Deutsche Unternehmen "Business as usual" in Russland?
Viele westliche Konzerne haben ihre Aktivitäten in Russland gestoppt. Doch in einigen Firmen läuft das Geschäft weiter, als sei nichts gewesen. Darunter finden sich auch prominente deutsche Namen.
Westliche Unternehmen, die ihr Geschäft in Russland gestoppt haben, dominierten zuletzt die Schlagzeilen. Doch mehr als 200.000 Mitarbeiter in Russland stehen weiterhin auf den Gehaltslisten westlicher Konzerne, wie die Financial Times berichtete. Davon sind viele beurlaubt.
Doch einige von ihnen gehen weiter "ganz normal", wie vor Ausbruch des Ukraine-Krieges, ihrer Arbeit nach. Und es sind nicht gerade wenige westliche Unternehmen, die in Russland weiter "Business as usual" betreiben, wie die lange Liste des Wirtschaftsprofessors Jeffrey Sonnenfeld zeigt. In einer täglich aktualisierten Übersicht zeigt der Experte der US-Eliteuniversität Yale, welche Firmen ihre Aktivitäten in Russland gestoppt haben und welche weiter daran festhalten.
Der "Pranger" der Yale-Universität
Die Kategorie F ist dabei die schlechteste Kategorie. Hier werden all jene Unternehmen gebrandmarkt, die "einfach weiter 'Business as usual' in Russland betreiben". Es ist eine Prangerliste, auf der sich auch bekannte deutsche Namen finden. Zu ihnen gehört der MDAX-Konzern GEA, der im SDAX notierte Großhändler Metro, der Kranhersteller Liebherr, das Einzelhandelsunternehmen Globus und der Spielzeughersteller Simba-Dickie Group.
Die Firmen, die auf der F-Liste landen, müssen einen ernstzunehmenden Imageschaden fürchten. Das zeigen auch Recherchen von tagesschau.de, wonach sich mindestens zwei deutsche Unternehmen aktiv darum bemühten, von der F-Liste heruntergenommen zu werden.
Simba-Dickie Group will runter von der F-Liste
Eines dieser Unternehmen ist die Simba-Dickie-Group. Das Unternehmen mit Sitz im fränkischen Fürth produziert und vertreibt weltweit Spielzeuge und steht für so bekannte Marken wie Eichhorn, BIG (Bobby Car), Schuco und Märklin.
Auf Nachfrage von tagesschau.de erklärte die Pressesprecherin der Simba-Dickie-Group: "Wir sind seit dem 1. Oktober 2018 nicht mehr in Russland tätig. Wir haben zwar einen Vertriebspartner in Russland. Doch diesen beliefern wir seit Kriegsbeginn nicht mehr." Man stehe bereits in Kontakt mit der Universität Yale, damit der Eintrag auf der F-Liste gelöscht werde.
Thyssenkrupp bekommt bessere Note
Dass die Einteilung in die verschiedenen Kategorien in Yale teils recht holzschnittartig erfolgt, zeigt auch das Beispiel Thyssenkrupp. Der deutsche Stahlkonzern stand ebenfalls lange auf der F-Liste, obwohl er nach eigener Aussage sein Neugeschäft und sämtliche Investitionen in Russland gestoppt hatte.
Gestern wurde Thyssenkrupp plötzlich gleich zwei Stufen besser (die Note E vergibt Yale nicht) in die Kategorie C eingeteilt. Hier finden sich Unternehmen wieder, die zumindest einen Teil ihres Russland-Geschäfts zurückfahren.
Globus fürchtet Zwangsverstaatlichung
Derweil betreibt der Einzelhändler Globus seine Lebensmittelmärkte in Russland trotz des Kriegs in der Ukraine ohne Einschränkungen weiter. "Als Lebensmittelhändler sind wir verantwortlich für eine Grundversorgung der Menschen mit Lebensmitteln", erklärte Globus-Pressesprecherin Isabel del Alcazar gegenüber tagesschau.de.
Man habe aber auch eine Verantwortung gegenüber den Mitarbeitern: "Wir beschäftigen in Russland rund 10.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, meist Verkäuferinnen und Kassiererinnen, also ganz normale Menschen, die nicht zur Elite des Landes zählen. (…) Würden wir schließen, wären diese vielen Menschen auf einen Schlag arbeitslos und gerieten in eine persönliche Notsituation." Zudem bestehe die Gefahr einer Zwangsverstaatlichung, so del Alcazar. "Dem russischen Staat würden erhebliche Vermögenswerte zufallen."
Continental fürchtete "strafrechtliche Konsequenzen"
Mit der Angst vor Enteignung steht Globus derweil nicht allein da. Der Kreml drohte zuletzt allen westlichen Firmen, die wegen des Ukraine-Krieges ihr Geschäft in Russland aussetzen, mit "heftigen Konsequenzen". Dem Wall Street Journal zufolge sollen unter anderem Coca-Cola, McDonald’s, Procter & Gamble und IBM vor der Beschlagnahmung von Vermögen und Festnahme von Verantwortlichen gewarnt worden sein.
Derweil hatte der DAX-Konzern Continental in der vergangenen Woche seine Produktion im Reifenwerk in Kaluga südwestlich von Moskau wieder hochgefahren und zur Begründung auf "harte strafrechtliche Konsequenzen" verwiesen, die Mitarbeitern und Führungskräften vor Ort drohten.
Liebherr fühlt sich russischen Kunden verpflichtet
Weit weniger dramatisch klingt die Begründung des Baumaschinenherstellers Liebherr, warum er sein Russland-Geschäft nicht gestoppt hat. Auf Anfrage von tagesschau.de erklärte Liebherr: "Wir haben unseren russischen Kunden ein Leistungsversprechen gegeben und sind auch unseren Mitarbeitenden im Land verpflichtet." Man fühle sich gegenüber beiden Anspruchsgruppen weiterhin verpflichtet und setze daher die Geschäftstätigkeit in Russland im Rahmen der Sanktionen bis auf Weiteres fort.
Liebherr ist eines der größten deutschen Industrieunternehmen in Familienhand. Das schwäbische Unternehmen stellt mit 50.000 Beschäftigten Baumaschinen, Flugzeugteile und Hausgeräte her. In Russland, wo Liebherr seit 1965 aktiv ist, hat das Unternehmen nach eigenen Angaben 2300 Mitarbeiter.
Liebherr hat in Russland zwei Produktionswerke in der Region Nischni Nowgorod, eine Vertriebs- und Servicegesellschaft mit Hauptsitz in Moskau und landesweite Niederlassungen.
GEA und Metro wollen russische Aktivitäten nicht stoppen
Zwei weitere Unternehmen, die sich in der Kategorie F der Yale-Liste wiederfinden, wollten sich tagesschau.de gegenüber nicht äußern und verwiesen nur auf ihre früheren Statements. So ist GEA weiter "davon überzeugt, dass ein Stopp seiner Geschäftsaktivitäten nicht die treffen würden, die für den Krieg verantwortlich sind". Das Unternehmen stellt in Russland Maschinen für die lokale Produktion von Grundnahrungsmitteln, Milchprodukten sowie pharmazeutische Anwendungen her und wartet diese.
Auch der Vorstand der Metro AG will den Betrieb der russischen Tochtergesellschaft weiter aufrechterhalten. Der Großhändler sieht sich selbst in der Verantwortung gegenüber den 10.000 Mitarbeitern in Russland.