Fast-Fashion-Müllberge Afrikas Second-Hand-Alptraum
Hunderte Tonnen Second-Hand-Kleidung landen täglich allein in Ghana. Doch viel davon wandert in den Müll. Die Billigware ist längst zu einer Gefahr für Natur und Mensch geworden.
Am Strand, in den Straßenecken, an Ortsrändern: meterhoch aufgetürmte Berge an Klamotten. Oft steigt Rauch auf, die Altkleider brennen - es sind verzweifelte Versuche, die Tonnen alter Textilien loszuwerden. Anwohner klagen über den Gestank, Kopfschmerzen und andere Beschwerden. Über Second-Hand-Kleidung freuen sich in Ghana längst nicht mehr alle.
"Ich muss auf meine Finanzen achten"
Das Problem entsteht zum Beispiel auf dem Kantamanto-Markt in Ghanas Hauptstadt Accra, einem großen Umschlagplatz für Ware aus dem Westen. Hier versuchen Einheimische, Schnäppchen zu ergattern. Die Fast Fashion kommt aus Europa, Asien oder Nordamerika. Ein Shirt, eine Bluse oder Hose für etwa zwei Euro pro Stück: Dafür ist auch die 24-jährige Mary Addae auf den Markt gekommen.
Es sei hier viel erschwinglicher als in den Geschäften, sagt die junge Frau - und nicht nur für sie: "Viele Ladenbesitzer selbst, die Klamotten verkaufen, kommen hierhin, um die Auswahl für ihre Geschäfte zu kaufen." Deswegen komme sie selbst auch lieber früh morgens hierher, als in Geschäfte zu gehen. "Ich muss auf meine Finanzen achten und darauf, was ich mir leisten kann."
Gute Ware zu finden ist Glückssache
Täglich kommen auf dem Kantamanto-Markt in Accra tonnenweise Klamotten an. Mit schnellen Handgriffen schneiden Händler die riesigen verschnürten Pakete auf, sortieren die Kleiderhaufen nach Qualität. So wie Abraham Bonsu. Kiloweise und in bis zu 100 kg schweren, eng gepackten Plastikballen kaufe er seine Ware, erzählt der Händler.
Nicht immer habe er Glück. "Den Haufen, den wir hier ausgepackt haben - das ist alles Müll", erklärt Bonsu. "Das schmeißen wir weg oder wir legen es zur Seite und jemand holt es für umsonst ab oder wir verkaufen es an jemanden, der es ganz weit weg verkauft. Aber wenn du so dein Geld verlierst, kriegst du es nicht zurück."
Fast Fashion verschmutzt die Umwelt
Viele Händler wie Bonsu klagen, dass fast die Hälfte der Klamotten für den Weiterverkauf unbrauchbar seien und direkt auf dem Müll landeten. Das sei zum großen Umweltproblem in Ghana geworden, sagt Justice Lee Adoboe. Er ist Mitglied des Ghana Water and Sanitation Journalists Network (GWJN). Die Nichtregierungsorganisation versucht, auf das Problem aufmerksam zu machen. Adoboe sagt, die Billig-Second-Hand-Industrie mache nicht nur die heimische Textilindustrie kaputt.
Die Folgen für Natur und Mensch seien katastrophal. "Manche der Klamotten werden einfach in Flüssen entsorgt - und da liegt die Gefahr", sagt Adoboe. "Denn einige der Materialien enthalten Färbemittel und so weiter. Die Chemikalien gelangen in unsere Gewässer und werden dann von Menschen als vermeintlich sicheres Wasser getrunken." Andernorts verstopften die Tonnen an Klamotten Gewässer und sorgten somit sogar für Überschwemmungen.
Zu viel Abhängigkeit von Textil-Importen
Ghana ist kein Einzelfall - auch andere afrikanische Staaten haben ähnliche Probleme. Manche, wie das ostafrikanische Ruanda, haben deswegen schon vor Jahren ein Importverbot auf Second-Hand-Ware verhängt. Auch für Ghana sei das denkbar, sagt Justice Lee GWJN-Aktivist Adoboe. Allerdings fehle es dazu aktuell an politischem Willen. Auch weil vor einem Bann von Second-Hand-Kleidung erst einmal Alternativen geschaffen werden müssten - für Tausende Familien, die vom Kauf und Verkauf der Altkleider aus dem Ausland leben.