Klimaanlagen als Energiefresser Warum Kühlung die Politik nicht kalt lassen darf
Während über das Heizungsgesetz diskutiert wird, kommt mit immer heißeren Sommern ein anderes Problem auf Deutschland zu: der Energiefresser Kühlung. Doch das wird von der Politik unterschätzt.
Kältebau-Spezialist Tim Beer und seine Mitarbeiter in München haben alle Hände voll zu tun. Sie installieren Kühlgeräte für Gebäude. "Die Klimaanlagen werden immer mehr nachgefragt", sagt Beer. Für ihn und seine Kundinnen und Kunden wäre Planungssicherheit wichtig. Vor allem, weil 2030 viele Kältemittel für Klimaanlagen wegfallen. Dann nämlich sind die meisten heute verwendeten Stoffe verboten, weil sie als extrem klimaschädlich eingestuft werden.
Während die Klimaanlagen kühlen, laufen die Stromzähler heiß. In Wohnungen und Privathäusern setzt der Trend zur Raumkühlung erst ein. Bei Büro- und Verwaltungsgebäuden haben laut Umweltbundesamt bereits rund die Hälfte der Gebäude Kühlanlagen.
Kühlung als hoher Anteil am Energieverbrauch
Wie groß der Energieverbrauch durch Gebäudekühlung sein kann, zeigt sich am Marie-Elisabeth-Lüders-Haus am Berliner Spreebogen. Dort sind Büros und die Bibliothek des Bundestages untergebracht. Der durchschnittliche Energieaufwand fürs Heizen: 4103 Megawattstunden (MWh) im Jahr. Und fürs Kühlen: 2537 MWh. Das entspricht fast 40 Prozent des Gesamtbedarfs. In vielen anderen Gebäuden sieht es ähnlich aus.
"Die seit mehreren Jahrzehnten gebauten Gebäude haben einen relativ hohen Glasanteil, und vor allen Dingen haben sie einen hohen Dämmwert", erläutert Martin Kriegel von der TU Berlin. "Wenn die Gebäude nun darauf optimiert sind, dass sie keine Wärme von innen nach außen lassen, dann bleibt diese Wärme im Raum, und man spricht von einer Wärmefalle. Das führt eben zu einem größeren Kältebedarf."
Doch die Politik scheint den enormen Energiebedarf zur Gebäudekühlung noch nicht auf dem Schirm zu haben. So geht es im neuen Gebäudeenergiegesetz, das seit Monaten diskutiert wird, vor allem ums Heizen. Von Gebäudekühlung ist kaum die Rede. Wärme und Kälte stärker zu verzahnen fordert Sebastian Breer von der Umweltschutzorganisation WWF Deutschland. Es brauche "gemeinsame Konzepte, die nicht voneinander getrennt laufen".
Kältezentrale am Potsdamer Platz in Berlin
In Berlin betreibt der Energieversorger Vattenfall eine Kältezentrale. Von dort aus werden rund 12.000 Büros und 1000 Wohnungen mit Kälte versorgt. Beim Wiederaufbau des Potsdamer Platzes wurde schon in den 90er-Jahren die Kälteversorgung mitgedacht, wie Gerhard Plambeck von Vattenfall erklärt: "Damals hat das Land Berlin ein vorausschauendes Konzept entwickelt vor 30 Jahren für das Neubaugebiet am Potsdamer Platz zur Versorgung mit Strom, Wärme und Kälte. Eigentlich Beispielhaft."
Die zentrale Anlage arbeitet effizient und braucht nur einen Bruchteil der Energie, die einzelne Kälteanlagen verbrauchen würden. "Wir haben 13 Maschinen im Einsatz, und jede kann im optimalen Wirkungsbereich arbeiten", erläutert Plambeck. "Wenn ein Kunde nur ein oder zwei Maschinen hat, dann können diese nicht optimal im Wirkungsbereich arbeiten. Und er hat einen viel schlechteren Wirkungsgrad."
Laut Umweltbundesamt in Dessau hat Fernkälte durchaus Vorteile. Es gebe Zahlen, dass man 40 Prozent der Energie einsparen könne gegenüber der individuellen Gebäudeversorgung. Doch leider sei das Konzept in Deutschland noch nicht weit verbreitet.
Bundesregierung: Keine Rede von Kälteplänen
Während die Bundesregierung die Wärmewende voranbringen will und für die Fernwärme nun sogar ein Wärmeplanungsgesetz auf den Weg bringt, hinkt man bei der Kälte hinterher. Dabei hat die EU in der neuen Energieeffizienzrichtlinie ihre Mitgliedsstaaten verpflichtet, Kältepläne der Kommunen zu fördern. Trotzdem ist von Seiten der Bundesregierung keine Rede von Kälteplänen.
Das ARD-Magazin Plusminus fragt im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz nach. Dort heißt es: "Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz befasst sich mit energetischer Sanierung und mit der erneuerbaren Wärmewende. In Ihrer Anfrage geht es eher um Kühlung bei Extremwettern. Da sind sie im Bundesministerium für Umwelt und Verbraucherschutz an richtiger Stelle, eventuell im Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen."
Daraufhin die Nachricht vom Umweltministerium: "(…) bitte wenden Sie sich ans Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz." Vom Bauministerium erhielt Plusminus bis heute keine Antwort. Schweigen also bei der Bundesregierung - und Unsicherheit bei Bürgern und Unternehmen.