US-Arbeitsmarkt in der Krise Der Neid auf die deutsche Kurzarbeit
In den USA hat sich durch Krise und Rezession die Arbeitslosenzahl glatt verdoppelt - in Deutschland blieib ein massiver Anstieg bislang aus. Ein maßgeblicher Grund dafür ist die Kurzarbeit. Und so steigt in den USA das Interesse an der deutschen Maßnahme.
Von Anna Engelke, NDR-Hörfunkstudio Washington
Jon Messenger gehört zu denen, die das für US-Amerikaner schwer auszusprechende deutsche Wort "Kurzarbeit" inzwischen einigermaßen verständlich über die Lippen bringen. Im vergangenen Monat geriet er bei einer Veranstaltung der Sozialorganisation AARP über den Erfolg der deutschen Kurzarbeit sogar regelrecht ins Schwärmen: "Als die USA zur Hochzeit der Rezession 600.000 bis 700.000 Jobs im Monat verloren haben, ist in Deutschland die Kurzarbeit durchgestartet", erzählte Messenger. Er war früher beim US-Arbeitsministerium und ist heute für die Internationale Arbeitsorganisation in Genf tätig. Die Kurzarbeit habe die deutsche Wirtschaft gewaltig stabilisiert, berichtete der Experte seinem staunenden Publikum.
Kaum bekannt und wenig genutzt
"Es ist eine fantastische Geschichte", meint auch Dean Baker, der Co-Direktor des Zentrums für ökonomische und politische Forschung in Washington. Baker findet es bedauerlich, dass sein Land in der Krise nicht ebenfalls stärker auf Kurzarbeit setzt. Denn die USA kennen dieses Instrument auch - schon seit Ende der 70er Jahre. Aber es fristet ein Mauerblümchen-Dasein: "Es ist kaum bekannt. Diese Programme gibt es in 17 Staaten, sogar in den größten wie Kalifornien. Aber selbst Arbeitgeber kennen Kurzarbeit kaum. Deswegen wird es nur wenig genutzt."
Gerade mal 350.000 Amerikaner sind auf Kurzarbeit. Zum Vergleich: Im viel kleineren Deutschland waren es im vergangenen Jahr im Schnitt 1,1 Millionen Arbeitnehmer. Das Ergebnis: Im vergangenen Jahr haben 200.000 Deutsche ihren Job verloren, aber acht Millionen Amerikaner. Es gibt einige Experten in den USA, die mit einem gewissen Neid auf Deutschland schauen. Auf ein Land, das üblicherweise in puncto Arbeitsmarkt nicht zu den amerikanischen Vorbildern zählt. Nicht nur Dean Baker ist bekennender Kurzarbeit-Freund, der amerikanische Nobelpreisträger Paul Krugman - ein weltweit angesehener Ökonom - gehört inzwischen ebenfalls zum Fan-Club.
Kritiker befürchten Wettbewerbsverzerrung
Es gibt allerdings auch Kritiker wie den Wirtschaftsprofessor Steven Davis von der Uni in Chicago. "Kurzarbeit kann leicht die Entwicklung von effizienteren Arbeitsplätzen verlangsamen", sagt er. Davis befürchtet, dass durch Kurzarbeit künstlich Jobs erhalten bleiben, die eigentlich nicht mehr wettbewerbsfähig sind.
"Einen Job zu haben ist das wichtigste in den USA"
In Anbetracht der hohen Zahl von über 15 Millionen Amerikanern ohne Stelle sollte sich die Obama-Regierung für weniger Arbeitslose entscheiden, also auf Kurzarbeit setzen, so Befürworter Dean Baker. "Einen Job zu haben ist das Wichtigste in den USA. Wir haben kein gutes Sozialsystem - vom Arbeitslosengeld mal abgesehen." Ein Arbeitslosengeld, das aber auch nur für eine gewisse Zeit gewährt wird. Volkswirt Baker ist überzeugt: Menschen mit einem staatlichen Zuschuss in ihren Jobs zu halten ist besser und billiger als ihnen, wenn sie erst einmal ihre Stelle verloren haben, volle Arbeitslosenunterstützung zu zahlen.