Nach dem Tod von Mike Lynch Hewlett Packard fordert Milliarden von Lynchs Witwe
Der britische Tech-Tycoon Mike Lynch starb beim Untergang der Luxusjacht "Bayesian". Hewlett Packard Enterprise fordert dennoch weiter Schadenersatz in Milliardenhöhe. Haftet nun Lynchs Witwe?
Worum geht es?
Der Verkauf seiner Softwarefirma Autonomy an Hewlett-Packard bleibt auch nach dem tragischen Tod des Firmengründers Mike Lynch juristisch strittig. Der Tech-Tycoon, von Anhängern wahlweise als "britischer Bill Gates" oder "britischer Steve Jobs" gefeiert, war am 19. August beim Untergang der Luxusjacht "Bayesian" ums Leben gekommen. Das hält aber Hewlett Packard Enterprise (HPE) nicht davon ab, weiter Schadenersatz in Milliardenhöhe zu fordern. "HPE beabsichtigt, das Verfahren bis zum Abschluss durchzuziehen", teilte das US-Unternehmen mit. Die Forderung soll nun gegen den Nachlass betrieben werden. Haftbar wären damit Lynchs Erben - allen voran Lynchs Witwe Angela Bacares, die das Schiffsunglück im Tyrrhenischen Meer vor Sizilien überlebt hatte.
Wie lange zieht sich der Streit schon hin?
HPE hatte bereits 2022 in einem zivilrechtlichen Schadenersatzprozess vor dem Londoner Hohen Gericht gegen Lynch und dessen Finanzvorstand Sushovan Hussain gewonnen. Es war einer der aufwändigsten Prozesse in der Geschichte Englands. Nach 93 Verhandlungstagen gab der britische Richter den Klägern bei fünf von sechs vorgeworfenen Betrugsmethoden recht.
Hewlett-Packard hatte Lynchs Softwarefirma Autonomy 2011 für elf Milliarden Dollar erworben. Seither klagen das Unternehmen beziehungsweise seine rechtlichen Nachfolger - der Konzern hat sich mittlerweile in Hewlett Packard Enterprise (HPE) und HP Inc. aufgespalten - gegen Lynch und seinen früheren Finanzvorstand Sushovan Hussain. Die beiden Männer hätten die Bücher frisiert, also Umsatz- und Renditezahlen geschönt, um den Verkaufspreis in die Höhe zu treiben.
Um wie viele Milliarden geht es?
Die Entscheidung des Londoner Hohen Gerichts über die Höhe der Ansprüche von HPE steht noch aus. Sie könnte aber bis zum Jahresende fallen, sollte HPE seine Forderungen nun wie angekündigt weiter verfolgen. Ursprünglich verlangte HPE mehr als fünf Milliarden Dollar von Lynch und Hussain. Allerdings wies der Richter im Laufe des Prozesses mehrfach darauf hin, dass die Summe überhöht sei. Angemessen sei deutlich weniger. Mittlerweile hat HP seine Forderungen auf vier Milliarden Dollar, also um 20 Prozent, reduziert. Ob der Richter diese Summe nun für angemessen hält, bleibt abzuwarten.
Wie viel Geld könnten Lynchs Erben überhaupt zahlen?
Die Höhe von Mike Lynchs gesamtem Vermögen ist nicht bekannt - aber sie dürfte sich sehr wahrscheinlich nicht einmal in der Nähe von vier Milliarden Dollar befinden. Lynch soll mit dem Autonomy-Deal um die 800 Millionen Dollar verdient haben. Er gründete daraufhin die Wagniskapitalfirma Invoke Capital. Zum Zeitpunkt seines Todes hielt Lynch zudem einen dreiprozentigen Anteil an dem Cybersecurity-Unternehmen Darktrace. Die britische Zeitung "Sunday Times" schätzte das Vermögen von Lynch und seiner Frau Angela Bacares zuletzt auf 500 Millionen Pfund, also umgerechnet gut 650 Millionen Dollar.
Die Segelyacht Bayesian gehörte Angela Barcares, der Frau des britischen Technologie-Unternehmers Mike Lynch.
Welche Motive verfolgt Hewlett-Packard?
Dass HPE seine Forderungen gegen Lynch weiterverfolgt und nun Geld von Lynchs Witwe will, die neben dem Tod ihre Mannes auch den Tod einer ihrer Töchter betrauert, ist nicht unumstritten. So soll der konservative Ex-Minister und Lynch-Freund David Davis nach einem Bericht der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" HPE zum Verzicht aufgefordert und vor einem Reputationsschaden gewarnt haben.
Allerdings stecken die HPE-Manager selbst in einem Dilemma. Denn als eine in den USA börsennotierte Firma hat HPE eine treuhänderische Verpflichtung, im besten Interesse der Anteilseigner zu handeln.
Vor diesem Hintergrund dürfte das Unternehmen die Forderungen gegen Lynch respektive seine Erben weiter verfolgen - solange die Aktionäre nicht anders entscheiden. Und dazu hätten sie wohl kaum einen Grund. Immerhin musste Hewlett-Packard auf den Deal wegen "Bilanzunregelmäßigkeiten" Abschreibungen in Höhe von 8,8 Milliarden Dollar vornehmen, der Aktienkurs brach prozentual zweistellig ein.
Wie passt das zu Lynchs kürzlichem Freispruch?
Tatsächlich wurde Mike Lynch erst im Juni, zwei Monate vor dem Unglück, von einer Jury in San Francisco in allen Anklagepunkten freigesprochen, nachdem er mehr als ein Jahr lang in den USA faktisch unter Hausarrest gestanden hatte. Dabei handelte es sich allerdings um einen vom britischen Verfahren abgetrennten Strafrechtsfall wegen Betrugs, den HP gegen Lynch angestrengt hatte.
Im Laufe des Verfahrens schob Lynch die Verantwortung für die Buchhaltung seiner Firma Autonomy auf seinen ehemaligen Finanzvorstand Sushovan Hussain, der bereits wegen Betrugs in den USA zu fünf Jahren Haft verurteilt worden war. Bei einer Verurteilung hätten Lynch mehr als 20 Jahre Gefängnis gedroht. Nach seinem Freispruch durfte er das Land wieder verlassen. Lynch wollte den Segeltörn mit der "Bayesian", der Luxusjacht seiner Frau, dazu nutzen, um gemeinsam mit Familie, Freunden und Anwälten seinen Freispruch in dem US-Prozess zu feiern.