Trotz drohender Rezession Mehr Beschäftigte und weniger Kurzarbeit
Der Industrie waren zu Beginn der zweiten Jahreshälfte die Aufträge so stark weggebrochen wie seit mehr als drei Jahren nicht mehr. Trotzdem stieg nun die Zahl der Beschäftigten - und die Kurzarbeit ging zurück.
Trotz schwacher Auftragslage und hoher Energiekosten ist die Zahl der Beschäftigten in der deutschen Industrie gestiegen. Ende Juli waren in den Betrieben des Verarbeitenden Gewerbes knapp 5,6 Millionen Personen tätig - das sind rund 66.400 oder 1,2 Prozent mehr als ein Jahr zuvor, wie das Statistische Bundesamt mitteilte. Auch im Vergleich zum Vormonat gab es einen Anstieg von 2.800 oder 0,1 Prozent.
Darüber hinaus hat die anhaltende Konjunkturflaute offenbar auch kaum Auswirkungen auf die Kurzarbeit in Deutschland. Die Zahl der Kurzarbeitenden lag im August bei 110.000 Menschen, nach 150.000 im Mai, wie das Münchner ifo-Institut zu seinen Berechnungen auf Basis der eigenen Unternehmensumfrage und Daten der Bundesagentur für Arbeit berichtete. Der Anteil an den Beschäftigten sank damit von 0,4 auf 0,3 Prozent.
"Schwache Konjunktur wirkt sich bislang kaum aus"
Europas größte Volkswirtschaft ist drei Quartale in Folge nicht mehr gewachsen und wird einigen Ökonomen zufolge in der zweiten Jahreshälfte in eine Rezession abgleiten. Das Neugeschäft im Verarbeitenden Gewerbe schrumpfte im Juli um 11,7 Prozent zum Vormonat. Einen kräftigeren Rückgang gab es zuletzt zu Beginn der Corona-Krise im April 2020. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) senkte jüngst seine Konjunkturprognose.
Steigende Zinsen, hohe Energiepreise und die schwache Weltkonjunktur dämpfen derzeit die Nachfrage nach Waren "Made in Germany". "Die schwache Konjunktur wirkt sich bislang kaum aus", sagte ifo-Arbeitsmarktforscher Sebastian Link mit Blick auf die Kurzarbeit. "Eine Rolle mag dabei spielen, dass die erleichterten Voraussetzungen für den Bezug von Kurzarbeitergeld Ende Juni ausgelaufen sind."
Etwa auf dem Bau spiele die Teilzeit-Arbeitslosigkeit trotz der extrem schlechten Stimmung bislang keine Rolle, so Link. Dort lag die Zahl der Kurzarbeitenden im August mit 7.000 sogar leicht unter dem im Mai ermittelten Wert von 8.000, obwohl der Bau besonders die gestiegenen Finanzierungs- und Materialkosten zu spüren bekommt. Im Handel waren es 3.000 nach 6.200, bei allen Dienstleistern zusammen nur noch 11.000 nach 18.000 Kurzarbeitenden.
Unterschiede in den Sektoren der Industrie
Etwa 80 Prozent der Kurzarbeitenden, die Geld in Höhe des Arbeitslosengeldes für die ausfallenden Stunden bekommen, entfällt den Angaben zufolge auf die exportabhängige Industrie. Aber auch dort ging die Zahl zurück, und zwar von 118.000 auf 89.000. Das sind 1,3 Prozent nach 1,7 Prozent der Beschäftigten in diesem Wirtschaftsbereich. Nicht in allen Branchen der Industrie ist allerdings ein Rückgang zu verzeichnen: In der Metallerzeugung und -bearbeitung (11.000 nach 7.400) sowie im Maschinenbau (20.000 nach 13.000) stieg die Anzahl der Kurzarbeitenden.
Auch bei der Beschäftigungsentwicklung generell ist die Tendenz den einzelnen Branchen der Industrie unterschiedlich. Bei den Herstellern von Datenverarbeitungsgeräten, elektronischen und optischen Erzeugnissen gab es mit 5,6 Prozent den größten Zuwachs an Mitarbeitenden im Vergleich zum Juli 2022. Überdurchschnittlich waren die Zuwächse auch bei den Produzenten von elektrischen Ausrüstungen (Plus 2,2 Prozent) und im Maschinenbau (Plus 1,5 Prozent).
In der Nahrungsmittel- und der Automobilindustrie gab es hingegen ein unterdurchschnittliches Plus von jeweils 1,0 Prozent, ebenso in der Herstellung von Metallerzeugnissen sowie in der Metallerzeugung und -bearbeitung (jeweils Plus 0,6 Prozent). Demgegenüber sank die Zahl der Beschäftigten in der Gummi- und Kunststoffindustrie um 1,0 Prozent und in der Chemischen Industrie um 1,2 Prozent.