Digitales Bezahlen Supermarkteinkauf ganz ohne Kasse
Wie sieht der Supermarkt der Zukunft aus? Kassen zum selber Scannen und Bezahlen gibt es immer häufiger. Eine große Kette testet ein System, bei dem Kamera und App das Abrechnen übernehmen.
Nur schnell noch etwas fürs Abendessen einkaufen und dann zehn Minuten an der Kasse warten - das könnte bald Vergangenheit sein. Im Berliner Ortsteil Prenzlauer Berg wird, nach einem ersten Probelauf in einem Kölner Supermarkt, die kassenlose Zukunft getestet. Noch im Hybridformat: Der Kunde hat die Wahl, ob er klassisch an der Kasse wartet, selbst seine Waren scannt oder eben alles per App erledigt.
Kameras und Gewichtssensoren
Einfach alles in die Taschen stecken und fertig - das funktioniert mit modernster Technik. Per App loggen sich die Kundinnen und Kunden beim Betreten des Rewe-Marktes ein. Kameras begleiten sie dann durch den Markt. Diese registrieren, was aus den Regalen genommen wird, welches Obst oder Gemüse gewogen, wie viele Pfandflaschen abgegeben werden. Zusätzlich sind in den Regalen Gewichtssensoren verbaut, die das Entfernen eines Produktes ebenfalls registrieren. Das wird dann dem Kunden zugeordnet.
Am Ende des Einkaufs gibt es dann die Rechnung aufs Handy, gezahlt wird mit Kreditkarte oder Google Pay. "Pick and Go" heißt das System, das vor wenigen Tagen in Berlin gestartet ist. Das Vorgängerprojekt in Köln war deutlich kleiner angelegt, sagt Christoph Eltze, Vorstand der Rewe Group. "Wir haben vier Mal so viel Produkte. Wir bieten unseren Kunden auch lose Ware an."
Der Kunde wird am Gang erkannt
Knapp 500 Kameras wurden in Prenzlauer Berg verbaut. Den Rest erledigt die Software. Am Eingang wird das Gangbild und die Statur des Kunden gescannt und analysiert. Ab diesem Moment ist er für die Software einzigartig und quer durch den Markt verfolgbar. Ein Wiedererkennen beim nächsten Besuch, also ein Speichern der Daten erfolgt aber nicht. Das System sei mit allen Datenschutzbehörden abgestimmt, betont Eltze, die Methode gesetzeskonform. Gesichtserkennung gibt es nicht. "So fühlt es sich für den Kunden auch weiterhin gut an", glaubt der Rewe-Konzernvorstand.
Doch viele Markt-Kunden kann er so nicht überzeugen. Ihnen fehlt das Vertrauen in die Technik - oder ihnen ist unwohl bei der Idee, auf Schritt und Tritt von Kameras beobachtet zu werden. "Es entmenschlicht die Supermärkte", sagt eine Kundin.
Für Rewe ist es erst mal ein Testballon, ob die Kunden das Angebot annehmen. Noch hat das System auch seine Schwächen und blinde Flecken. So funktioniert beispielsweise die Frischetheke nicht ohne Verkäuferkontakt und Kassenbon. Und dann ist da noch die Frage, ob der ein oder andere - ohne Einchecken - sich einfach die Taschen vollmacht und dann den Laden verlässt. "Pick&Go" kann bislang nicht unterscheiden, wer berechtigt ist und wer nicht. "Wir setzen hier einfach auf Vertrauen in unsere Kunden und haben vorne noch zusätzliches Personal stehen", sagt Marktleiter Philipp Schultz.
Neue Wege für den Handel
Rewe ist längst nicht der einzige Lebensmittelhändler, der Neues ausprobiert. Die gesamte Branche ist im Wandel. Noch werden knapp 20 Prozent des Personals an der Kasse gebraucht. Doch die Zukunft könnte mit weniger auskommen. Selbstzahlerkassen haben sich in Deutschland zwischen den Jahren 2015 und 2021 verdreifacht.
Auch beim Selbstscannen der Waren mit Hilfe von Apps oder Handgeräten steigen die Zahlen. Möglicherweise auch wegen Personalnot und Fachkräftemangel versuchen die Händler, den Kunden einzubinden. Vorteil für den Kunden: Sie müssen nichts mehr aufs Band packen und haben eine kürzere Wartezeit. Von Rewe heißt es, dass die Kette kein Personal einsparen, aber besser einsetzen wolle: "Wir glauben, dass wir unglaublich viele Stellen im Supermarkt haben, wo wir mit Personal dem Kunden einen guten Service leisten können. In der Beratung, in der Bedienung."
Ganz ohne Bedien- und Kassenpersonal kommt der Supermarkt Tegut inzwischen aus - zumindest in den TEO genannten Minifilialen. 2020 startete das Unternehmen das Projekt, 22 Läden sind es inzwischen, vier weitere sollen noch in diesem Jahr dazukommen. Die Märkte bieten ein begrenztes Angebot für den täglichen Bedarf, der Zugang zum Laden erfolgt per App oder Girokarte. Das Unternehmen sieht das als "digitalen Tante-Emma-Laden". So soll auch im ländlichen Raum Einkaufen direkt um die Ecke wieder möglich werden, 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche.
Zeit fürs Schwätzchen an der "Plauderkasse"
Der stationäre Lebensmittelhandel muss sich anstrengen, damit die Geschäfte auch in Zukunft erhalten bleiben. Was passiert, wenn man die Entwicklung verpasst, zeigt sich derzeit in den Innenstädten. Dabei gehe es nicht nur um den kassenlosen Supermarkt, sagt Stephan Genth, Hauptgeschäftsführer beim Handelsverband Deutschland. "Es geht auch um die Sortimentsplanung mittels künstlicher Intelligenz, die Werbeausspielung mit den digitalen Techniken." Die Zukunft sei eine Verbindung von digital und analog, so Genth.
Der klassische Einkauf mit Kontakt zu den Angestellten an der Kasse soll erhalten bleiben. In Belgien und der Schweiz kehren einzelne Supermärkte wieder zu ganz traditionellen Ansätzen zurück. Sogenannte "Plauderkassen" bieten genau das an, was die meisten Kunden in der Schlange dahinter ungeduldig werden lässt: Zeit für ein Schwätzchen mit der Kassiererin - ohne Druck. Dort will man so der Vereinsamung entgegenwirken.