Streikende Mitarbeiter der Verkehrsbetriebe in Essen demonstrieren mit Ver.di-Fahne und einem Transparent "Wir sind es wert".
FAQ

Keine Einigung in dritter Runde Wie geht es im Tarifstreit weiter?

Stand: 30.03.2023 18:49 Uhr

Wie kann nach dem Scheitern der Gespräche zwischen Arbeitgebern des öffentlichen Dienstes und Gewerkschaften nun eine Schlichtungskommission helfen? Und stehen weitere Streiks bevor? Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Tarifkonflikt.

Wer leitet die Schlichtung?

Die Schlichtung läuft nach festen Regeln und Fristen ab. Die Vorsitzenden der Schlichtungskommission sind der ehemalige sächsische Ministerpräsident Georg Milbradt von der Arbeitgeberseite und der ehemalige Bremer Staatsrat Hans-Henning Lühr für die Gewerkschaften - Lühr mit der im Zweifelsfall entscheidenden Stimme.

Stehen weitere Streiks an?

Ab Sonntag setzt eine Friedenspflicht ein - zumindest bis nach Ostern sind Warnstreiks dann ausgeschlossen. Die Gewerkschaft ver.di kündigte in der Zeit bis zum Sonntag zwar "einzelne Warnstreiks in verschiedenen Teilbereichen, darunter auch in Kitas oder Kliniken" an. Das seien jedoch vor allem Informationsformate, bei denen die Gewerkschaft keine ganzen Verwaltungen oder Unternehmen lahmlegen wolle, sagte ver.di-Chef Frank Werneke der "Süddeutschen Zeitung".

Wie kann die Schlichtung enden?

Mit einer Einigung - wenn beide Seiten den Mitte April erwarteten Schlichterspruch annehmen. Wie das Beispiel der bisher letzten umfassenden Streiks im öffentlichen Dienst zeigt, bringt aber auch eine Schlichtung nicht unbedingt den Durchbruch. 1992 wurde ein Schlichterspruch nicht angenommen - rund zehntägige flächendeckende Streiks folgten.

Was liegt auf dem Verhandlungstisch?

Die Gewerkschaften hatten 10,5 Prozent mehr Lohn gefordert, mindestens aber 500 Euro mehr, die Arbeitgeber boten acht Prozent mehr Einkommen und einen Mindestbetrag von 300 Euro sowie eine Einmalzahlung von 3000 Euro an - bei unterschiedlichen Vorstellungen zur Laufzeit.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) meinte, damit hätte man jetzt im Mai den Menschen sehr schnell helfen können - schließlich seien die Kosten gerade jetzt sehr hoch. "Und ich glaube, das wäre im Sinne der Beschäftigten gewesen, jetzt eine schnelle Lösung zu haben."

Was sagen die Arbeitgeber über ihr Agieren in der Schlussrunde?

Faeser verwies auf die Verantwortung, die daraus erwachse, dass nicht über irgendwelches Geld verhandelt wurde - sondern über Steuergeld, mit dem die Einkommen der Beschäftigten bezahlt werden müssen. Die Verhandlungsführerin der Kommunen, Karin Welge sagte: "Wir haben bis kurz vor Mitternacht den Glauben nicht verloren, dass wir die Brücke schlagen können."

Wie reagierten die Gewerkschaften auf das Angebot?

Ver.di-Chef Werneke sprach von unüberbrückbaren Unterschieden. Die öffentlichen Arbeitgeber seien "nicht in der Lage, den ersten Schritt auf die Beschäftigten und ihre Gewerkschaften zuzugehen, um einen tatsächlich sozial gerechten Abschluss möglich zu machen".

Worüber wurde noch verhandelt?

Ein weiterer Aspekt ist die Laufzeit - zwölf Monate fordern die Gewerkschaften. Den Arbeitgebern ist das zu wenig. Sie hatten zunächst 27 Monate angeboten. Auch darüber wurde intensiv gerungen. Wie es in Verhandlungskreisen hieß, waren hier beide Seiten kompromissbereit. Der Chef des Beamtenbunds, Ulrich Silberbach, merkte an, das Entgegenkommen der Gewerkschaften bei der Laufzeitfrage habe angesichts der generellen Position der Arbeitgeber am Ende für eine Gesamtlösung nicht gereicht.

Wie ist die Streikbereitschaft der Gewerkschaften heute?

Ob Busfahrer, Krankenpflegerinnen, Erzieherinnen, Müll- und Klärwerker, Straßenbahnfahrer oder Angestellte an Flughäfen - Beschäftigte zeigten seit Monaten große Streikbereitschaft. In Umfragen bekundeten große Teile der Bevölkerung für sie Verständnis - und für das Argument, dass viele öffentlich Bedienstete eher unterbezahlt seien. Ver.di sieht sich durch die massiven Warnstreiks der vergangenen Wochen gestärkt und verzeichnete mehr als 70.000 Eintritte in den vergangenen drei Monaten.

Ver.di-Chef Werneke stellt sich im September beim Bundeskongress seiner Gewerkschaft auch zur Wiederwahl. Dann zählen gute Tarifabschlüsse und erfolgreiche Mobilisierung.

Was macht den aktuellen Tarifstreit besonders?

"Da ist jetzt richtig Druck auf dem Kessel", sagte Werneke schon vor Wochen. Bereits als ver.di und der dbb im Oktober ihre Forderungen aufstellten, befand sich das Land mitten in der Inflations- und Energiepreiskrise. Doch auch viele Kommunen haben leere Kassen. Sie rechneten vor, bei ihnen würde eine Umsetzung der Forderung 15,4 Milliarden Euro kosten.

Auf was kommt es den Gewerkschaften besonders an?

Vielen Beschäftigten etwa von Kitas, Bädern oder Müllabfuhr reicht der Lohn derzeit nur knapp zum Leben, wie in vielen Interviews anlässlich der Streiks immer wieder zu hören war. Auch im Januar und Februar lagen die Verbraucherpreise jeweils um 8,7 Prozent über dem Niveau des Vorjahresmonats. Nun soll der Abschluss für einen Ausgleich der hartnäckig hohen Inflation sorgen - und eine Reallohnerhöhung. Als "das Wichtigste für die Beschäftigten" bezeichnete Werneke dabei "einen sozial balancierten Tarifvertrag, eine soziale Komponente, einen Mindestbetrag".

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 30. März 2023 um 09:45 Uhr.