Mitarbeiterkapitalbeteiligungsgesetz Beteiligung mit Risiken und Nebenwirkungen

Stand: 23.01.2009 09:16 Uhr

Ein Gesetz, das klingt wie ein Bandwurmsatz: Mitarbeiterkapitalbeteiligungsgesetz. Doch was verbirgt sich dahinter? Ist das neue Gesetz womöglich sogar ein Lösungsweg aus der wirtschaftlichen Krise? tagesschau.de beantwortet die wichtigsten Fragen.

Viel diskutiert und heftig umstritten: das Gesetz der Bundesregierung zum Mitarbeiterkapitalbeteiligungsgesetz. Doch was verbirgt sich dahinter? Ist es womöglich sogar ein Lösungsweg aus der wirtschaftlichen Krise? tagesschau.de beantwortet die wichtigsten Fragen. 

Seit wann wird das Thema Mitarbeiterbeteiligung diskutiert?

Den Anstoß zu einer erneuten Diskussion um mehr Mitarbeiterbeteiligung gab Bundespräsident Horst Köhler. In einem Interview hatte Köhler Ende 2005 eine Gewinnbeteiligung für Mitarbeiter empfohlen, um so Möglichkeiten für niedrigere Grundlöhne zu schaffen. Der Vorschlag war damals von den Arbeitgebern begrüßt worden, die Gewerkschaften lehnten ihn ab. Knapp drei Jahre später mündete der jahrelange Diskussionsprozess in einem Gesetzentwurf der Bundesregierung, der jetzt im Bundestag abschließend verabschiedet werden soll. Mit dem von der Großen Koalition gefunden Kompromiss haben sich - trotz zum Teil massiver Detailkritik - scheinbar auch die einstigen Kritiker arrangiert.

Was will das neue Gesetz?

In den letzten Jahren ist die Kluft zwischen Firmengewinnen und Arbeitnehmerlöhnen immer größer geworden. Das lässt sich statistisch belegen und ist deswegen unumstritten. Die Chance einer verstärkten Mitarbeiterbeteiligung soll diesem Auseinanderdriften entgegenwirken. Sind die Mitarbeiter auch finanziell an ihrem Unternehmen beteiligt,  steigt auch deren Leistungsbereitschaft und Verantwortungsbewusstsein - das hofft zumindest die Bundesregierung. Zudem profitieren sie stärker als bisher vom wirtschaftlichen Erfolg ihres Unternehmens. Als im August 2008 Bundesarbeitsminister Olaf Scholz (SPD) zusammen mit Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) die Eckpunkte des neuen Gesetzes zur Mitarbeiterkapitalbeteilligung vorstellte, sprach er deshalb auch von einem "Startschuss für mehr Gerechtigkeit".

Wie funktioniert die Mitarbeiterbeteiligung?

Dass Mitarbeiter an ihrem Unternehmen beteiligt sind, ist nichts Neues. Auch bislang können Firmen ihre Angestellten etwa mit Unternehmensanteilen belohnen oder mit Prämien, die für eine bestimmte Zeit in die Firma investiert und verzinst werden. Am häufigsten wird das in Form von Belegschaftsaktien getan. Die Mitarbeiter übernehmen dabei Stammaktien oder stimmrechtslose Vorzugsaktien des Unternehmens, in dem sie beschäftigt sind. Die Angestellten sind dann direkt am Erfolg oder Misserfolg beteiligt. Es gibt aber auch noch andere Möglichkeiten, die Angestellten am Erfolg einer Firma zu beteiligen. Etwa in Form von Mitarbeiterguthaben, stillen Beteiligungen oder Genussrechten.

Darüber hinaus wird die Mitarbeiterbeteiligung auch staatlich gefördert. Bislang konnten Unternehmen ihren Mitarbeitern Unternehmensanteile im Wert von 135 Euro steuer- und abgabenfrei zukommen lassen. Bei vermögenswirksamen Leistungen, die in Mitarbeiterbeteiligungen angelegt wurden, gab es eine staatliche Förderung von 18 Prozent. Allerdings nur bis zu einer Einkommensgrenze von 17.900 Euro für Ledige und 35.800 für Verheiratete.

Wie verbreitet sind Mitarbeiterbeteiligungen?

Derzeit bieten in Deutschland nur wenige Unternehmen ihren Mitarbeitern die Möglichkeit der Kapitalbeteiligung an. Nach einer Untersuchung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit (IAB) hatten im Jahr 2005 nur zwei Prozent der deutschen Betriebe ein System der Kapitalbeteiligung. Dabei nutzen größere Betriebe die Kapitalbeteiligung deutlich häufiger als kleine.

