EU-Sorgenkind Zweifel an Portugals Anti-Schulden-Plan
Den strikten Sparkurs Portugals will die neue linke Regierung von Premier Costa so nicht fortführen. Dabei muss das Land dringend seine Schulden in den Griff kriegen - warnt auch die EU-Kommission. Der neue Weg Portugals lässt ohnehin viele Fragen offen.
Beim Thema Portugal nimmt der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble kein Blatt vor den Mund. Vor dem Treffen der Euro-Finanzminister im Februar riet er dem überschuldeten Land, die Märkte nicht weiter zu beunruhigen, indem man die Vermutung schüre, man wolle von dem eingeschlagenen Weg zurückgehen: "Das wäre sehr gefährlich für Portugal."
Dieser eingeschlagene Weg ist der Sparkurs der alten konservativen Regierung, die Feiertage, Gehälter und Sozialleistungen kürzte. Mithilfe des Euro-Rettungsschirms schaffte sie es, Portugal vor der Zahlungsunfähigkeit zu bewahren und das Vertrauen der Investoren zurückzuerobern.
Neue Regierung, neuer Kurs
Doch die Portugiesen litten unter den Sparmaßnahmen. Seit dem Herbst ist eine neue linke Minderheitsregierung im Amt, die Sozialisten lassen sich von Kommunisten und dem sogenannten Linksblock tolerieren.
Der Soziologe und Wirtschaftsexperte dieses Linksblocks, Joao Teixeira Lopes, sagt, man wolle so die Austeritätspolitik rückgängig machen - auf umsichtige Art, wie er betont. "Wir wollen Ärmeren helfen, deswegen haben wir den Mindestlohn um 20 Euro angehoben. Das ist wenig", gibt er zu, "sorgt aber für eine polemische politische Debatte. Dabei ist das eine Politik, die ganz klassisch sozialdemokratisch ausgerichtet ist."
Sparen? Ja, aber nicht nur!
"Wir sind keine Radikalen", sagte Portugals Ministerpräsident António Costa kürzlich dem "Handelsblatt". Von den Strukturreformen auf dem Arbeitsmarkt, im Rentensystem oder im Gesundheitssystem wolle er nichts zurücknehmen. Gleichwohl hat er die zuvor gekürzten Beamtenlöhne wieder erhöht, die 35-Stunden-Woche im öffentlichen Dienst eingeführt und die Privatisierung der staatlichen Fluglinie TAP gestoppt. Das alles kostet Geld. Aber die Regierung ist der Überzeugung, dass die Wirtschaft wieder besser in Gang komme, wenn die Portugiesen mehr Geld in der Tasche hätten.
António Costa ist seit dem 25. November 2015 portugiesischer Premierminister.
"Die Austeritätspolitik war aus wirtschaftlicher Sicht dumm und aus sozialer Sicht unfair", meint Wirtschaftsexperte Lopes. Zwar sei das Staatsdefizit etwas niedriger gewesen, aber der soziale Preis auf lange Sicht sehr hoch. "Viele gut ausgebildete wandern ab, über 20.000 Menschen pro Jahr! All diese Menschen gehen unserer Wirtschaft verloren, eine verlorene Generation."
Haushaltsausgleich ohne Kürzungen - wie dann?
Doch nicht nur in Brüssel befürchten Experten, dass sich Portugal diese Politik nicht leisten kann. Das Wachstum in dem Land ist nach wie vor schwach, das wirtschaftliche Umfeld schwierig. Die Exporte sind um 2,5 Prozent zurückgegangen.
Aurora Teixeira, Wirtschaftsprofessorin an der Universität Porto, fragt sich, wie die Regierung ihre Reformen bezahlen wolle - etwa die 35-Stunden-Woche. "Ich glaube, die Regierung weiß es auch nicht. Und dazu kommen noch die Gehälter im öffentlichen Dienst." Man wisse, dass die Haushaltslage Einschnitte nötig mache, sagt sie. "Wie sollen wir einen ausgeglichenen Haushalt ohne Einschnitte erreichen? Wir wissen es nicht."
Druck von der EU-Kommission
Teixeira befürchtet, dass die Haushaltsplanung der Regierung zu optimistisch ist und dass das Land noch mehr Schulden machen wird. Portugal hat in diesem Jahr bereits Ärger aus Brüssel bekommen, weil die EU-Schuldengrenze nicht eingehalten wurde, wie auch in Spanien.
Auf Strafen verzichtete die EU-Kommission zunächst, aber sie verlangte, dass sich Portugal im kommenden Jahr an die Verschuldungsgrenze halte. Wie Portugal das anstellen will, hat die Regierung bisher noch nicht verraten.