderem beleifere Internormen auch Sany. Der chinesische Konzern ist einer der größten Baumaschinenhersteller der Welt - und will in Bedburg bei Köln seine Europazentrale errichten.
Der Handel zwischen China und der EU legte im ersten Halbjahr um 37 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum zu. Das gab der Diskussion um die chinesische Währungspolitik neue Nahrung. Vor dem G20-Gipfel sind keine Signale in Sicht, dass Peking sich von vor allem amerikanischen Drohgebärden wie Strafzöllen beeindrucken lässt. Pan Yingli, Ökonomin an der Schanghaier Jiaotong Universität, sagt: "Egal wie stark der Yuan steigt, es ist unwahrscheinlich, dass dies auch nur einen amerikanischen Arbeitsplatz zurückbringt. Amerikanische Produkte aus der Landwirtschaft oder der Waffentechnik bringen zwar hohe Profite, aber keine Arbeitsplätze."
"Druck auf den Yuan hat ausschließlich politische Gründe"
Die USA seien nicht kompetent in jenen Industrien, die neue Jobs erzeugen, meint Pan. "Selbst wenn China seinen ganzen Export nach Amerika einstellen würde, dann würden die Waren aus anderen Ländern kommen. Ich finde, der Druck auf den Yuan hat ausschließlich politische Gründe. Der nächste Schritt wird ein Handelskrieg sein." Peking dürfe den staatlich gesteuerten Yuan keinesfalls aufwerten, warnt Pan: Zu eng sei die Marge der unzähligen kleinen chinesischen Exporteure, zu groß die Gefahr von massenhaften Pleiten und sozialen Unruhen.
Der Chef der Welthandelsorganisation, Pascal Lamy, hält die klassische Handelsstatistik ohnehin für ein Erbe aus dem 19. Jahrhundert. Den Handelswert eines Produktes seinem letzten Ursprungsland zuzuordnen, verzerre die Realität der globalisierten Welt, schrieb Lamy kürzlich im "Handelsblatt". In Schanghai sagte er: "Aus meiner Sicht hält sich China an seine Verpflichtungen. Die Welthandelsorganisation regelt nicht jedes Detail. Im Rahmen unseres Netzwerks bewegt sich China wie die EU, die USA, Australien oder Brasilien."
"Unwahrscheinlich, dass China sich westlichen Forderungen beugt"
China bewegt sich auf der internationalen Bühne immer selbstbewusster. So tobt Pekings Chefunterhändler Cui Tiankai bereits vor dem G20-Gipfel: Es sei ein Akt der Planwirtschaft, dass die US-Notenbank Staatsanleihen für 600 Milliarden US-Dollar kaufen wolle. Ben Simpfendorfer, China-Experte der Royal Bank of Scotland, sagt: "China sieht sich als Anführer des Ostens, als Verteidiger gegen westliche Interessen. Hier kommen Demütigungen aus der Kolonialzeit hoch. Deshalb ist es nicht wahrscheinlich, dass China sich westlichen Forderungen beugt. Vielleicht würden sie ernster zuhören, wenn Beschwerden aus Entwicklungsländern kämen. Ernster jedenfalls als bei solchen aus Washington."
Taktisch geschickt unterzeichnete Präsident Hu Jintao in Frankreich vor dem Gipfel Kaufverträge über 16 Milliarden Euro. Schuldenhilfe für Griechenland haben die Chinesen schon angeboten. Nun tun sie es auch für Portugal.