Beliebt, aber kaum noch produziert Das "Kleinwagen-Paradoxon"
Kleinwagen sind beliebt, werden aber immer weniger hergestellt. Ein Grund aus Sicht der Autobauer: Auflagen beim Umweltschutz. Experten warnen vor einem "Angebotsvakuum".
Dominique Klein manövriert ihren Dienstwagen durch die schmalen Straßen im Moselörtchen Veldenz in Rheinland-Pfalz. Keine leichte Aufgabe für die Mitarbeiterin eines ambulanten Pflegedienstes. Das liegt zum einen an den vielen Engstellen auf ihrer dreistündigen Tour - zum anderen am neuen Wagen: einem VW Polo. Früher nutzte der Pflegedienst ein kleineres Modell, ein VW Up. "Die Länge macht beim Polo schon einen Unterschied", sagt Klein. "Man muss mehr aufpassen, zum Beispiel beim Einparken und mit den engen Gassen."
Ende 2023 stellte VW die Produktion des Up ein. Als der Pflegedienst an der Mosel nun neue Autos anschaffen musste, blieb nur die größere Variante Polo. Doch der ist nicht nur rund einen halben Meter länger als der Up, sondern kostet auch schon mal 6.000 Euro mehr. Ein Elektro-Modell sei wiederum noch teurer und damit nicht erschwinglich, sagt Nina Benz, Leiterin des Pflegedienstes in Veldenz. Eine schwierige Gemengelage, nicht nur für Pflegedienste. Was ist das los auf dem Automobilmarkt?
"Angebotsvakuum" bei Kleinwagenmodellen
Viele Hersteller haben die Produktion von Kleinwagen inzwischen eingestellt. "Immer mehr Modelle in diesem Segment sind ausgelaufen, nicht nur bei VW, sondern zum Beispiel auch bei Ford", sagt Helena Wisbert, Professorin für Automobilwirtschaft an der Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaft.
Ein ausschlaggebender Grund sind politische Vorgaben. Denn Autos dürfen in den kommenden Jahren immer weniger C02 ausstoßen, das sehen etwa die so genannten Flottengrenzwerte innerhalb der EU vor. Doch: Die Umstellung der Technik, beispielsweise der Einbau von besseren Filtersystemen gegen Ruß und Feinstaub bei Diesel-Autos, ist bei Kleinwagen aus Sicht der Hersteller unrentabel. "Es ist nicht mehr wirtschaftlich, diese kleineren Autos herzustellen, weil durch höhere Anforderungen und Umweltstandards ein neuer Kostenblock hinzugekommen ist", sagt Automobilexpertin Wisbert. Und diese Kosten könnten gerade bei kleinen Modellen nicht einfach eins zu eins weitergegeben werden. Die Folge: "Es entwickelt sich ein Angebotsvakuum."
Nachfrage und Preise bleiben hoch
Davon berichtet auch der ADAC in einer Analyse zum Schwund der Kleinwagen: "Schon das Erreichen der aktuellen Euro-6-Abgasnormen wäre bei diesen Modellen mit hohen Entwicklungskosten verbunden gewesen, die sich über Verkäufe nicht amortisiert hätten", schreibt der Verkehrsclub. Die strenger werdenden Vorgaben für den Schadstoffausstoß haben danach wohl auch in Zukunft Konsequenzen: "Die für Mitte 2025 anstehende Euro-7-Norm dürfte das Ende für weitere Modelle bedeuten."
Kleinwagen sind also zunehmend unrentabel - aber auch unbeliebt? Keinesfalls, berichtet Heiko Schmitt, Autohändler aus Kirschweiler im Hunsrück - ganz im Gegenteil: "Ein gebrauchter Kleinwagen steht meistens nicht einmal eine Woche hier auf dem Hof", erzählt der Händler. Mitunter verkaufe er die kleinen Modelle bis ins rund 500 Kilometer entfernte Sachsen. Die Nachfrage ist enorm - und das spiegelt sich nach Angaben des ADAC auch bei den Preisen wider: Im Jahr 2023 kostete ein Kleinwagen mit Verbrennungsmotor im Durchschnitt rund 20.500 Euro. Das sind rund 2.000 Euro mehr als im Vorjahr und 7.000 Euro mehr als noch vor fünf Jahren.
Günstigere E-Autos noch nicht auf dem Markt
Einerseits seien die immer sauberer werdenden Autos natürlich sinnvoll, sagt Stefan Bratzel, Direktor des Center of Automotive Management, im Gespräch mit dem SWR. Andererseits: "Die Folgen muss man abwägen gegen immer höhere Preise und die Erschwinglichkeit, wenn sich bestimmte soziale Gruppen kein Fahrzeug mehr leisten können - und nicht mehr gut zu ihrem Arbeitsplatz kommen."
Wird mit der zunehmenden Zahl an E-Autos alles besser? Spätestens bis 2035 dürfen in der EU keine neuen Verbrenner mehr zugelassen werden. Expertin Wisbert erwartet, dass vor allem Autobauer aus China noch stärker in das Segment der vergleichsweise günstigen, kleineren E-Autos drängen werden. Einige hätten entsprechende Modelle auch schon im Portfolio. "Hersteller wie BYD sind besonders aggressiv im Preiskampf", sagt Wisbert.
In Europa wollen beispielsweise Renault und VW Elektroautos für rund 25.000 Euro auf den Markt bringen. Doch günstigere Stromer zu finden, bleibt schwierig. Bislang fahren viele Hersteller nach Sicht des ADAC eine "Hochpreis-Strategie" - eben auch bei den Elektro-Modellen. Bis auf weiteres gilt also: Wer einen bezahlbaren Kleinwagen sucht, egal mit welchem Antrieb, bleibt häufig auf der Strecke.