Lieferdienste und Co EU stärkt Mitarbeiterrechte bei Online-Plattformen
Die Mitarbeiter großer Online-Lieferdienste oder ähnlicher Plattformen arbeiten oft zu schlechten Bedingungen. Die EU-Staaten haben sich auf Verbesserungen verständigt. Deutschland enthielt sich einmal mehr, weil die FDP Bedenken hatte.
Mitarbeiter von Lieferdiensten und Fahrer großer Online-Plattformen wie Uber können in der EU auf bessere Arbeitsbedingungen hoffen. Die EU-Staaten sprachen sich für neue Vorgaben aus, um etwa Scheinselbstständigkeit besser zu verhindern, wie die belgische EU-Ratspräsidentschaft mitteilte.
Das Europaparlament muss dem Vorhaben noch zustimmen, wobei eine Mehrheit wahrscheinlich ist.
Scheinselbstständigkeit soll verhindert werden
Die neue Richtlinie hilft vor allem jene Beschäftigten, die über eine Online-Plattform zum Beispiel als Taxifahrer, als Haushaltskraft oder als Essenslieferant arbeiten. Sie werden oft als Selbständige geführt, was den Plattform-Betreibern zum Beispiel Sozialabgaben spart. Tatsächlich arbeiten diese Selbstständigen dann aber wie abhängig Beschäftigte, ohne, dass sie sich auf die selben Rechte stützen können.
Auf rund vier Millionen Menschen beziffert die EU die Zahl solcher Scheinselbständigen. Zukünftig liegt die Beweispflicht, dass es sich um unabhängige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter handelt, bei den Plattform-Betreibern. Insgesamt bieten nach Angaben der EU mehr als 28 Millionen Frauen und Männer ihre Arbeitskraft über digitale Plattformen an.
Einigung stand wochenlang auf der Kippe
Der Verständigung der EU-Länder gingen wochenlange Verzögerungen voraus. Eigentlich hatten sich Unterhändler der Mitgliedstaaten und des Parlaments bereits zweimal auf Kompromisse geeinigt - diese Deals platzen aber wieder und es brauchte weitere Gespräche. Dabei war es vor allem schwierig, innerhalb der EU-Staaten eine Mehrheit zu finden, was an Bedenken aus Frankreich und auch aus Deutschland scheiterte.
Die beiden großen Mitgliedsländer wurden jedoch überstimmt, weil Estland laut Diplomaten im letzten Moment seine Haltung zu dem Gesetz änderte. Damit wurde die nötige Mehrheit von 15 Mitgliedstaaten erreicht, die 65 Prozent der EU-Bevölkerung auf sich vereinen.
Berlin enthält sich wegen FDP-Bedenken
Deutschland musste sich bei der Abstimmung enthalten, da der Koalitionspartner FDP Bedenken angemeldet hatte. Der stellvertretende Bundesvorsitzende der Liberalen, Johannes Vogel, bezeichnete die vorgesehenen Plattformregeln jüngst als "einen Angriff auf alle Selbstständigen in Europa".
Selbstständigkeit sei ein zentraler und notwendiger Teil einer modernen Arbeitswelt. Die Initiative der EU-Kommission gehe daher nicht zu weit, sondern in die falsche Richtung. "Es kann nicht sein, dass Selbstständige gegen ihren Willen zu Beschäftigten gemacht werden sollen", so Vogel.
Heil: "Ich bedauere das Abstimmungsverhalten sehr"
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil begrüßte dagegen die Einigung. "Scheinselbständigkeit und prekäre Arbeitsbedingungen werden so zurückgedrängt", sagte der SPD-Politiker dem Portal Politico. Das sei gut für die Beschäftigten.
Mit Blick auf die deutsche Enthaltung erklärte Heil: "Wer nicht kompromissfähig ist, kann nicht mitgestalten. Ich bedauere das Abstimmungsverhalten persönlich sehr." Das neue Gesetz bringe "Rechtssicherheit für die Unternehmen". Denn die Richtlinie sehe erstmals "EU-weite Regelungen für den Einsatz automatisierter Überwachungssysteme in der Arbeitswelt" vor, sagte er angesichts der FDP-Bedenken. Es sei wichtig, dass Digitalisierung im Arbeitsleben nicht mit Ausbeutung verwechselt werde.
Weil die FDP anderer Meinung war als SPD und Grüne, musste sich Deutschland bei EU-Entscheidungen mehrfach enthalten. Streit in der Ampel gab es auf den letzten Metern etwa bei EU-Vorhaben wie neuen Flottengrenzwerten für schwere Nutzfahrzeuge, dem Gesetz um künstliche Intelligenz und dem EU-Lieferkettengesetz.
Mit Informationen von Andreas Meyer-Feist, ARD-Studio Brüssel