EU und USA beraten erneut über TTIP Viel Gesprächsstoff und ein Tabuthema
Zum achten Mal beraten Vertreter von EU und USA ab heute über das Freihandelsabkommen TTIP. Sprechen wollen sie über fast alle Kapitel - von Zollsenkungen bis hin zu Erleichterungen für die Autobranche. Ein zentrales Thema klammern sie aber erneut aus.
So groß die Aufregung in der Öffentlichkeit über TTIP ist, so wenig hört man über den konkreten Fortgang der Verhandlungen. Und in der Tat kommen die Unterhändler beider Seiten bislang nur schleppend voran. In gewisser Weise sei man nach mehr als anderthalb Jahren immer noch in der Abtastphase, sagt EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström: "Wir haben uns gegenseitig unsere Vorstellungen und Prioritäten mitgeteilt - aber die eigentlichen Verhandlungen haben noch nicht begonnen."
"Bis Ende 2015 muss es fertig sein"
Seit der letzten Runde in Washington sind auch schon wieder fast vier Monate ins Land gegangen. Inzwischen war Malmström in Washington, und auch US-Präsident Barack Obama und die EU-Regierungschefs machen Druck: "Wir sind übereingekommen, dass alle Anstrengungen unternommen werden müssen, dass dieses Abkommen bis Ende 2015 fertig verhandelt ist", hatte EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker nach dem letzten EU-Gipfel Ende Dezember erklärt.
Ein bisschen scheint der Druck genutzt zu haben. Die Amerikaner reisen diesmal mit einer deutlich größeren Delegation an als bei den vorhergehenden Runden. Diesmal soll in Brüssel über so gut wie alle Kapitel verhandelt werden - von Zollsenkungen über einen besseren Marktzugang bei Dienstleistungen und öffentlichen Aufträgen bis hin zum Abbau von technischen Handelshemmnissen etwa in der Autobranche oder im Maschinenbau.
EU wünscht Energiekapitel
Gerne würden die Europäer die US-Seite dazu bringen, auch ein spezielles Energiekapitel aufzumachen - in der Hoffnung, dass die Amerikaner ihre Exportbeschränkungen bei Öl und Gas aufgeben.
Ein Kapitel bleibt allerdings auch diesmal ausgeklammert: das Kapitel zum Investorenschutz. Wegen der großen Bedenken der Öffentlichkeit, aber auch einiger Regierungen legte die EU-Kommission die Verhandlungen über einen Streitschlichtungsmechanismus zwischen Investoren und Staaten - auf Englisch abgekürzt ISDS - auf Eis. Zugleich startete sie eine Online-Konsultation, die mit 150.000 Teilnehmern eine beispiellose Resonanz fand. Fast alle eingereichten Antworten äußerten sich negativ zu ISDS: "Alles in allem zeigen die Antworten eine große Skepsis gegenüber ISDS - das ist klar", musste Handelskommissarin Malmström einräumen.
Angst vor außergerichtlichen Entscheidungen
Die TTIP-Kritiker befürchten, dass künftig US-Konzerne sich mit Hilfe der geplanten außergerichtlichen Schiedsstellen nicht nur milliardenschwere Entschädigungen erstreiten, sondern auch staatliche Entscheidungen aushebeln können. Malmström will dennoch an den Sonderklagerechten festhalten, sich allerdings für Reformen stark machen.
Im Frühjahr will die Kommission nach Beratungen mit den EU-Regierungen und allen anderen Interessenvertretern über das weitere Vorgehen in Sachen ISDS entscheiden. Auch diesmal machen die TTIP-Gegner wieder parallel zu den Verhandlungen in Brüssel mobil. Die Bürgerinitiative StopTTIP, an der sich europaweit rund 350 Organisationen beteiligen, lädt zu einem Strategietreffen. Am Mittwoch wollen sie vor dem Gebäude der EU-Kommission ein gewaltiges Trojanisches Pferd aufstellen.
"Zeit, Bilanz zu ziehen"
Bernd Lange, Chef des Handelsausschusses im EU-Parlament, plädiert dafür, die Sorgen der Bürger ernst zu nehmen. Die EU-Kommission habe auf den unerwartet starken Widerstand in der Öffentlichkeit nicht immer glücklich reagiert. "Jetzt ist es Zeit, Bilanz zu ziehen, und einen frischen Start anzupacken. Denn das Schiff ist ziemlich aus dem Ruder gelaufen", sagt Lange.