Interview

Interview zum Putin-Besuch "Ein Konsortium sollte die Ukraine-Pipeline übernehmen"

Stand: 16.01.2009 02:44 Uhr

Mit Sorge blickt Europa auf den Gasstreit zwischen Russland und der Ukraine. Klaus Mangold vom Ost-Ausschuss der deutschen Wirtschaft hofft im Interview mit tagesschau.de, dass der Besuch von Ministerpräsident Putin zur Lösung des Konflikts beiträgt.

Mit Sorge blickt Europa auf den Gasstreit zwischen Russland und der Ukraine. Klaus Mangold vom Ost-Ausschuss der deutschen Wirtschaft hofft im Interview mit tagesschau.de, dass der Besuch von Ministerpräsident Putin zur Lösung des Konflikts beiträgt - und fordert eine langfristige Strategie der EU.

tagesschau.de: Was erhofft sich die deutsche Wirtschaft vom Besuch des russischen Ministerpräsidenten Putin bei Kanzlerin Merkel?

Klaus Mangold: Besonders drängend ist natürlich die Frage, wie wir weiterhin mit dem Gaskonflikt zwischen der Ukraine, Russland und den anderen europäischen Ländern umgehen. Erst einmal muss alles dafür getan werden, dass das Gas wieder fließt. Es darf nicht sein, dass Menschen zu Schaden kommen, wie es jetzt in Südosteuropa der Fall ist. Bei aller berechtigten Interessenlage der russischen Seite muss der humanitäre Aspekt eine höhere Priorität haben als wirtschaftliche Fragen.

"Die Russen sollten den Gordischen Knoten durchschlagen"

tagesschau.de: Wer hält denn in diesem Konflikt den Schwarzen Peter in der Hand? Kann man das überhaupt beurteilen?

Mangold: Die Lage ist wirklich diffus. Aber die ursächliche Verantwortung liegt bei der Ukraine. Sie hat ihre Rechnungen nicht bezahlt. Jedes Unternehmen auf der Welt muss darauf achten, dass die offenen Rechnungen bezahlt werden. Das ist nun mal so, und dazu müsste sich auch die Ukraine bereit erklären. Trotzdem sollte die russische Seite aus humanitären Gründen jetzt endlich mal den Gordischen Knoten durchschlagen.

Zur Person
Klaus Mangold wurde 1943 in Pforzheim geboren. Der studierte Jurist und Makroökonom war u.a. von 1991 bis 1994 Vorsitzender des Vorstandes der Quelle-Schickedanz AG. 1995 übernahm er die gleiche Position bei debis. 1998 wurde er Vorstand bei Daimler-Chrysler. Seit 2000 ist Mangold Vorsitzender des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft. Seit 2005 ist Mangold als Honorarkonsul der Russischen Föderation für den Konsularbezirk Baden-Württemberg zuständig.

tagesschau.de: Wie beurteilen Sie die Position Deutschlands bzw. der EU im Gas-Streit?

Mangold: Die EU hat dem Thema anfangs nicht die nötige Aufmerksamkeit geschenkt. Das lief alles so ein bisschen zwischen den Jahren dahin, obwohl man schon seit Ende November erkennen konnte, dass es erneut zu einem Konflikt kommt. Ich hätte mir sehr gewünscht, dass die EU pro-aktiv wird anstatt erst dann zu handeln, als das Kind schon im Brunnen lag.

tagesschau.de: Wie sollte die Strategie der EU aussehen?

Mangold: Wir brauchen kurzfristig eine klare Regelung von Krisenmechanismen, um frühzeitig und wesentlich effektiver reagieren zu können als zuletzt geschehen. Langfristig schlägt der Ost-Ausschuss vor, dass die durch die Ukraine laufende Pipeline von einem internationalen Konsortium übernommen wird. Das könnte die Pipeline von der Ukraine mieten und sie von Investitionsverpflichtungen freistellen. Die Ukraine würde dadurch gewinnen, weil sie frei wird von dem Druck aus Russland. Russland wiederum hätte in dem Konsortium - das durchaus privatwirtschaftlich aufgestellt sein darf - einen verlässlichen Partner, und das Gas würde fließen.

"Arbeitsteilung zwischen Medwedjew und Putin"

tagesschau.de: Zurück zum Putin-Besuch. Wir wissen im Westen gar nicht mehr wirklich, wer ist eigentlich der starke Mann in Russland? Ministerpräsident Putin oder Präsident Medwedjew?

Mangold: Ich glaube, dass zwischen Präsident und Ministerpräsident eine Arbeitsteilung stattfindet. Mein Eindruck ist, dass sich der Ministerpräsident sehr stark um Themen wie Energie, Wirtschaftspolitik, Bewältigung der Finanzkrise kümmert und der Präsident die großen Fragen wie die der Außenpolitik, wie die Schaffung einer internationalen Sicherheitsarchitektur, die Einbindung Russlands in große internationale Vereinbarungen oder Treffen wie G8 oder G20 abdeckt.

tagesschau.de: Im Zuge der Finanzkrise haben sehr viele reiche Russen sehr viel Geld verloren. Was bedeutet das denn für das Machtgefüge innerhalb der russischen Wirtschaft?

Mangold: Die berühmten Unternehmer in Russland haben gewaltig eingebüßt, dass ist gar keine Frage. Und sie waren, das muss man immer hinzufügen, für viele Unternehmen im Westen berechenbare Partner. Nun wird sich der Staat wieder verstärkt einschalten, eine Teilverstaatlichung in gewissen Branchen wird kommen. Das sieht man im Automobilbereich, das kann man bei den Rohstoffen sehen. Da verlagern sich durchaus die Gewichte. Einfacher wird es sicherlich nicht. Aber sicherer, weil die staatlichen Schutzschirme über den Unternehmen diese wesentlich robuster machen.

"Wir müssen mit Russland Geduld haben"

tagesschau.de: Gerade aus dem Westen wird ja an Russland immer wieder Kritik geübt, an Putins Führungsstil, letztes Jahr der Georgien-Krieg, dann die Aushöhlung der Pressefreiheit usw. Wie sehen Sie das, wie sieht das die deutsche Wirtschaft? Ist es für sie wichtig in erster Linie Geschäfte zu machen oder haben Sie da auch ein Augenmerk drauf?

Mangold: Wir haben natürlich ein Augenmerk drauf und der Ost-Ausschuss hat sich zu vielen dieser Punkte kritisch geäußert. Man kann doch auf Dauer nur in einem Land wirtschaftlich tätig sein, in dem der Rechtsstaat funktioniert und in dem Investitionssicherheit herrscht. Russland ist ein Land, das seit dem Ende des Kommunismus einen weiten Weg zurücklegen musste, dabei unbestrittene Erfolge erzielte, sich aber immer noch einem tiefen Veränderungsprozess befindet. Deshalb muss man mitunter Geduld haben.

tagesschau.de: Wie groß ist der Einfluss Deutschlands auf Russland?

Mangold: Deutschland ist der größte Handelspartner von Russland, sowohl bei den Exporten als auch bei den Importen. Wir haben 4600 deutsche Unternehmen in Russland. Deutschland ist der wichtigste Modernisierungspartner für Russland. Insofern haben wir ein gemeinsames Interesse daran, dass diese deutsch-russischen Beziehungen exzellent funktionieren - auch wenn die Zeiten mal ein bisschen schwieriger sind.

Das Interview führte Ulrich Bentele, tagesschau.de