Software-Konzern SAP Ausstieg aus Russlandgeschäft dauert länger
Eigentlich wollte sich SAP bis Ende des Jahres komplett aus Russland zurückziehen. Das Geschäft an Dritte abzugeben, sei derzeit nicht machbar, so Finanzchef Mucic. In Russland beschäftigt der DAX-Konzern noch 600 Mitarbeiter.
Der deutsche Software-Riese SAP hat seinen kompletten Ausstieg aus dem Russlandgeschäft weiter nach hinten verschoben. In einer Telefonkonferenz machte SAP-Finanzchef Luka Mucic rechtliche Anforderungen dafür verantwortlich, die gegenüber Kunden und Beschäftigten bestünden. Eigentlich wollte das DAX-Unternehmen bis Ende des Jahres aus dem Russlandgeschäft aussteigen. Einen neuen Zeitpunkt, zu dem die Aktivitäten in Russland komplett beendet sein sollen, habe das Unternehmen derzeit nicht im Visier.
Derzeit beschäftigt Europas größter Softwarehersteller in Russland noch rund 600 Mitarbeiter, ursprünglich waren es 1250. Zum Ende des Jahres dürften es noch rund 100 Beschäftigte sein. "Das (Geschäft) an Dritte abzugeben, ist schwierig und aktuell nicht machbar", sagte Mucic.
Kosten für Aufgabe des Geschäfts
Im April hatte SAP nach Vorwürfen des Zauderns angekündigt, sich wegen des Angriffskriegs gegen die Ukraine komplett aus Russland und Belarus zurückzuziehen und damit auch die Verträge von Bestandskunden zu beenden.
Für die Aufgabe von Geschäften in Russland und Belarus fielen für SAP im dritten Quartal nur noch geringe Kosten in Höhe von rund 20 Millionen Euro an. Insgesamt schätzt Mucic in diesem Jahr die Belastungen für das bereinigte operative Ergebnis noch auf zusammengenommen 300 Millionen Euro. Vor drei Monaten hatte SAP noch 50 Millionen Euro mehr einkalkuliert.
Gewinn eingebrochen
SAP hat aus dem dritten Jahresviertel sowohl starke Wachstumszahlen als auch einen Gewinneinbruch zu vermelden. Zwar wuchs der Umsatz des Konzerns um 15 Prozent auf 7,84 Milliarden Euro. Eingebrochen ist dagegen der Nettogewinn - also das, was unter dem Strich übrig bleibt. Dieser fiel im Vergleich zum Vorjahresquartal um 61 Prozent auf 547 Millionen Euro. Vor einem Jahr hatten Beteiligungsergebnisse des Risikokapitalfonds Sapphire Ventures mit dem Aufschwung an den Börsen die Gewinne deutlich in die Höhe getrieben, weil die Unternehmenswerte von Start-ups zulegten. Durch die aktuelle Lage an den Finanzmärkten kam das diesmal nicht zustande.
Auch weil die Umrechnung der Auslandsgeschäfte in Euro die Resultate deutlich aufhübschte, kam das Unternehmen besser durch das schwierige dritte Quartal als von Experten befürchtet. Zwei Drittel des Umsatz-Zuwachses etwa kamen aus Währungseffekten.
Starkes Cloud-Geschäft
Während die einträglichen Softwarelizenzen einmal mehr schwächer als erwartet abschnitten, konnte SAP beim erklärten Wachstumsfeld aus der Cloud ein Umsatzplus von 38 Prozent vorweisen. Währungsbereinigt ergab sich ein Plus von 25 Prozent auf 3,29 Milliarden Euro - getrieben von der Cloudversion der wichtigen Kernsoftware S/4 Hana.
Insbesondere bei dieser forciert SAP-Chef Christian Klein das Wachstum, auch weil die großen US-Rivalen den Badenern in ihrer Ur-Domäne, den Programmen zur Steuerung des allgemeinen Unternehmensbetriebs, das Wasser abzugraben drohen.
Angesichts von ersten Problemen und Warnungen bei anderen Softwareanbietern sei der Anstieg bei den Cloudaufträgen von SAP beeindruckend, schrieb Analyst Toby Ogg von der amerikanischen Großbank JPMorgan. Die Bestellungen für S/4 Hana aus der Cloud legten nahe, dass die Kunden weiter auf dieses Programm umstiegen - trotz der wirtschaftlichen Lage. "Wir sind sehr zuversichtlich, unsere Ziele für 2025 überzuerfüllen", so der SAP-Chef gegenüber Reuters.
Inflationsausgleich für Mitarbeiter
Mit Blick auf die hohe Inflation sagte Klein, dass sein Unternehmen die Preise anhebe. Allerdings werde die Teuerung nicht vollständig an die Kunden weitergegeben. Daneben diskutiere das Management über einen gewissen Inflationsausgleich für die Beschäftigten, zum Beispiel über eine Bonuszahlung.
Das Ergebnis je Aktie sei um 36 Prozent auf 1,12 Euro eingebrochen. Hier belaste das schwächere Finanzergebnis der Wagniskapital-Sparte Sapphire Ventures. Analysten hatten dem Datenanbieter Refinitiv zufolge auf einen Anstieg der Gesamterlöse von 7,622 Milliarden Euro und einen Überschuss von 1,25 Euro je Aktie gehofft. Ein Wermutstropfen sei die gesenkte Prognose für den Barmittel-Zufluss im Gesamtjahr auf rund 4,5 von zuvor mehr als 4,5 Milliarden Euro, kommentierte Analyst Charles Brennan.
Rekordergebnis in Aussicht
Mucic stellte für das angelaufene vierte Quartal ein Rekordergebnis in Aussicht. Unter anderem würden sich geringere Investitionen und niedrigere Steuerzahlungen positiv bemerkbar machen. Außerdem intensiviere SAP seine Sparbemühungen. Im kommenden Jahr werde sich das Wachstum beschleunigen, fügte Mucic hinzu. Dann werde auch das Betriebsergebnis zweistellig zulegen. An der Börse wurden die SAP-Zahlen positiv aufgenommen. Die Aktie stieg bis zum Mittag um 3,2 Prozent.