Haushaltsstreit EU-Italien Jetzt ist Brüssel am Zug
Italien lässt den Haushaltsstreit mit der Europäischen Union weiter eskalieren. Jetzt muss die Kommission entscheiden, wie sie reagiert - und verordnet sich zunächst Gelassenheit. Von Holger Romann.
Italien lässt den Haushaltsstreit mit der Europäischen Union weiter eskalieren. Jetzt muss die Kommission entscheiden, wie sie reagiert - und verordnet sich zunächst Gelassenheit.
"Die Regeln zu brechen, kann auf den ersten Blick verlockend sein. Es kann die Illusion vermitteln, man befreie sich. Der Versuch, Schulden mit noch mehr Schulden zu kurieren, ist verführerisch. Ab einem bestimmten Punkt aber wiegen die Schulden zu schwer. Und am Ende ist gar keine Freiheit mehr übrig."
Die Warnung von Kommissionsvize Valdis Dombrovskis ist deutlich, das Horrorszenario, das dahinter steht, höchst real: In Brüssel und den anderen Hauptstädten der Eurozone fürchtet man ein zweites Griechenland, zumal auch die von faulen Krediten belasteten italienischen Banken sowie die rasant steigenden Zinsen für italienische Staatsanleihen ein erhebliches Risiko darstellen.
Rom spielt auf Zeit
Durch die radikale Abkehr vom Sparkurs nehme die allgemeine Unsicherheit zu, und dies wiederum schade der Stimmung in der Wirtschaft und verschrecke die Finanzmärkte, erläutert der finanzpolitische Sprecher der EVP-Fraktion, der CSU-Abgeordnete Markus Ferber: "Rating-Agenturen haben Italien jetzt schon abgestuft. Die Kredite für den Staat Italien werden teurer. Das heißt, dass Italien sich auf einer schiefen Ebene befindet."
Käme die drittgrößte Volkswirtschaft der Eurozone tatsächlich ins Straucheln, so die Sorge, wäre das auch für die Partner ein ernstes Problem. Das weiß freilich auch die neue Regierung aus rechtsextremer Lega und linksalternativer Fünf-Sterne-Bewegung. Sie verteidigt sich und spielt auf Zeit.
Ihm sei bewusst, so Finanzminister Giovanni Tria, dass seine Haushaltspläne nicht im Einklang mit dem Euro-Stabilitätspakt stünden. Doch eine höhere Neuverschuldung sei angesichts der "dramatischen Lage", in der sich die "benachteiligten Schichten der italienischen Gesellschaft" befänden, notwendig.
Nach einem Treffen mit Eurogruppenchef Mario Centeno machte der Minister deutlich, Italien wolle zwar in der Währungsunion bleiben und sei für "konstruktiven Dialog", die "grundlegenden Eckpfeiler" des Budgets blieben aber wie sie sind.
Der italienische Wirtschafts- und Finanzminister Tria sieht keine Alternative zu der geplanten Neuverschuldung.
Moscovici besteht auf Einhaltung der Regeln
EU-Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici, von dem Kritiker behaupten, er selbst betrachte den Stabilitäts- und Wachstumspakt mehr als Orientierungshilfe denn als sklavisch einzuhaltendes Regelwerk, gibt sich im Fall Italiens nach außen gelassen, doch in der Sache unnachgiebig. Er sei stets für eine "gewisse Flexibilität" bei der Auslegung der Vorschriften eingetreten, räumt der EU-Kommissar ein. Aber flexibel zu sein, sei etwas anderes als sich gegen die Regeln zu stellen.
Am 21. November will Moscovici einen ausführlichen Bericht zu den italienischen Staatsfinanzen vorlegen, ebenso zu denen der übrigen Euroländer. So, wie die Dinge liegen, muss sich Italien wohl auf eine weitere Eskalationsstufe im Haushaltsstreit gefasst machen. Die bestünde darin, dass die EU-Kommission als nächstes offiziell empfiehlt, ein Defizitverfahren gegen das überschuldete Euroland einzuleiten. Dem allerdings müsste der Rat der Finanzminister zustimmen.
Milliardenstrafen möglich - theoretisch
Falls es dazu kommt, wäre am Ende sogar die Kürzung von Strukturhilfen denkbar oder eine Geldbuße - konkret bis zu dreieinhalb Milliarden Euro oder 0,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.
Überstürzen will man in Brüssel freilich nichts. Man werde "Schritt für Schritt" vorgehen, heißt es. Und Wirtschaftskommissar Moscovici beteuert, es gehe nicht darum, jemanden zu bestrafen. Überhaupt sei er nie ein Freund von Sanktionen gewesen. Die seien immer auch ein Beweis des Scheiterns - und zwar auf beiden Seiten. Dennoch blieben Sanktionen natürlich eine Option.