Barnier legt Reformpläne vor EU will Ratingagenturen strenger kontrollieren
Ratingagenturen bewerten die Kreditwürdigkeit von Unternehmen und Staaten. Stufen sie ein Land - wie etwa in Griechenland geschehen - herab, kann das dramatische Folgen haben. EU-Kommissar Barnier will die Agenturen deshalb stärker kontrollieren.
Von Martin Bohne, MDR-Hörfunkkorrespondent Brüssel
Ein Gerücht genügte, um den Euro und die Aktienmärkte gestern auf Talfahrt zu schicken: Die Ratingagenturen planen angeblich, die Kreditwürdigkeit Frankreichs herabzustufen, hieß es da. Erst am Wochenende hatte die Agentur Fitch Spanien auf AA+ herabgestuft. Und das ausgerechnet nachdem die Regierung in Madrid ein strammes Sparprogramm durchs Parlament geboxt hatte. Und zuvor war die Griechenlandkrise erst so richtig außer Kontrolle geraten, als die Ratingagenturen griechische Staatsanleihen als Ramsch einstufte - trotz der europäischen Hilfszusagen.
Und so machen viele europäische Politiker Agenturen wie Moody's, Fitch und Standard & Poor's mitverantwortlich für die gegenwärtige Krise. Denn wenn die Agenturen den Daumen senken, dann hat das dramatische Folgen: die ohnehin verschuldeten Länder müssen immer höhere Zinsen zahlen, um noch an Kredite heranzukommen.
Ratingagenturen bewerten die Kreditwürdigkeit von Unternehmen, Banken und Staaten. Dabei fließen veröffentlichte Zahlen, Brancheneinschätzungen und Beurteilungen des Managements. Die einflussreichsten Ratingagenturen sind Standard & Poor's (S&P), Moody's und Fitch.
Je schlechter sie die Bonität eines Marktteilnehmers beurteilen, umso teurer und schwieriger wird es für diesen, sich Geld zu besorgen. Am Rating orientieren sich nicht nur Banken, sondern zum Beispiel auch institutionelle Investoren.
Für ihre Einstufungen verwenden die Agenturen Buchstabencodes. Die Skala beginnt beispielsweise bei Standard & Poor's und Fitch mit der Bestnote AAA. Es folgen AA, A, BBB, BB, B, CCC, CC, C. Die meisten Stufen können mit Plus- und Minuszeichen noch feiner unterteilt werden. Ab BB+ beginnt der spekulative Bereich, der auch "Ramsch" genannt wird. D bedeutet, dass ein Ausfall des Schuldners eingetreten ist.
Kritiker bemängeln, es bleibe oft unklar, welcher Anteil der Ratings Mathematik und welcher Meinung ist. In der Finanzkrise wurden Ratingagenturen kritisiert: Weil sie Ramschpapiere als sichere Geldanlage anpriesen, wurde ihnen eine Mitschuld an der Krise gegeben.
Macht für die EU-Aufsichtsbehörde...
Die logische Konsequenz daraus für den zuständigen EU-Kommissar Michel Barnier: diese Bewertungsagenturen müssen an die kurze Leine genommen werden. "Ich werde die Gesetze über die Ratingagenturen verändern und der Esma, der europäischen Behörde für die Wertpapieraufsicht, Kontrollrechte geben", so Barnier. Heute wird er seinen Plan nun vorstellen. Die Esma soll die Agenturen künftig beaufsichtigen und bei Regelverstößen auch mit Geldstrafen belegen können. Dafür soll die EU-Börsenaufsicht auch das Recht bekommen, im Verdachtsfall Ermittlungen aufzunehmen und Büros zu durchsuchen.
...Entmachtung der nationalen Behörden
Der sensible Punkt dabei: bisher sind die nationalen Aufsichtsbehörden zuständig, in Deutschland die Bafin. Die würden dann zugunsten der EU-Behörde entmachtet. Viele Regierungen sind davon nicht begeistert, auch die deutsche nicht. Werner Langen, Finanzexperte der CDU im Europaparlament steht dabei aber auf der Seite Barniers. "Solange wir uns abhängig machen von amerikanischen Vorschriften, von amerikanischen Privatunternehmen, von amerikanischen Bilanzierungsregelungen werden wir keine vernünftige Lösungen durchsetzen", so Langen. "Deshalb unterstütze ich den Schritt voll und ganz und ich halte ihn für überfällig."
"Ich finde, dass es da nicht genug Wettbewerb gibt"
Aufsicht ist das eine, für ebenso wichtig hält Barnier es aber, den Markt der Bewertungsagenturen aufzubrechen - ein Markt der von nur drei US-amerikanischen Unternehmen dominiert wird. "Ich finde, dass es da nicht genug Wettbewerb gibt", sagt Barnier. Eine Möglichkeit wäre, eine unabhängige europäische Ratingagentur ins Leben zu rufen. Barnier hat sich bereits dafür ausgesprochen, ebenso die Bundeskanzlerin und der französische Präsident.
Ein anderer Weg wäre, schon bestehende Bewertungs- und Ratingkapazitäten anzuerkennen und mehr zu nutzen. Das kann sich auch Werner Langen vorstellen. "Da könnte man in Deutschland zum Beispiel an die Institution der Wirtschaftsprüfer denken, die im öffentlichen Auftrag Beglaubigungen vornehmen können und damit Bestätigungen", sagt der CDU-Finanzexperte.
Oder - noch eine Möglichkeit - die Aufsichtsbehörden und die Notenbanken bauen ihre Analysekapazitäten in diesem Bereich aus.