Abstimmung über Auflagen für Hilfspaket Tsipras schürt Zweifel an Reformwillen
Das griechische Parlament stimmt heute über den zweiten Teil der Sparauflagen ab - dennoch sind die Geldgeber in Sorge: Denn einige wichtige Reformen wie die Abschaffung der Frühpensionierung sind bei dem Paket noch nicht dabei.
Einen entschlossenen Reformruck erwartet die die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Christine Lagarde, von der griechischen Regierung. Bis Mitternacht hat Premier Alexis Tsipras Zeit, das Parlament von der zweiten Reformwelle zu überzeugen, zu der er von den internationalen Geldgebern und den EU-Staats- und Regierungschefs verpflichtet wurde.
Aufmerksam und mit Erleichterung wurde in Brüssel, Washington und Frankfurt registriert, dass die griechische Regierung in dieser Woche nicht nur die aufgelaufenen Schulden beim Internationalen Währungsfonds und der Europäischen Zentralbank beglich. Auch die Tatsache, dass Regierungschef Tsipras - wie von den Geldgebern gefordert - bereits ein weiteres Reformgesetz ins Parlament eingebracht hat, kam gut an. Denn es entspricht der EU-Richtlinie zur Abwicklung von angeschlagenen Banken und legt fest, dass zuerst Aktionäre und Gläubiger herangezogen werden, bevor die angeschlagene Bank auf Kosten der Steuerzahler gerettet wird.
Abstimmung über erste Punkte
Mehr Klarheit und weniger Ungewissheit wünschen sich IWF-Chefin Lagarde und die EU-Staats-und Regierungschefs von Tsipras - und den Mut zu unpopulären Sofortmaßnahmen, um das Vertrauen der Geldgeber zurückzugewinnen. Beim neuen Bankengesetz sind dem griechischen Premier die Unterstützung des Parlaments und der Bevölkerung sicher.
Dagegen ist bei der Abschaffung der Frühpensionierung sowie bei der Streichung fast aller Steuervorteile für griechische Landwirte erheblicher Widerstand programmiert. So weist die Sprecherin der griechischen Regierung darauf hin, dass diese beiden Reformmaßnahmen keineswegs zu der Liste der unverzüglichen Sofortmaßnahmen gehörten - und deswegen werde heute im Athener Parlament auch nicht über diese beiden Punkte abgestimmt.
Bei dem zweiten Reformpaket geht es einerseits um eine Überarbeitung der Zivilprozessordnung und andererseits um eine EU-Richtlinie zur Sanierung und Abwicklung von Banken. Das Gesetz zur Umsetzung dieser Vorgaben legt fest, dass künftig zuerst die Aktionäre und Gläubiger eines Geldhauses einspringen müssen, bevor Steuergelder zur Rettung eingesetzt werden. Gleichzeitig sind Sparguthaben bis 100.000 Euro sicher. Bei Geldanlagen über dieser Grenze sollen die Kontoinhaber aber wie Aktionäre die Sanierung maroder Banken mitfinanzieren. Die Justizreform soll Gerichtsverfahren beschleunigen. Das gilt insbesondere für Verfahren, bei denen Immobilienbesitzer ihre Kredite an Banken nicht mehr zurückzahlen können. In solchen Fällen sollen sie schneller ihre Häuser oder Wohnungen an die Banken verlieren.
Folgen die entscheidenden Schritte?
Das lässt nicht nur in der Finanzbranche, sondern auch bei der EU-Kommission und der Eurogruppe alle Alarmglocken läuten: Sie stellen sich die Frage, ob Athen schon wieder mit einer Reform-Verzögerungstaktik beginnt, kaum dass die EU einen Überbrückungskredit von mehr als sieben Milliarden Euro zur Begleichung der Schulden beim IWF und der Europäischen Zentralbank nach Athen überwiesen hat.
Der ehemalige Finanzminister Yannis Varoufakis gab nun in einem CNN-Interview zu, man habe in der Vergangenheit Fehler gemacht - und für eine ganze Reihe dieser Fehler sei er selber verantwortlich.
Kreditprogramm abhängig von Reformen
In Brüssel, Washington und Frankfurt hoffen jetzt die internationalen Griechenland-Geldgeber und die EU, dass Tsipras nicht erneut den Fehler macht, Reformen zu verschleppen. Denn ohne die vereinbarten Maßnahmen gibt es diesmal kein 86-Milliarden-Kreditprogramm und keine dringend notwendige Erhöhung der Notkredite durch die Europäische Zentralbank.
Auch eine baldige Schuldenerleichterung wäre ohne Reformen in weiter Ferne: Denn der Internationale Währungsfonds und die Europäische Zentralbank machen sich zwar gleichermaßen stark dafür, aber Bundeskanzlerin Angela Merkel wird darüber erst diskutieren, wenn Athen mit Reformen überzeugt hat - und zwar vor allem mit unpopulären.