Warnung vor Staatsbankrott Ukraine will 35 Milliarden Dollar
Die Ukraine steuert nach Angaben von Übergangspräsident Turtschinow auf eine Staatspleite zu. Um den Bankrott abzuwenden, seien bis zu 35 Milliarden Dollar Hilfe nötig, sagte Finanzminister Kolobow. Russland wartet weiter ab - und der IWF stellt Bedingungen.
Die Ukraine steht nach Angaben des Übergangspräsidenten Alexander Turtschinow vor dem Staatsbankrott. "Die Ukraine ist dabei, in den Abgrund zu rutschen, sie befindet sich am Rande einer Zahlungsunfähigkeit", sagte er in einer Ansprache. Der Finanzbedarf ist enorm. Finanzminister Juri Kolobow erklärte, sein Land benötige Unterstützung in diesem und im kommenden Jahr insgesamt bis zu 35 Milliarden Dollar - umgerechnet etwa 25,5 Milliarden Euro. Er rief den Westen auf, in den kommenden zwei Wochen eine Geberkonferenz zu organisieren, um einen Hilfsplan auszuarbeiten.
Die Lage der ukrainischen Staatsfinanzen wird noch dadurch verschlechtert, dass ein erheblicher Teil der Schulden bei ausländischen Geldgebern besteht. In der Regel müssen diese auch in Fremdwährungen zurückbezahlt werden. Die ukrainische Währung Hrywnia verlor allerdings seit Beginn der Krise im November gegenüber dem Euro rund 13 Prozent und gegenüber dem Dollar etwa elf Prozent an Wert. Die Devisenreserven des Landes schrumpften laut Angaben der ukrainischen Nationalbank binnen eines Jahres von 24,7 auf jetzt nur noch 17,8 Milliarden Dollar. Notenbankchef Ihor Sorkin trat am Nachmittag zurück und wurde durch Stepan Kubiw ersetzt.
13 Milliarden Dollar in diesem Jahr fällig
Insgesamt muss die Ukraine allein im laufenden Jahr Altschulden in Höhe von 13 Milliarden Dollar - umgerechnet etwa 9,5 Milliarden Euro - zurückzahlen. Im Dezember hatte Russland der bisherigen Regierung Hilfen in Höhe von 15 Milliarden Dollar zugesagt. Das Geld sollte fließen, indem Russland Staatsanleihen der Ukraine aufkauft. Nach der Zahlung der ersten drei Milliarden Dollar legte Russland die Unterstützung jedoch auf Eis und machte die Fortsetzung von der Bildung der neuen Regierung abhängig. Eine vergangene Woche geplante Tranche von zwei Milliarden Dollar wurde vor diesem Hintergrund gestoppt.
Russland will vorerst nicht mehr helfen
Die politische Lage habe sich dramatisch geändert, erklärte der russische Finanzminister Finanzminister Anton Siluanow am Wochenende beim G20-Finanzministertreffen in Sydney. "Jetzt müssen wir warten, bis es eine neue Regierung gibt, bevor wir darüber eine Entscheidung fällen können." Er legte der Ukraine nahe, den Internationalen Währungsfonds (IWF) um Hilfe zu bitten. "Wir wünschen ihnen dabei und bei der schnellen Stabilisierung der politischen und wirtschaftlichen Lage Erfolg", sagte Siluanow.
Zugleich erhöhte Russland den Druck auf das Nachbarland. Wirtschaftsminister Alexej Uljukajew drohte mit der Erhebung von Zöllen. Wenn die künftige ukrainische Regierung doch noch ein Assoziierungsabkommen mit der EU unterzeichnen sollte, werde Russland gezwungen sein "Importzölle zu erhöhen", sagte Uljukajew dem "Handelsblatt". Der Wirtschaftsminister schloss aus, dass die Ukraine nach Unterzeichnung eines Assoziierungsabkommens mit der EU ein bedeutender Handelspartner Russlands bleiben werde.
USA und IWF signalisieren Hilfsbereitschaft
US-Finanzminister Jacob Lew machte beim G-20-Finanzministertreffen im australischen Sydney "breite Unterstützung" für ein internationales Hilfspaket für Kiew aus. Nach der Bildung einer Übergangsregierung könnten IWF-Mittel ausgeschüttet werden, um "die Ukraine bei der Rückkehr zu Demokratie, Stabilität und Wachstum zu unterstützen". IWF-Chefin Christine Lagarde stellte zwar Unterstützung in Aussicht. Sie knüpfte Finanzhilfen aber erneut an Wirtschaftsreformen. So fordert der IWF höhere Gaspreise für die Bevölkerung, was die bisherige Führung in Kiew aus Angst vor Protesten abgelehnt hatte, sowie die Abwertung der Landeswährung und Einsparungen in Staatshaushalt.
Steinmeier warnt vor Folgen eines Bankrotts
Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton ist in Kiew, um Gespräche über Brüsseler Starthilfe bei der politischen und wirtschaftlichen Stabilisierung des Landes zu führen. Grundsätzlich ist die EU zwar zu Hilfen bereit. Deren Höhe und mögliche Bedingungen sind aber offen. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier warnte, dass eine zahlungsunfähige Ukraine sowohl für die EU als auch Russland zur Belastung werden könne.
Der Osteuropa-Beauftragte der Bundesregierung, Gernot Erler, drängte Russland zur Beteiligung an Finanzhilfen für die Ukraine. "Infrage kommen drei verschiedene Geber: Das sind die EU, der Internationale Währungsfonds und das ist natürlich die Russische Föderation", sagte er im ARD-Morgenmagazin. Bisher sei das Hauptproblem, dass es noch keine handlungsfähige Regierung in Kiew gebe, mit der man über Bedingungen für Finanzhilfen reden könne. "Denn keiner wird Geld geben zum Nulltarif."