Impfautarkie in Deutschland Nie wieder Impfstoffmangel?
Eine Taskforce soll dafür sorgen, dass es künftig keinen Impfstoffmangel mehr in Deutschland gibt. Wäre eine Impfautarkie dabei ein lohnendes Ziel - also die Unabhängigkeit von anderen Ländern in der Vakzin-Herstellung?
In den vergangenen Monaten sorgte die unzureichende Versorgung mit Corona-Impfstoffen für Verdruss in der Bevölkerung. Der Vakzin-Mangel bremste die Impfkampagne in Deutschland und führte immer wieder zu Diskussionen über die Reihenfolge der impfberechtigten Bevölkerungsgruppen. Die Bundesregierung beschloss zu handeln: Sie gründete eine Taskforce (engl. für Arbeitsgruppe).
Das Gremium wurde Ende Februar auf Entscheidung des Bundeswirtschaftsministeriums, des Bundesgesundheitsministeriums und des Bundesfinanzministeriums und in Abstimmung mit dem Bundeskanzleramt eingesetzt, heißt es dazu aus den Ministerien. Geleitet wird es von Christoph Krupp (SPD).
"Sichere Selbstversorgung"
Ziel der "Taskforce Impfstoffproduktion" sei es, ein Monitoring aufzusetzen, um in Zusammenarbeit mit den betroffenen Unternehmen gegenzusteuern, sollte es zu Engpässen in der Impfstoffproduktion kommen. Vom kommenden Jahr an solle "eine sichere Versorgung Deutschlands über eigene Produktionskapazitäten gewährleistet sein", sagte Krupp den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.
"Wir brauchen ein Netzwerk von Unternehmen, die die verschiedenen Produktionsschritte machen", unterstrich Krupp. Dabei müsse die gesamte Wertschöpfungskette in den Blick genommen werden: von der Rohstoffbeschaffung über die Abfüllung der Impfdosen bis zur Lieferung von Nebenprodukten und Impfzubehör.
"Global starke Position"
Würde das eine Art Impfstoff-Autarkie für Deutschland bedeuten - und ist das überhaupt sinnvoll? "Der Beitrag Deutschlands zur globalen Impfstoffproduktion gegen Covid-19 ist bereits sehr groß, Deutschland ist neben den USA, die allerdings weit überwiegend für den Eigenbedarf produzieren, eines der maßgeblichen Produktionsländer", erklärt Dr. Rolf Hömke, Senior Referent Kommunikation Forschung und Medizin beim Verband der forschenden Pharmaunternehmen (vfa).
"Viele Produktionsschritte für verschiedene Impfstoffe werden hierzulande durchgeführt unter Mitarbeit von Auftragsproduzenten wie etwa Rentschler, Dermapharm, IDT Biologika und vielen anderen." Auch bei Zutaten und Zubehör für die Impfstoffproduktion ist Deutschland laut Hömke global in einer starken Position.
Deutschland importiert Corona-Impfstoffe
Die Taskforce hat auch Europa im Blick. Die Europäer sollten nach Ansicht von Krupp ferner in der Lage sein, einen neuen Wirkstoff in einem Vierteljahr für die gesamte europäische Bevölkerung herzustellen. "Das wären 500 Millionen Impfdosen. Dazu sollte Deutschland einen kraftvollen Beitrag leisten."
Was die allgemeine Herstellung von Impfstoffen betrifft, verfügte Europa im Jahr 2019 nach Angaben der Fachgruppe Vaccines Europe über 76 Prozent der globalen Produktionskapazitäten. Bezüglich der Impfstoffe gegen Covid-19 werden viele Länder aus Deutschland heraus beliefert, aber Deutschland importiert auch Vakzine.
Denn es gibt hierzulande beispielsweise keine Anlage für den Moderna-Impfstoff, auch die Impfstoffe von Johnson & Johnson und AstraZeneca werden hier nur abgefüllt, nicht erzeugt. "Der Impfstoff von AstraZeneca soll allerdings in Deutschland künftig auch komplett produziert werden", erklärt vfa-Experte Hömke.
Autarkie wohl unmöglich
Ob eine echte Impfstoffautarkie für Deutschland denkbar wäre, ist indes zweifelhaft, denn jeder Impfstoff hat ein eigenes Rezept und benötigt eigene Zutaten. Nach Einschätzung von Hömke ist es deshalb nicht möglich, alles, was man für die Herstellung der verschiedensten Vakzine braucht, in Deutschland herzustellen.
Man brauche unterschiedliche Geräte, Verbrauchsmaterialien, Maschinen müssten fachgerecht gewartet werden, und dazu benötige man Ersatzteile: "Nur bestimmte Impfstoffe könnten in Eigenregie hergestellt werden."
"Am besten international denken"
Ohnehin ist es fraglich, ob eine echte Unabhängigkeit erstrebenswert ist. Hömke hält sie nicht für zielführend. Es gelte zu bedenken, dass man aktuell noch gar nicht weiß, welche Impfstoffe sich dauerhaft durchsetzen, welche wirksam bleiben und welche erfolgreich weiterentwickelt werden können.
"Vor diesem Hintergrund wäre es denkbar, dass etwa ein Impfstofftyp, den wir hierzulande autark herstellen können, sich bei der nächsten Epidemie als weniger geeignet erweist." Dann hätte man laut Hömke ein Problem, wenn man sich abgeschottet hat. "Deshalb ist es das Beste, in internationalen Maßstäben zu denken."
Ursprünglich war es geplant, dass die Taskforce im Monat Mai über Ergebnisse berichtet. Nach Informationen des mdr sei das Ziel jedoch wohl zu ehrgeizig gewesen. Wie eine Sprecherin des Bundeswirtschaftsministeriums (BMWi) dem mdr sagte, befinde sich das Konzept noch in der internen Abstimmung.