Was leistet der ESM? Die europäische Brandmauer
Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum künftigen Euro-Rettungsfonds ESM soll der Mechanismus nun am 8. Oktober in Kraft gesetzt werden. Doch was bedeutet das konkret für die hilfsbedürftigen Länder - und welche Konsequenzen hat er für Deutschland als größten Einzahler?
Von Martin Bohne, MDR-Hörfunkstudio Brüssel
Bisher kann zur Brandbekämpfung in Euroland nur so eine Art freiwillige Feuerwehr ausrücken, die EFSF. Mit dem ESM - dem Europäischen Stabilitätsmechanismus - soll nun der Schritt zur Berufsfeuerwehr getan werden. Kein Provisorium mehr, sondern ein auf Dauer angelegter Rettungsfonds, der klammen Eurostaaten mit Krediten unter die Arme greift - vorausgesetzt, alle 17 Eurostaaten ratifizieren den ESM-Vertrag.
Und das heißt derzeit: Warten auf Deutschland. "Ich kann bestätigen", so der Sprecher der EU-Kommission, "dass Deutschland das einzige Land ist, das bisher den Vertrag noch nicht ratifizieren konnte".
ESM hat eigenes Geld
Der ESM verfügt über ein Stammkapital von 700 Milliarden Euro. Das meiste davon sind Kreditgarantien. Das heißt sie werden erst fällig, wenn ein Land die ausgereichten Kredite nicht zurückzahlen kann. Im Unterschied zu seinem Vorläufer verfügt der ESM aber auch über bar eingezahltes Kapital, und zwar 80 Milliarden Euro.
Und deshalb ist er, wie Bundesfinanzminister Schäuble erläutert, viel schlagkräftiger als der EFSF: "80 Milliarden Euro eingezahlt, das wird dann viel vertrauenswürdiger sein. Denn es überzeugt Finanzinvestoren nichts so sehr, wie wenn die Mitgliedsstaaten der Eurozone Kapital in einen solchen Stabilisierungsmechanismus eingezahlt haben.
Bis zu 500 Milliarden Euro Volumen...
Der ESM muss nämlich das Geld für die Hilfskredite zuvor selbst am Finanzmarkt aufnehmen, er begibt also Anleihen. Je attraktiver die sind, umso weniger Sicherheiten müssen die ESM-Mitgliedsstaaten drauf packen. Der ESM kommt so auf ein effektives Ausleihvolumen von 500 Milliarden Euro.
... davon 190 Milliarden aus Deutschland
Der deutsche Anteil am Stammkapital beläuft sich auf etwas mehr als 25 Prozent. Das sind 190 Milliarden Euro - und für mehr muss die Bundesrepublik auch nicht haften. Auch Nachzahlungsverpflichtungen sind im ESM-Vertrag ausdrücklich ausgeschlossen.
Der Bundestag muss mitentscheiden
Die Entscheidung, ob einem Euroland Hilfen gewährt werden, trifft der Gouverneursrat des ESM - und zwar einstimmig. Im Gouverneursrat sitzen die Finanzminister. Und der deutsche muss sich bei jeder wichtigen Entscheidung vorher grünes Licht vom Bundestag holen. Gegen den Willen der deutschen Parlamentarier läuft also nichts.
Und umsonst gibt es die ESM-Hilfen auch nicht: Das Land muss die Kredite nicht nur mit Zins und Zinseszins zurückzahlen. Es muss auch strenge Konsolidierungsauflagen erfüllen, was von der EU-Kommission, der EZB und dem Internationalen Währungsfonds - also der Troika - kontrolliert wird.
Schuldner gehen weitreichende Verpflichtungen ein
Voraussetzung für ein Hilfsprogramm ist außerdem, dass die betroffenen Länder den Fiskalpakt ratifizieren und einhalten. Und der verlangt einen Haushalt ohne Neuverschuldung. "Da kommen Solidität und Solidarität, die zwei Seiten einer Medaille sind, zusammen", so Schäuble. Solidität will heißen, die Krisenstaaten müssen sparen und reformieren, dann können sie auch auf Hilfe rechnen.
500.000.000.000 Euro reichen womöglich nicht
Ob aber 500 Milliarden Euro effektive Ausleihsumme ausreichen, um den gesamten Hilfsbedarf zu stillen, ist recht fraglich. 100 Milliarden wurden schon Spanien zugesagt, um seine angeschlagenen Banken zu stabilisieren. Möglicherweise wird Madrid aber auch ein vollständiges Hilfsprogramm beantragen. Sollte dann Italien dazukommen, dürfte der Finanzrahmen des Rettungsfonds gesprengt werden.
So mancher wünscht sich daher, den ESM mit einer Banklizenz auszustatten. Das würde den Zugriff auf EZB-Kredite ermöglichen und die Feuerkraft so vervielfachen. Dafür müsste aber der Vertrag geändert werden - einstimmig.