Griechenland und die neue Härte der EU So viel Hineinregieren war noch nie
Jahrelang hat die EU tatenlos zugesehen, wie die Griechen ihre Statistiken manipulierten. Jetzt zeigt sie sich auf einmal hart. Leider kommt diese Härte sehr spät. Das war nicht nur Nachlässigkeit oder Mutlosigkeit, sondern sagt auch viel über den Zustand der EU. Aber das griechische Drama hat gezeigt, dass eine Gemeinschaft der Sonntagsreden keine Zukunft hat, meint Martin Bohne.
Von Martin Bohne, MDR-Hörfunkstudio Brüssel
Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen: Ein souveränes Land gibt de facto die Hoheit über seinen Haushalt ab. Von jetzt an steht Griechenland unter Zwangsverwaltung der EU. Die Sparziele werden von Brüssel vorgegeben. Einmal monatlich müssen die stolzen Hellenen zum Rapport antreten, ob die Reformanstrengungen auch ausreichen. Und dem griechischen Finanzminister wurde gleich auf den Weg gegeben, dass er gefälligst im März schon mal nachlegen solle. So viel Hineinregieren gab es in der EU noch nie.
Die EU zeigt sich bis jetzt in der Causa Griechenland erstaunlich hart. Viele hatten erwartet, dass man den Griechen schon schnell die rettende Hand reichen werde, um sie aus dem Strudel der Finanzmärkte herauszuziehen. Bisher gibt es aber nur die Hilfe zur Selbsthilfe – und das feste Versprechen, das Land nicht untergehen zu lassen, falls die griechische Regierung die Selbsthilfe wirklich ernsthaft betreibt.
Jahrelang tatenlos zugesehen
Leider kommt diese Härte sehr spät. Vielleicht zu spät. Jahrelang hat die EU tatenlos zugesehen, wie die Griechen ihre Statistiken manipulierten, wie sie für jedermann erkennbar über ihre Verhältnisse lebten. Ein paar mahnende Worte vielleicht, aber nichts, was die Griechen zum Nachdenken hätte bringen können.
Das war nicht nur Nachlässigkeit oder Mutlosigkeit. Das sagt auch viel über den Zustand der Europäischen Union. Keiner will sich da zu sehr hineinreden lassen, also behandelt man Verstöße gegen die Gemeinschaftsdisziplin als Kavaliersdelikt.
Die Mitgliedsstaaten, insbesondere die, die den Euro haben, haben sich zwar alle in ein Boot gesetzt, aber man behält die vielen Steuermänner, die alle in eine andere Richtung schauen. Ein Seemann weiß, wohin das führt. Das Boot geht irgendwann unter. Die EU-Chefs werden erst jetzt mit der Nase auf diese einfache Wahrheit gestoßen.
Nichts garantiert, dass die EU die Wandlung schafft
Viele sagen es jetzt, auch Bundeskanzlerin Merkel: Es muss in Europa möglich sein, Länder, die ihre Hausaufgaben nicht machen, zu Reformen zu zwingen. Dabei geht es nicht nur um die Drei-Prozent-Zahl aus dem Stabilitätspakt, auf die alle immer so starren. Es geht um Leistungsbilanzen, um Sozialsysteme, um Bildung und Forschung, letztlich um die Wettbewerbsfähigkeit der Volkswirtschaften. Der Euro kann auf Dauer nur überleben, wenn die realwirtschaftlichen Differenzen zwischen den einzelnen Ländern geringer werden. Bislang sind sie in den vergangenen zehn Jahren - trotz oder vielleicht sogar wegen des Euros - eher noch größer geworden.
Nichts garantiert, dass die EU die Wandlung schafft - von einer Schicksalsgemeinschaft, die lediglich in Sonntagsreden beschworen wird – zu einer Gemeinschaft, die gemeinsam beschlossene Ziele auch durchsetzt.
Aber das griechische Drama – und die weltweite Finanzkrise – haben gezeigt, dass eine Gemeinschaft der Sonntagsreden keine Zukunft hat.
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