Erntebilanz 2022 Zwischen Dürreschäden und Rekordernten
Die anhaltende Dürre hat die Ernten vieler Bauern einbrechen lassen. Besonders bei Mais und Kartoffeln klagen Landwirte über Verluste. Das könnten auch die Verbraucher bald zu spüren bekommen.
Sein Mais bekommt in diesem Jahr nicht mehr genug Wasser aus dem Brandenburger Boden. "Der ist hier, obwohl wir am Wochenende ordentlich Niederschlag hatten am Freitag und Sonnabend, schon wieder total ausgetrocknet", erklärt Landwirt Hans-Joachim Deter auf einem seiner Felder im Neuruppiner Ortsteil Wulkow im Landkreis Ostprignitz-Ruppin. "Hier oben ist schon alles wieder Asche und die Pflanzen, die haben natürlich extrem gelitten, die sind hier ja nicht mal einen Meter hoch - vom Kolben gar nicht zu sprechen."
In seiner Hand hält der Agraringenieur einen kahlen Maishalm. "Hier sind keine Kolben dran an den Pflanzen", meint der Bauer, dessen Familie die Felder seit Jahrhunderten bewirtschaftet. Ein anderer Kolben sei nur rund ein Zehntel so groß wie sonst.
Regional große Unterschiede
In seiner aktuellen Erntebilanz bestätigt der Deutsche Bauernverband, dass die Probleme des Brandenburger Landwirts bundesweit existieren. "Ein großer Unsicherheitsfaktor ist in diesem Jahr die zu erwartende Erntemenge beim Körnermais", so Bauernverbandspräsident Joachim Rukwied. "Dieser hat in vielen Regionen massiv unter der Trockenheit der letzten Wochen gelitten."
Die Ernte in Deutschland sei in der Summe unterdurchschnittlich und enttäuschend, bilanziert der Cheflobbyist der Landwirte. "Die Ernteerträge sind sehr unterschiedlich", ergänzt er aber. Von Nordrhein-Westfalen über Schleswig-Holstein bis nach Mecklenburg-Vorpommern und in Alpennähe hätten die Bauern eine "überdurchschnittliche Ernte einfahren können - und alles, was dazwischen liegt, ist äußerst unterdurchschnittlich, beispielsweise in Sachsen-Anhalt - eigentlich eine Kornkammer in Deutschland". Dort sei vor allem die Weizenernte deutlich zurückgegangen.
Verluste bei der Kartoffelernte
Von seinem Getreide hat der Brandenburger Bauer Deter nach eigenen Angaben in dieser Saison fast ein Drittel verloren. Bevor er mit der Kartoffelernte startet, gräbt er ein paar Knollen mit Hand und Harke aus der Erde. "Die sind auf jeden Fall halb so groß wie sonst", meint er, als er die Kartoffeln sieht. "Und sie sind teilweise so klein, dass sie durch die Siebkette fallen."
30 bis 35 Millimeter messen die Lücken zwischen den Siebketten seiner Erntemaschine. Doch er ist überzeugt, dass genügend Kartoffeln hängen bleiben. Deshalb lässt er seine Helfer die Erntemaschine auf dem ersten Feld anschmeißen. Doch das Band, auf dem die Kartoffeln von diesem Hektar Land in die Erntekörbe fallen, ist bisher nur halb so voll wie im Vorjahr. "Es wird auf jeden Fall einiges fehlen - am Monatsende", klagt Deter.
Viele Kartoffeln sind zu klein und fallen durchs Sieb - auch das eine Folge der Trockenheit.
Ernüchternde Bilanz
Selbst für erfahrene Erntehelfer ist die erste Bilanz ernüchternd. Aber: "Das ist eben so, wenn es trocken ist", meint Siegunde Herrmann, die seit mehr als 30 Jahren in dem Wulkower Familienbetrieb arbeitet: "Dann sind es eben mehr Pellkartoffeln."
Seine Kartoffeln verkauft der Brandenburger Landwirt unter anderem an Kundinnen und Kunden auf seinem Hof und an Gaststätten in Neuruppin. Noch hat er den Preis für diese Abnehmer nicht erhöht. "Die meisten Kartoffeln gehen zur Stärkefabrik. Da ist der Preis auch noch ein Fragezeichen, weil Dünger und Diesel wesentlich teurer geworden sind", sagt der Landwirt.
Preise für Verbraucher könnten steigen
Auf höhere Preise weist auch der Bauernverbandspräsident bei seiner Erntebilanz hin. "Wir gehen davon aus, dass die Verbraucherpreise stabil bleiben, in der Tendenz möglicherweise noch steigen", erklärt Joachim Rukwied: "Wir Bauern brauchen schlichtweg höhere Preise, um überhaupt noch wirtschaften zu können."
Denn deutsche Bauern hätten mit einer Kostenexplosion zu kämpfen: "Die Düngemittelpreise haben sich vervierfacht, die Energiepreise verdoppelt, die Futterpreise sind deutlich angestiegen." Viele Bauern griffen bereits auf ihre Wintervorräte zurück, um ihre Tiere füttern zu können - auch auf Grund der Dürre.
Teures Futter verschärft Druck
Im brandenburgischen Wulkow reichen Deters Futtervorräte momentan für seine 5000 Schweine, darunter Ferkel, Sauen und Zuchteber. "Aber die Preise für Tierfutter sind um bis zu 80 Prozent gestiegen", erzählt der Landwirt: "Das ist enorm." Deswegen habe er seinen Sauenbestand fast halbiert - auf 500 Tiere: "Das ist eine Notlösung, die wir nicht so vorhatten." Von den Erlösen für das Schweinefleisch habe er das Futter aber nicht mehr finanzieren können.
"Wo landen wir im nächsten Jahr?" fragt er sich ständig. "Bauen wir im nächsten Jahr noch in dem Umfang Kartoffeln an? Das ist noch nicht sicher." Auch für Getreide muss er auf Grund stark schwankender Weltmarktpreise neu kalkulieren. Der Landwirt hat aber Verträge mit festen Preisen abgeschlossen. Deswegen will er in Zukunft wieder Felder künstlich bewässern, obwohl auch das Geld kostet. "Wenn man das im Prinzip ohne Beregnung betreibt, dann kann man die Verträge nicht erfüllen. Dann rechnet sich da nichts mehr", sagt er. Noch müssen Behörden aber genehmigen, dass er Wasser aus einem Brunnen für seine Felder holen darf. Denn der fehlende Regen lässt auch den Grundwasserspiegel sinken.