Senat billigt Renzis Arbeitsmarktreform Italien lockert Kündigungsschutz
Mit der Zustimmung des Senats hat die vom italienischen Ministerpräsidenten Renzi entworfene Arbeitsmarktreform die letzte Hürde genommen. Ihr Kernpunkt ist eine Lockerung des Kündigungsschutzes. Vor dem Parlament sorgte dies für Unmut. In Rom kam es zu Ausschreitungen, mehrere Menschen wurden verletzt, wie die Nachrichtenagentur ANSA berichtet.
Zumindest eine große Reform hat Matteo Renzi nun vom Tisch. Gestern Abend segnete der italienische Senat die Arbeitsmarktreform endgültig ab. 166 Senatoren waren dafür, 112 stimmten dagegen und ein Senator enthielt sich.
Heftig umstritten ist diese vor allem außerhalb des Parlaments. Am Rande der Abstimmung gab es Demonstrationen in Rom - wie schon so oft in den vergangenen Tagen und Wochen. Bei einer Kundgebung der Metallgewerkschaft in Neapel verkündete deren Chef Maurizio Landini den Bruch der Gewerkschaften mit dem Sozialdemokraten Renzi. An die Adresse Renzis sagte Landini: "Er sollte sich klar machen, dass die arbeitende Bevölkerung, die jungen Leute, die Arbeit suchen, sowie die anständigen Leute nicht hinter ihm stehen. Deshalb sollte er entscheiden, auf welcher Seite er steht."
Ein erster Schritt
Renzi hat sich entschieden und mit der Reform den Kündigungsschutz entscheidend gelockert. Künftig sind Angestellte umso besser geschützt je länger sie im Betrieb sind. Neu Angestellte wären demnach in den ersten zwei Jahren relativ leicht auf die Straße zu setzen. Damit will Italiens Ministerpräsident die Unternehmen im Land motivieren, endlich wieder Personal einzustellen.
"Es gibt keine ungerechtere Sache in Italien als ein Arbeitsrecht, das die Menschen in Bürger erster und zweiter Klasse teilt. Eine 30-jährige Frau, die schwanger wird, bekommt als Angestellte Schwangerschaftsurlaub, als Scheinselbständige hat sie gar nichts. In dieser Arbeitswelt herrscht Apartheid", warb Renzi für seine Pläne.
Der Arbeitsmarkt ist nur ein Kapitel in Italiens gewaltiger Reformagenda: Verwaltungsreform, Justizreform, Verfassungsreform, Wahlrechtsreform. Die Liste ist also lang.
Renzi verspricht rasche Reformen
Alessandro Milan, der Morgenmoderator von Radio 24, zählt derweil die Wochen. Dies sei die "83. alles entscheidende Woche" für die Abschaffung der Provinzen und für die Wahlrechtsreform, ätzte er in Richtung Renzi.
Doch am Reformschneckentempo trifft Renzi nur eine Teilschuld. Vor 83 Wochen war er noch gar nicht im Amt. Allerdings hat er selbst vor etwa 40 Wochen vollmundig angekündigt: "Jeden Monat eine Reform." Heute spricht er stattdessen davon, dass die wichtigsten Reformen bis zum Jahresende zumindest im Parlament eingebracht werden sollen. "Die Wahlrechtsreform, da gehe ich eine Wette ein, wird vor Weihnachten im Ausschuss verabschiedet und ins Parlament eingebracht. Die Verfassungsreform kommt am 16. Dezember ins Parlament. Beide Reformen, hoffe ich, werden also noch vor Jahresende im Plenum sein."
Und Berlusconi?
Renzi bohrt dicke Bretter. Er will den Senat, die zweite Parlamentskammer, abschaffen und in eine Regionen-Vertretung umwandeln. Die Wahlrechtsreform soll einen echten Wahlsieger und eindeutige Mehrheiten garantieren. Für beide Reformen braucht der ungeduldige Ministerpräsident Zeit und vor allem einen Bündnispartner: Silvio Berlusconi.
Doch der gefällt sich neuerdings wieder mehr in der Rolle des Oppositionspolitikers. Am Wochenende nahm er - gegen den Rat seiner Anwälte - zum ersten Mal seit langem wieder an einer öffentlichen Veranstaltung seiner Partei Forza Italia teil. Dort sagte er: "Ich kann nicht länger still halten und muss sagen, wie es um die Dinge steht. Ich muss wieder ins Feld ziehen, um den Italienern unsere Wahrheit kundzutun, die die wahre Wahrheit ist."
Berlusconi verbüßt gerade eine Strafe wegen Steuerbetrugs und ist vom politischen Betrieb weitgehend ausgeschlossen. Nichts fürchtet er also mehr als Neuwahlen- Das weiß Renzi und kann deshalb seinem Vorgänger im Amte gelassen entgegnen: "Berlusconi sitzt am Tisch, aber er teilt die Karten nicht mehr aus. Das ist Tatsache."
Beunruhigender für Renzi ist der erwartete Rücktritt von Staatspräsident Giorgio Napolitano. Der könnte das ohnehin schon fragile politische Kräfteverhältnis in Italien aus der Balance bringen. Auch deshalb hat es Renzi auf einmal besonders eilig.