Mundart-Comics Schlümpfe können jetzt auch Hessisch
Asterix auf Berlinerisch, Donald Duck im Wiener Dialekt: Mundart-Comics sind im Trend. Die Bände sind oft so erfolgreich, dass es für die Verlage längst um mehr als ein Nischengeschäft geht.
"Kall, mei Droppe" - der erstaunte Ausruf von Papa Schlumpf ist angelehnt an die Firma Hesselbach (später Familie Hesselbach). Eine Kult-Fernsehserie aus den 1960er-Jahren, die der Hessische Rundfunk für die ARD produzierte. Für Übersetzer Sascha Ehlert aus Niedernhausen eine naheliegende Variante, um bei den Hessisch sprechenden Schlümpfen Verblüffung auszudrücken. "Man guckt immer, welche Redensart beim Übersetzen so passt. Und da kam mir dieses landläufig bekannte Zitat einfach in den Sinn", so Ehlert. Wo im hessischen Band eben "Kall, mei Droppe" (hochdeutsch: Karl, meine Tropfen) zu lesen ist, steht in der hochdeutschen Fassung übrigens nur ein dickes, fettes Ausrufezeichen in der Sprechblase.
Ehlert hat mit den Schlümpfen einen weiteren Klassiker der Comic-Literatur in Mundart übersetzt. Bisher waren solche Alben vor allem von Asterix bekannt. Beim Splitter-Verlag, der unter anderem von einem Hessen mitgegründet wurde, sieht man das Ganze durchaus als Experiment. "Bisher gibt es die Schlümpfe nur in Bretonisch und Wallonisch. Insofern sind nicht nur wir, sondern auch unsere belgischen Lizenzgeber vom Studio Peyo, sehr gespannt darauf, ob dieser Testballon erfolgreich sein kann", meint Verlagssprecher Max Schlegel.
Das Unternehmen geht mit einer recht bescheidenen Auflage von 2000 Exemplaren ins Rennen - gibt aber an, schnell nachdrucken zu können. Zum Vergleich: Alle bisher beim Splitter-Verlag erschienenen 60 Hochdeutsch-Alben der Schlümpfe haben nach Verlagsangaben eine verkaufte Auflage von 400.000 Exemplaren.
Asterix seit 1995 auch in Mundart-Ausgaben
Da bewegt sich das große Vorbild Asterix schon lange in einer ganz anderen Dimension. Die in Deutschland verkauften Hochdeutsch-Alben liegen längst im dreistelligen Millionenbereich. Und auch die Mundart-Versionen sind ein äußerst erfolgreiches Verkaufskonzept, das sich seit Jahren etabliert hat.
Der erste Mundart-Band mit dem kleinen Gallier wurde bereits 1995 veröffentlicht. Eine schwäbische Variante des Albums Der große Graben. "Die Idee dazu hatte ein Tübinger Student der Völkerkunde, Klaus Mühlsteffen, der im Sinn hatte, einem norddeutschen Kommilitonen seinen Heimatdialekt näher zu bringen", erklärt Wolf Stegmaier, Programmchef bei der Egmont Comic Collection. "Mit der Idee kam er zum Asterix-Verlag Egmont Ehapa, der damals noch in Stuttgart ansässig war. Man druckte zuerst eine kleine Auflage, aber das Projekt war so erfolgreich, dann sich davon innerhalb kürzester Zeit 150.000 Exemplare in neun Auflagen verkauften", so Stegmaier weiter.
Als Experiment gestartet
Mittlerweile sind Asterix-Alben in Deutschland in 31 Mundarten erschienen, 84 Bände gibt es bereits. Soeben wurde mit Schwabylon Berlin eine Version auf Berlinerisch auf den Markt gebracht. Vertreten sind auch Versionen in Alemannisch, Leipzigerisch, Sächsisch oder Badisch.
Das einst als Experiment gestartete Nebenprogramm ist mittlerweile ein weiteres Standbein des Verlags. Normalerweise werden die unterschiedlichen Ausgaben vor allem regional verkauft. Mit unterschiedlichem Erfolg. "Allein die Mainfränkisch-Bände haben sich mehr als 100.000 Mal verkauft", erklärt Stegmaier. "Die Ruhrdeutsch-Bände von Hennes Bender gingen schon über 65.000 Mal über die Ladentheke", so Wolf Stegmaier. Ausnahmen gebe es immer dann, wenn die Übersetzenden auch überregional bekannt sind wie etwa Dieter Hallervorden oder Hella von Sinnen.
Nicht alle Comics geeignet
Nicht alle Comic-Klassiker dürften sich allerdings für Mundart-Versionen eignen, meint Comic-Fachmann Jakob Hoffmann. "Es bietet sich immer an, eine Gemeinschaft zu nehmen, die gut lokalisierbar ist. Ein Dorf wie bei Asterix oder den Schlümpfen etwa, wo dann immer auch ein bestimmtes Figurenpersonal zusammen agiert. Häufig definiert sich eine Dorfgemeinschaft ja auch über den Dialekt. Donald Duck und Entenhausen dürfte da sicherlich auch gut funktionieren."
Unter den "Top Ten"
Das hat auch Egmont mittlerweile erkannt. Im Februar ist dort die vierte Mundart-Edition des Lustigen Taschenbuchs erschienen, in der traditionell Geschichten rund um Micky Maus und Donald Duck abgedruckt werden. Zu den ersten drei Bänden auf Münchnerisch, Berlinerisch und Wienerisch ist nun die Version auf Kölsch hinzugekommen.
"Wenn wir die komplette Warengruppe betrachten, dann schafften es im vierten Quartal 2020 zwei Mundart-Bände in die "Top Ten" der Verkaufszahlen", erläutert Markus Iking, Verkaufsleiter Comic und Manga bei Egmont.
Pläne für den Nachdruck
Beim Splitter-Verlag hofft man, dass sich von den Schlümpfen auf Hessisch innerhalb der ersten Monate drei Viertel der Auflage verkaufen lassen. "Dann wären wir mit dem Ergebnis zufrieden", so Verlagssprecher Schlegel. "Wir wünschen uns natürlich mehr, denn das würde es uns ermöglichen, mit mehr Nachdruck an den nächsten Mundart-Schlümpfen zu arbeiten."
Zudem wäre denkbar, auch den Schlümpfen andere Dialekte in die Sprechblasen zu schreiben. Weil ein Großteil der Verlagsmitarbeiter aus Nordrhein-Westfalen kommt, könnten die Bielefelder den Schlümpfen demnächst vielleicht auch eine Mundart aus diesem Bundesland in den Mund legen.
Auch Übersetzer Ehlert hat übrigens schon einige andere Schlümpfe-Alben im Kopf, die er gerne ins Hessische übertragen würde. Auch für seine Tochter, die ebenfalls großer Schlümpfe-Fan ist. "Der habe ich zuletzt aus den hochdeutschen Alben vorgelesen. Aber darauf meinte sie nur: die reden aber komisch."