Italien starrt auf den Spread Wie zum Ende der Berlusconi-Ära?
Die Zeichen mehren sich, dass Italien vor großen finanziellen Problemen steht. Aber die populistische Regierung bestreitet die Probleme und will Kurs halten. Morgen endet eine EU-Frist.
Einiges erinnert im Moment an das Ende der Ära Berlusconi - damals im November 2011, als die Fieberkurve des italienischen Zinsthermometers mit einem Spread von 574 Punkten ihren bisherigen Höchstwert erreichte und damit den Ministerpräsidenten zum Rückzug zwang.
Schon damals saß die italienische Regierung auf einem riesigen Schuldenberg. Das kann nur gutgehen, solange die Zinsen für Staatspapiere in einem beherrschbaren Rahmen bleiben. Sobald die Kosten für den Schuldendienst explodieren, droht eine Staatspleite.
So weit ist Italien im Moment noch nicht. Aber die Zinsentwicklung gibt Anlass zur Sorge. Im April lag der Spread noch bei etwas über 100 Punkten. Inzwischen ist er bei 300 angekommen. Das heißt: Die italienische Regierung aus populistischer Fünf-Sterne-Bewegung und rechter Lega und hat bei den Anlegern weltweit Vertrauen verloren.
Darauf wies vergangene Woche auch Eurogruppenchef Mario Centeno bei einem Besuch in Rom hin. Es gebe "fortdauernde Zweifel" an der italienischen Ausgabenstrategie auf den Märkten und bei den europäischen Partnern. Die Unsicherheit führe zu höheren Refinanzierungskosten für den italienischen Staat, für die Wirtschaft und die Bürger.
Italiens Regierung hat bei den Anlegern viel Vertrauen verloren.
"Zu Besorgnis kein Grund"
Da muss Italiens Finanzminister Giovanni Tria dagegenhalten. Kein Grund zur Sorge, sagt er derzeit bei jeder Gelegenheit: "Wir haben erklärt, dass diese Besorgnis keine Grundlage findet in unserer tatsächlichen Haushaltsplanung." Die für das kommende Jahr geplante Neuverschuldung in Höhe von 2,4 Prozent der italienischen Wirtschaftsleistung sei vernünftig und werde dem Land dabei helfen, aus der Falle des Niedrigwachstums herauszukommen, so der Minister.
Um eine entsprechende Neuverschuldung zu vermeiden, um auf lediglich 0,8 Prozent zu kommen, müsste man "brutale Maßnahmen" ergreifen. "Für eine Wirtschaft, die sich stark verlangsamt hat, wäre das Selbstmord", meint der Minister. Er glaube nicht, dass Brüssel so eine Aktion erwarte, selbst wenn es den Regeln entspreche, die die Kommission vorgab. Morgen endet die Frist für die italienische Regierung, an ihrem Haushalt noch etwas zu ändern.
Die Prognosen sind schlecht - noch schlechter
Tatsächlich geht es aber nicht um irgendwelche Regeln der EU-Kommission, sondern um die Euro-Stabilitätskriterien, die den betroffenen Staaten eigentlich helfen sollen. Allein die Zinssteigerungen der vergangenen sechs Monaten kosteten Italien 1,5 Milliarden Euro. Viel Geld, das auch sinnvoller hätte ausgegeben werden können. Die Prognosen für die kommenden Jahre sind noch schlechter. Für 2020 warnt die Banca d'Italia bereits vor jährlichen Mehrkosten in Höhe von neun Milliarden Euro - nur für Zinsen. Genauso viel will die Regierung eigentlich für das neue Grundeinkommen für arme Italiener ausgeben.
Erschwerend kommt hinzu, dass das höhere Zinsniveau Wertverluste bei den italienischen Banken zur Folge hat, die extrem viele Staatspapiere - 375 Milliarden Euro - in ihren Bilanzen haben. Dabei ist Italiens gebeutelte Bankenbranche gerade auf Erholungskurs. Die Zahl fauler Kredite ist gesunken. Die dadurch gewachsene Zuversicht könnte sich nun schnell wieder in nichts auflösen.
Populisten wollen Kurs halten
Das scheint der Regierung aber relativ egal zu sein. Allen Appellen aus Brüssel zum Trotz wollen die Populisten Kurs halten. Das Ziel ist ein anderes Europa, sagt Wirtschaftsminister Luigi di Maio.
Die Situation auf europäischer Ebene habe sich geändert, meint der Fünf-Sterne-Chef. Früher sei man von vielen Entscheidungen ausgeschlossen worden. Im vergangenen Jahr habe er dann eine Verschiebung des europäischen Gleichgewichts gespürt, und durch die Europawahl würden sich die Gewichte im Parlament und damit auch in der Kommission weiter verschieben.
Der Gegenwind aus Brüssel hat für die Regierung in Rom also nur einen vorläufigen Charakter. Wie schlechtes Wetter, dass sich irgendwann wieder verzieht.
Zweifel sind allenfalls bei Finanzminister Giovanni Tria spürba: "Wenn ich glaube, dass ich richtigliege, muss ich nicht gleichzeitig davon ausgehen, dass alle anderen im Irrtum sind. Zweifel gehören zum Denken." Der Mann ist ein allseits anerkannter Wirtschaftsprofessor.