Bekleidungsindustrie Zwischen Luxus und Wegwerfmode
Kriegsfolgen, hohe Inflation und gestörte Lieferketten stellen die Modeindustrie weiterhin vor Probleme. Experten erwarten einen globalen Abschwung der Branche. Das gilt allerdings nicht für alle Teile des Geschäfts.
Vor den Luxus-Boutiquen in der Frankfurter Goethestraße bilden sich seit neuestem wieder lange Schlangen. Eine Reihe asiatisch aussehender Kundinnen wartet auf Einlass in das Geschäft von Louis Vuitton, dem französischen Luxus-Modemacher, bei dem ein Schlafanzugoberteil mit bunten Punkten schon mal 1750 Euro kosten darf.
Ein Modell der Damenhandtasche mit den kunstvoll gestalteten Anfangsbuchstaben des Firmengründers LV ist im günstigsten Fall ab 1500 Euro zu haben - und noch weit darüber hinaus. Das schreckt eine junge Frau aus China nicht ab. Die Preise seien niedriger als in ihrer chinesischen Heimat, sagt sie: "Ich will hier nur ein paar Taschen kaufen. Es ist hier billiger als in China."
"Luxus läuft immer"
Wie kommt es, dass Menschen trotz Inflation, gestiegener Preise und unsicherer Wirtschaftssausichten bereit sind, mehrere Tausend Euro für eine Handtasche auszugeben? "In der Preispyramide hat man in den beiden Extremen immer die meiste Dynamik", sagt der Branchenkenner Stefan Wenzel. "Luxus läuft eigentlich immer, weil die Kunden von Krisen weniger gebeutelt sind. Und die untere Preislage läuft auch immer und in der Krise noch mehr."
Das ist auch ein Ergebnis der Analyse "The State of Fashion 2023" des Beratungsunternehmens McKinsey und des Brancheninformationsdienstes "Business of Fashion". Die steigende Inflation führe zu einem zurückhaltenden Kaufverhalten bei Konsumenten, heißt dort. Fast drei Viertel der US-Verbraucher haben sich demnach zwischen April und Juli vergangenen Jahres für preisgünstigere Marken oder Produkte entschieden.
"Real-Time-Fashion" als Trend
Das ruft neue Player auf den Markt: vor allem chinesische Unternehmen wie She-In oder Alibaba Express, die dem ohnehin strauchelnden mittleren Modesegment auf den Pelz rücken. "Die kommen auf den Markt und schaffen Produktionsvorläufe von wenigen Werktagen. Das nennt man dann Real-Time-Fashion, da wird auf Nachfragesignale in den sozialen Medien geachtet, und innerhalb von drei bis fünf Werktagen sind diese Produkte im Markt", sagt Wenzel. "Das ist die Disruption dessen, was wir bisher unter 'Fast Fashion' verstanden haben."
Mit Nachhaltigkeit hat das natürlich wenig zu tun. Doch gerade bei der "Generation Z", die sich für den Klimaschutz stark macht, finde diese schnelle Mode großen Anklang, sagt der Branchenexperte. Wenzel war zeitweise für die Digital-Strategie der Modemarke Tom Tailor verantwortlich. Mittlerweile berät er unter anderem Modeunternehmen bei der Ausrichtung im Bereich E-Commerce.
Auch wenn es nach dem Corona-Boom an der Börse für Online-Händler wie Zalando, About You oder Mr. Spex erstmal deutlich abwärts ging: Das Geschäft im Internet dürfte weiterwachsen. Davon geht auch der Deutsche Handelsverband in seiner Prognose für das laufende Jahr aus. Allerdings bleibt die Nachfrage nach Mode insgesamt aus Sicht von Wenzel weltweit sehr unterschiedlich.
Pessimismus in Europa
"Die Krise ist auch an der Mode nicht vorbeigekommen. Man muss auf die einzelnen Märkte schauen. Die beiden größten - USA und China - schauen auf ein relativ gutes Jahr 2023. In Europa sieht das anders aus, die Krise hat da andere Auswirkungen", sagt er. Hier blicke die Branche eher pessimistisch auf das Modejahr.
Laut der McKinsey-Analyse geht mehr als die Hälfte der Führungskräfte in Modeunternehmen von einer rückläufigen Entwicklung für Europa aus. Doch könnte das Luxussegment in diesem Jahr sogar Triebfeder der Branche werden: Hier sei in diesem Jahr sogar ein weltweiter Umsatz-Anstieg um bis zu zehn Prozent möglich, so die Prognose.