Krise im Wohnungsbau "Es braut sich ein Sturm zusammen"
Bestehende Aufträge werden storniert, immer weniger Neuaufträge: Die Krise im Wohnungsbau verschärft sich. Laut ifo-Institut belasten hohe Zinsen und gestiegene Baukosten die Baukonjunktur.
Der Absturz im deutschen Wohnungsbau setzt sich laut ifo-Institut verstärkt fort und hat einen neuen Negativrekord erreicht. Im Juli klagten 40,3 Prozent der Unternehmen über Auftragsmangel, nach 34,5 Prozent im Juni, wie das Münchner Wirtschaftsforschungsinstitut heute mitteilte. Vor einem Jahr lag der Anteil noch bei 10,8 Prozent.
"Es braut sich ein Sturm zusammen", sagte Klaus Wohlrabe, Leiter der ifo-Umfragen. "Nach einem langjährigen Boom würgen die höheren Zinsen und die drastisch gestiegenen Baukosten das Neugeschäft förmlich ab."
Extrem viele Auftragsstornierungen
Seit dem Frühling 2022 seien auffällig viele Auftragsstornierungen im Wohnungsbau zu beobachten, heißt es von den ifo-Experten. Aktuell würden 18,9 Prozent der Betriebe über abgesagte Projekte klagen. Im Vormonat seien es 19,2 Prozent gewesen. Im langfristigen Mittel betrug der Anteil nur 3,1 Prozent. Betrachtet man nur die Jahre bis 2021, waren es lediglich 1,5 Prozent.
"Der Wohnungsbau steht unter starkem Druck. Auf der einen Seite werden kontinuierlich bestehende Aufträge storniert, auf der anderen Seite kommen immer weniger Neuaufträge rein", sagte Wohlrabe.
Rahmenbedingungen nicht mehr rentabel
Viele Unternehmen zehrten noch von den Auftragspolstern, die sie in besseren Zeiten aufbauen konnten, so das ifo-Institut. Für einige Betriebe werde die Situation allerdings schon bedrohlich. Im Rahmen der jüngsten Umfrage meldeten 10,5 Prozent der Wohnungsbaufirmen Finanzierungsschwierigkeiten. Im Vorjahr waren es nur halb so viele.
"Viele Projekte sind unter den neuen Rahmenbedingungen für Investoren nicht mehr rentabel, und auch private Bauleute haben zunehmende Probleme, eine Finanzierung auf die Beine zu stellen", betonte Wohlrabe. Für die kommenden Monate rechne eine Mehrheit der Betriebe mit einer weiteren Abkühlung. Die Geschäftserwartungen lagen bei außerordentlich schwachen minus 52,1 Punkten.
Baugenehmigungen brechen ein
Vor wenigen Tagen hatte bereits das Statistische Bundesamt vermeldet, dass die Zahl der Baugenehmigungen für Wohnungen im ersten Halbjahr in Deutschland um 27,2 Prozent verglichen mit dem Vorjahr eingebrochen sei.
Die Bauwirtschaft hält deshalb massive Förderprogramme und Steuererleichterungen für unerlässlich, um die Krise in den Griff zu bekommen. "Die Luft wird immer dünner", hatte Hauptgeschäftsführer Felix Pakleppa vom Zentralverband Deutsches Baugewerbe (ZDB) gesagt. "Anscheinend ist die Brisanz dieser Abwärtsspirale noch nicht bei allen angekommen."
Ministerin kündigt Maßnahmen an
Bauministerin Klara Geywitz bekräftigte am Sonntag, dass sie im September ein Hilfspaket für die kriselnde Baubranche vorstellen werde. "Wichtig ist, dass wir in so einer Situation einen Impuls setzen", sagte die SPD-Politikerin. Die Baubranche brauche einen Nachfrageimpuls, weil Kreditfinanzierungen deutlich teurer geworden seien.
Im Rahmen des sogenannten Wachstumschancengesetzes von Finanzminister Christian Lindner (FDP) werde es laut Geywitz Hilfen geben. In der jetzigen Anpassungsphase mit höheren Zinsen wäre es das Schlimmste, Baukapazitäten abzubauen.