Was ist neu am nun beschlossenen Gesetzentwurf?

Zum einen soll es künftig mehr staatliche Förderung geben. Doch die Erhöhung liest sich vergleichsweise bescheiden. So soll der Erwerb von Kapitalanteilen am eigenen Betrieb bis 360 Euro steuerfrei bleiben, der Fördersatz für vermögenswirksame Leistungen, die in Beteiligungen angelegt werden, um zwei Prozent auf dann 20 Prozent steigen. Die Einkommensgrenzen werden für Ledige auf 20.000 Euro und für Verheiratete auf 40.000 Euro erhöht.

Wirklich neu hingegen ist die Einführung von sogenannten Mitarbeiterbeteiligungs-Fonds. Neben der direkten Beteiligung am eigenen Unternehmen, sollen künftig auch Geldanlagen in diesen speziellen Fonds förderwürdig sein. Konkret heißt das: Mitarbeiter können sich an branchenspezifischen Fonds direkt beteiligen, also Anteile erwerben. Die Fonds sind dann verpflichtet, spätestens nach drei Jahren 60 Prozent ihres Vermögens in Unternehmen zu investieren, von deren Mitarbeitern das Geld kommt.

Was ist umstritten?

Gerade die Einrichtung der Mitarbeiter-Beteiligungsfonds ist unter Fachleuten umstritten. Er bezweifle, dass nach Inkrafttreten des Gesetzes überhaupt Mitarbeiterbeteiligungs-Fonds aufgelegt werden, sagte ein Mitarbeiter der Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeber (BDA) im Gespräch mit tagesschau.de. Die wirtschaftlichen Anreize seien sowohl für die Unternehmen, als auch für die Fondsmanager, die das Geld nach professionellen Gesichtspunkten verwalten sollen, "absolut uninteressant". Volkmar Hanf, von der Gesellschaft für innerbetriebliche Zusammenarbeit (GIZ), befürchtet einen weiteren negativen Effekt: "Das eigentliche Ziel der Mitarbeiterbeteiligung ist doch die Mitarbeiterbindung. Durch anonyme Fonds wird genau das nicht erreicht", sagte er tagesschau.de. Grundsätzlich ist für Hanf das neue Mitarbeiterkapitalgesetz aber ein Schritt in die richtige Richtung. Zwar sei die steuerliche Förderung nach wie vor viel zu gering, aber das sei nicht das Entscheidende. "Wichtig ist, dass durch dieses Gesetzesvorhaben das Thema Mitarbeiterbeteiligung auf die Tagesordnung kommt. Dafür nehmen wir auch den ein oder anderen handwerklichen Fehler in Kauf", sagte Hanf.   

Wann tritt das neue Gesetz in Kraft?

Nimmt der Gesetzentwurf im Bundesrat die letzten parlamentarischen Hürden, wovon Experten ausgehen, tritt das Mitarbeiterkapitalbeteiligungsgesetz am 1. April 2009 in Kraft.  

Welche Risiken tragen die Mitarbeiter?

Beteiligen sich Mitarbeiter an ihrem Unternehmen, sind sie gegen finanzielle Risiken nicht gefeit. Erfahrungen zeigen jedoch, dass dafür die Gefahr sinkt, den eigenen Arbeitsplatz zu verlieren. Trotzdem: ein finanzielles Risiko bleibt. In ihrem Gesetzentwurf weist die Bundesregierung ausdrücklich darauf hin, "dass es aufgrund der Anlagepolitik des Sondervermögens zu einer Risikokonzentration kommen und sich dadurch das Verlustrisiko erhöhen kann". Für den Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft Partnerschaft in der Wirtschaft (AGP), Heinrich Beyer, ist das jedoch kein Problem. Kapitalbeteiligungen seien immer auch mit Risiken verbunden, die man nicht versichern könne. Das sei auch Ausdruck des Mitunternehmertums der Beschäftigten.

Welchen Einfluss hat die wirtschaftlichen Krise?

Auf dem Papier scheinen Mitarbeiterbeteiligungen in Zeiten der Finanzkrise besonders attraktiv zu sein.  Der Grund: Firmen kommen in Krisenzeiten schwieriger an Kredite, können durch Beteiligung ihr Eigenkapital stärken und damit ihre Bonität erhöhen. "Kapitalbeschaffung darf aber nicht die alleinige Motivation für eine stärke Mitarbeiterbeteiligung sein", warnt Volkmar Hanf von der GIZ. Das ende meistens im Chaos. Gehe es um eine schnelle Geldbeschaffung seien Bankkredite sicher immer noch die bessere Alternative. 

Zusammengestellt von Niels Nagel, tagesschau.de.