Bankenmarkt Ein Girokonto bei Apple, Amazon oder Google
Viele Deutsche können sich vorstellen, ein Girokonto bei einem Digitalkonzern zu eröffnen - vor allem Kunden bis Mitte 20. Lösen Google, Apple & Co. bald die Geschäftsbanken ab?
In den USA ist der Digitalkonzern Apple jüngst mit einem eigenen Sparkonto vorgeprescht - mit Zinsen von mehr als 4,1 Prozent. Eine Revolution des Bankenmarktes? Noch böten die großen Techkonzerne kein eigenes Girokonto an, sagt Timo Halbe vom Onlineportal Finanztip, zumindest nicht in Deutschland. Doch immer mehr Deutsche können sich genau das offenbar vorstellen.
Bankgeschäfte immer digitaler
Auf dem Weg zur Arbeit im Bus mal eben checken, ob das Gehalt schon da ist, oder aus dem Auslandsurlaub schnell Geld überweisen: Bank- und Finanzgeschäfte werden immer öfter digital erledigt. Wer das Internet nutzt, nutzt meist auch Online-Banking - zu 90 Prozent, sagt der Branchenverband Bitkom, der die Informations- und Telekommunikationsbranche hierzulande vertritt.
Da liegt der nächste Schritt nicht fern, so scheint es: Mehr als 41 Prozent der Deutschen könnten sich inzwischen vorstellen, ein Girokonto bei einem Digitalunternehmen wie Apple, Google oder Amazon zu eröffnen und nicht mehr bei einer Bank, sagt Bitkom. Bei den 16- bis 29-Jährigen sind es sogar 55 Prozent.
"Mobile first"
Der Anfang vom Ende etablierter Banken? Kundinnen und Kunden würden die digitale Qualität ihrer Bank inzwischen an den digitalen Angeboten messen, die sie aus dem Alltag kennen, so Bitkom: Online-Shopping etwa oder Video-Streaming-Dienste.
"Wenn ich heute als junger Teenager aufwachse, dann habe ich mit ziemlich großer Wahrscheinlichkeit mein erstes Konto gar nicht mehr bei einer Sparkasse oder Bank oder ähnlichem. Sondern mein erstes Konto ist vielleicht im Google Play Store oder bei Apple", sagt Kevin Hackl, bei Bitkom zuständig für Digital Banking & Financial Services.
Längst üblich ist da das Girokonto auf dem Smartphone, in der App - auch für Erwachsene. Es ist inzwischen genauso wichtig für Geldgeschäfte wie der Laptop: Auch das hat Bitkom in seiner Befragung festgestellt. "Mobile first" sei immer wichtiger geworden in der Branche, sagt Hackl.
"Schnell, bequem und größtenteils kostenlos"
Und längst braucht man für die Banking-App auf dem Smartphone keine klassische Bank oder Online-Direktbank mehr. Der Markt von sogenannten Neo- oder Smartphone-Banken, junger Unternehmen, die Finanzen und Digitaltechnologie zusammenbringen, sei inzwischen sehr groß und sehr umkämpft, sagt Finanztip-Experte Halbe.
Vivid Money aus Berlin ist eine solche "Smartphone-Bank". 2020 gegründet hat das Unternehmen laut Selbstauskunft inzwischen mehr als 500.000 Kunden in Deutschland, Frankreich, Spanien und Italien. Die App bietet neben einem Girokonto mit mehr als einem Dutzend Unterkonten außerdem etwa Investitionen in Aktien oder Kryptowährungen und Kreditangebote. "Vivid-Kundinnen und -Kunden", wirbt Unternehmenschef Adrain Smiatek, "managen ihre Finanzen schnell, bequem und größtenteils kostenlos."
Wie steht es um die Sicherheit?
Die meisten der neuen Banken hätten keine eigene Banklizenz, sagt Finanztip-Experte Halbe. Sie kooperierten mit einer etablierten Bank. So mache es auch Apple mit seinem Sparkonto in den USA: Der Digitalkonzern arbeite mit der alteingesessenen Bank Goldman Sachs zusammen.
Auch Vivid Money aus Berlin ist 2020 mit der lizensierten Berliner Solaris Bank gestartet. Daher, so das Fintech, seien die Einlagen der Kunden durch das "Deutsche Einlagensicherungssystem" bis zu 100.000 Euro abgesichert. Genau darauf sollten Kundinnen und Kunden achten, wenn sie sich entschieden, ihr Girokonto bei einer "Smartphone-Bank" oder Neobank zu eröffnen, empfiehlt das Onlineportal Finanztip: darauf, dass eine eigene Banklizenz oder die einer Partnerbank vorliege und die gesetzliche Einlagensicherung greife.
Symbiose statt Revolution
Die etablierten Banken sind also noch lange nicht am Ende. Und auch sie bauen ihre Digitalangebote weiter aus. "Die Sparkassen-App wird regelmäßig ausgezeichnet; hier brauchen wir uns vor niemandem zu verstecken", sagt etwa Robert Heiduck von der Mittelbrandenburgischen Sparkasse.
Im Wettbewerb um Kundinnen und Kunden setzen die traditionellen Banken außerdem auf etwas, das sie für ihr Alleinstellungsmerkmal halten: Vertrauen. "Echte Kundenbindung entsteht über Vertrauen, regionale Verankerung und über die Kompetenz, den Kundinnen und Kunden bei der Bewältigung ihrer finanziellen Angelegenheiten zu helfen", so Heiduck von der Mittelbrandenburgischen Sparkasse.
Die klassische Filialbank wird zunehmend unter Druck geraten, schätzt Finanzexperte Hackl von Bitkom. Doch bei aller Digitalisierung werde es immer starke Player brauchen, die die Bankenservices im Hintergrund ausführen. Und da seien die etablierten Banken gut positioniert. Experte Halbe vom Onlineportal Finanztip vermutet: "Bankkundinnen und -kunden schätzen eher die Evolution als eine Revolution." Fintechs und Digitalkonzerne werden die etablierten Banken wohl eher ergänzen als ablösen, so die Einschätzung.