Einhaltung der Schuldenbremse Deutsche Haushaltskrise birgt Rezessionsgefahr
Noch sind nicht alle Folgen der aktuellen Haushaltskrise klar. Sicher ist: Einige staatliche Investitionen dürften auf Eis gelegt werden. Beobachter befürchten fatale Auswirkungen auf die Konjunktur.
Die Haushaltskrise in Deutschland droht dem Industriestaatenklub OECD zufolge die Konjunktur in Europa zu belasten. "Wenn in Deutschland in den nächsten Jahren weniger Investitionen und Ausgaben getätigt werden, weil weniger Geld zur Verfügung steht, dann wird das zwangsläufig Auswirkungen auf die EU-Wirtschaft haben", sagte der Leiter des Deutschland-Desk der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), Robert Grundke, der Nachrichtenagentur Reuters. Europas größte Volkswirtschaft werde dann weniger Vorleistungen und auch weniger finale Güter und Dienstleistungen aus der EU importieren.
OECD für Reform der Schuldenbremse
Das Bundesverfassungsgericht hatte vergangene Woche unter Verweis auf die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse entschieden, dass die ursprünglich als Corona-Kredit bewilligten 60 Milliarden Euro im Haushalt 2021 nicht nachträglich umgewidmet werden dürfen für Investitionen in Klimaschutz und die Modernisierung der Wirtschaft.
Die OECD spricht sich für eine Reform der Schuldenbremse aus. "Die aktuelle Haushaltskrise kann auch eine große Chance sein, strukturelle Reformen anzugehen, die schon seit längerem darauf warten, adressiert zu werden", sagte Grundke. Deutschland stehe vor großen Herausforderungen - von der Alterung der Gesellschaft über Digitalisierung bis hin zum Umbau der Wirtschaft zu mehr Klimafreundlichkeit.
Investitionen als Konjunkturmotor
Staatliche Investitionen gelten als Wirtschaftstreiber. Einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung aus dem Jahr 2020 zufolge haben öffentliche Investitionen einen unmittelbaren Effekt auf private Investitionen. So führe jeder Euro öffentlicher Investitionen zu durchschnittlich 1,50 Euro an privaten Investitionen.
Der Anteil staatlicher Investitionen an der gesamten Wirtschaft ist vergleichsweise gering. So lagen im vergangenen Jahr zwölf Prozent aller Bautätigkeiten in öffentlicher Hand. Bei den Ausrüstungsinvestitionen ist der Staatsanteil mit neun Prozent noch geringer ausgefallen. Als Ausrüstungsinvestitionen bezeichnet man die Anschaffung unter anderem von Maschinen, Geräten oder Fahrzeugen.
Legt man den Anteil an den gesamten Investitionen eines Landes zugrunde, dann liegt Deutschland mit seinen öffentlichen Investitionen deutlich unter dem OECD-Schnitt und belegt auch EU-weit nur das Mittelfeld. Für die OECD ist das zu wenig. Bereits vor der Pandemie habe Deutschland zu wenig in seine Verkehrs- und Digitalinfrastruktur investiert, heißt es. Dazu seien neben strukturellen Reformen wie schnelleren Genehmigungsverfahren "auch hohe öffentliche Investitionen und fiskalische Anreize für private Investitionen nötig, welche finanziert werden müssen".
Sorgen bei Unternehmen
In Deutschland zeigen sich Unternehmen höchst verunsichert. Die Stahlindustrie warnt bereits vor dem Scheitern milliardenschwerer Projekte für den Umbau hin zu einer "grünen" Produktion. Die Politik müsse jetzt rasch Antworten finden, wie die Transformation der Industrie verlässlich finanziert werden könne, forderte der Präsident der Wirtschaftsvereinigung Stahl, Bernhard Osburg: "Die Zeit drängt." Die Industrie müsse jetzt Entscheidungen über Investitionen treffen - entweder für eine "grüne Transformation" oder nicht.
Auch wenn derzeit viele öffentliche Projekte zur Diskussion stehen, sind Investitionen der öffentlichen Hand in der Bevölkerung akzeptiert. Einer Umfrage der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung von August 2022 zufolge fordern gut zwei Drittel aller Deutschen höhere staatliche Investitionen. Am geringsten sei die Zufriedenheit in den Bereichen Bildung, Gesundheit und Umweltschutz, heißt es.
Konjunkturell stehen die Ampeln derzeit auf "Rot". "Die Anzeichen für eine Rezession im Euroraum verdichten sich", warnt Christoph Weil, Ökonom bei der Commerzbank. Drohende Streichungen bei öffentlichen Investitionen machten die Lage nicht besser.