EU-Sorgenkind Slowenien Vom Musterland zum Problemfall
Die Eurogruppe will Slowenien vorerst nicht zu weiteren Sparmaßnahmen drängen. Das Euroland an der Adria leidet an maroden Banken, will aber nicht unter den europäischen Rettungsschirm ESM schlüpfen.
Von Ralf Borchard, ARD-Hörfunkstudio Südosteuropa
Proteste wie diese gab es vergangenen Winter jede Woche in Slowenien. In der Hauptstadt Ljubljana und in Maribor, der zweitgrößten Stadt des Landes, gingen die Menschen zu Tausenden auf die Straße, um gegen die hohe Arbeitslosigkeit und die weitverbreitete Korruption zu protestieren.
Korruptionsvorwürfe waren es auch, die den langjährigen konservativen Regierungschef Janez Jansa zu Fall brachten, seit knapp zwei Monaten regiert nun eine moderate Linksregierung unter der 43-jährigen Finanzexpertin Alenka Bratusek. Ihr Hauptziel: das Negativ-Image loszuwerden, Slowenien sei nach Griechenland und Zypern der nächste Kandidat für den EU-Rettungsschirm.
Probleme statt Wachstum
Doch die Probleme sind groß in dem kleinen EU-Land mit nur gut zwei Millionen Einwohnern, das seit 2004 EU-Mitglied ist und 2007 den Euro eingeführt hat. Bis zum Ausbruch der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise lief es vergleichsweise gut für Slowenien: kräftiges Wachstum, starker Exportsektor, mit Deutschland als Hauptabnehmer vor Italien und Österreich.
Chemie-Produkte, Elektrotechnik, Autoteile, Nahrungsmittel und der Tourismus ließen Slowenien bis 2008 gut dastehen. Dann ging es vor allem für die Banken bergab.
Der Staat lenkt weiter die Wirtschaft
Wladimir Gligorov vom Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche erklärt, warum das slowenische Modell nicht mehr funktioniert: "Slowenien exportiert zwar eine Menge, aber es leidet darunter, dass die meisten großen Unternehmen, vor allem die Banken, nach wie vor staatlich gelenkt sind."
Eine Privatisierung habe bisher nicht wirklich stattgefunden, so der Experte. "Vor allem die slowenischen Banken sind mit ihrem hohen Anteil fauler Kredite nun wirklich in der Krise. Es sind viele Milliarden nötig, um die Banken zu retten - viel Geld für so ein kleines Land. Das ist das slowenische Problem."
Keine wirklichen Reformen
Das Positiv-Etikett eines "Musterschülers", das Slowenien lange aufgeklebt wurde, erweist sich im Nachhinein als irreführend. Die meisten Wirtschaftsreformen nach der Loslösung vom früheren Jugoslawien waren nur Scheinreformen, wenige Oligarchen und Politiker profitierten, die alten Seilschaften dominierten weiter, das Land blieb weitgehend planwirtschaftlich organisiert.
Die Angst vor einem neuen Sparkurs
Erst jetzt in der globalen Krise beginnt es sich dem Schock einer wirklichen Privatisierung auszusetzen. Regierungschefin Alenka Bratusek will nun die Mehrwertsteuer von 20 auf 22 Prozent erhöhen und unter anderem die Gehälter im öffentlichen Dienst kürzen: "Bei den Einnahmen bedeutet das circa 540 Millionen Euro mehr, und gleichzeitig wird ungefähr dieselbe Summe bei den Ausgaben gespart", rechnet sie vor.
Zudem stehen zahlreiche Unternehmen auf einer Privatisierungsliste, voran die zweitgrößte Bank des Landes, NKBM, die staatliche Telekommunikationsgesellschaft und die Fluggesellschaft Adria Airways. Doch Ökonomen bezweifeln, ob sich genügend private Investoren finden.
Gleichzeitig protestiert Gewerkschaftsführer Dusan Semolic mit den Worten, Sparen allein sei keine Lösung, vor allem nicht bei den Grundbedürfnissen einfacher Bürger: "Hier kann man nicht weiter sparen, essen muss man, Kleidung braucht man auch. Es wird vor allem diejenigen hart treffen, die jetzt schon unter dem Durchschnitt beziehungsweise unter der Armutsgrenze leben", so der Gewerkschaftschef.
Gut möglich, dass bald wieder Demonstrationen das Straßenbild von Ljubljana und Maribor prägen.