Abfall-Problem im Gesundheitswesen Was Kliniken gegen Müll unternehmen können
Krankenhäuser produzieren riesige Mengen Abfall. Das Universitätsklinikum Bonn zeigt, wie es auch anders geht - und dass mehr Recycling sogar auch Geld spart.
Das Universitätsklinikum Bonn hat als erste deutsche Klinik Ende vergangenen Jahres das Recycling chirurgischer Einweggeräte eingeführt. Klammernahtgeräte und Ultraschallscheren, die etwa bei einer Bauchspiegelung genutzt werden, landen seither nicht mehr in der Verbrennung, sondern werden sterilisiert und die Rohstoffe anschließend wiederverwertet.
Ein Projekt, das in Zusammenarbeit mit dem Hamburger Start-up Resourcify ins Leben gerufen wurde, um das Abfallaufkommen am Klinikum deutlich zu reduzieren. Etwa 8.000 Tonnen des Abfalls, der in deutschen Krankenhäusern anfällt, ist auf solche durchaus mehrere hundert Euro teuren Einweggeräte zurückzuführen.
Krankenhäuser fünftgrößter Abfallproduzent
Und nicht nur im OP fällt einiges an Müll an: In den vergangenen Jahrzehnten kamen immer mehr Einwegprodukte hinzu. Nach Angaben des Wissensportals und Online-Magazins "Abfallmanager Medizin" sind Krankenhäuser mit 4,8 Millionen Tonnen jährlich der fünftgrößte Abfallproduzent Deutschlands - nach Baubranche, Handel, Gewerbe und Bergbau.
Dabei können laut Weltgesundheitsorganisation WHO etwa 85 Prozent der Krankenhausabfälle prinzipiell recycelt werden - sie sind nicht infektiös, ihre Wiederverwertung unproblematisch.
Kosteneinsparung durch digitales Abfallmanagement
Das Universitätsklinikum Bonn beschäftigt mit Michael Schmitz mittlerweile einen Abfallmanager, dessen Aufgabe es ist, die Abfallmengen und die mit ihnen einhergehenden Entsorgungskosten in den Griff zu bekommen. Mit Hilfe von Resourcify wurden die Entsorgungs- und Wertstoffströme im Klinikum digitalisiert. Schmitz und sein Team wissen mittlerweile genau, wo es Probleme bei der Abfalltrennung oder mit den Entsorgern gibt.
Die Optimierung der Abfallströme spart dem Universitätsklinikum so inzwischen 100.000 Euro im Jahr: statt einer Million Euro müssen die Bonner "nur" noch 900.000 Euro jährlich für die Entsorgung ihrer Abfälle ausgeben. Denn jede Tonne Abfall, die nicht verbrannt wird, spart Geld.
Gesammelt wird, was sich besonders lohnt: neben den Einweggeräten etwa auch Aluminium und hochwertige Kunststoffe. Bei der Abfalltrennung helfen farbige Mülleimer in einem speziellen Raum im OP-Trakt. Platzmangel ist dabei eine Herausforderung: Für zehn verschiedene Recyclingbehälter, sagt Meike Lessau von Ressourcify, seien OPs nicht konzipiert.
Bonner Klinik auf dem Weg zur CO2-Neutralität
Aber das Projekt wird von den Mitarbeitenden sowohl in den OPs als auch auf den Stationen trotz des erhöhten Aufwands mitgetragen. Denn weniger Abfall im Krankenhaus bedeutet nicht nur weniger Müllverbrennung, sondern dadurch auch weniger CO2-Ausstoß. Tatsächlich ist das Gesundheitswesen weltweit für 4,4 Prozent der Treibhausgasemissionen verantwortlich. In Deutschland ist der Anteil laut der weltweit tätigen Nichtregierungsorganisation "Health Care Without Harm" mit 5,2 Prozent sogar noch höher - vor der Schwerindustrie und dem Flugverkehr.
Das Bonner Universitätsklinikum hat sich vorgenommen, bis 2030 klimaneutral zu sein. Dazu beitragen soll auch ein sorgfältigerer Umgang mit Narkosegasen in den 40 Operationssälen des Hauses. Denn Narkosegase gehören zu den schlimmsten Klimaschädigern weltweit. Desfluran etwa ist 2.540 Mal schädlicher als CO2, Isofluran wirkt 510 Mal stärker auf die Atmosphäre und Sevofluran immer noch 130 Mal. In Bonn werden wie mittlerweile auch in vielen anderen Krankenhäusern nur noch die weniger klimaschädlichen Narkosegase eingesetzt - und diese möglichst sparsam. Rechnet man die gesparten Narkosegase in CO2-Äquivalente um, entspricht das bei jährlich 36.000 Narkosen 200 Tonnen CO2 weniger - eine Ersparnis von 80 Prozent.
Künftig dürften noch mehr Krankenhäuser dem Bonner Beispiel folgen. Ab dem 1. Januar 2024 greift die CO2-Bepreisung mit 40 Euro pro Tonne CO2. Bis 2025 steigt der Preis auf 65 Euro - die CO2-Bepreisung, glaubt Abfallmanager Schmitz, werde das Lenkungsmittel der Zukunft sein. Sein Haus sieht er dafür schon gut gerüstet.