Milliardeninvestition von Pharmakonzern Lilly sorgt für gute Stimmung in Alzey
Der US-amerikanische Pharmariese Lilly baut im rheinland-pfälzischen Alzey eine High-Tech-Produktionsstätte. Am Nachmittag ist der Spatenstich. Das Leben in der Kleinstadt steht Kopf.
Alzey ist ein beschaulicher kleiner Ort in Rheinhessen: südlich von Mainz gelegen, umgeben von Weinbergen. Ein Idyll mit Fachwerkhäusern, Weingütern, aber auch mit guter Verkehrsanbindung. Hier kreuzen sich A61 und A63, westlich und östlich des Ortes führen riesige Autobahnbrücken vorbei. Die Menschen, die in der Region leben, behaupten gerne, dass man hier das Leben leichter nimmt als in anderen Teilen der Republik. Traditionell wird das mit der lieblichen Landschaft und dem Wein erklärt.
Seit klar ist, dass der US-amerikanische Pharmariese Lilly in der Stadt Milliarden investieren will, ist die Laune zahlreicher Alzeyer noch besser. In Gesprächen auf dem Marktplatz, in Cafés oder Kneipen geht es häufig um die Ansiedlung von Lilly im Industriegebiet Ost. Bei den meisten überwiegt die Begeisterung - so wie bei Ruth Hammer.
"Klar, da ist man schon stolz, wenn Alzey auch mal berühmt wird, weil so ein globaler Investor sich hier niederlässt", sagt die Rheinhessin. "Und dass es die Stadt auch hinbekommen hat, die Voraussetzungen dafür zu stemmen." Hammers Bekannter Siegfried Schwarz nickt zustimmend. Er hofft, dass durch die Ansiedlung von Lilly viele Arbeitsplätze entstehen und die Stadt mehr Steuern einnimmt. Alzey sei bislang auch eher chronisch klamm.
Projekt der Superlative
Die Nachricht, dass sich mit Lilly einer der größten Pharmakonzerne der Welt in Rheinhessen niederlässt, schlug im vergangenen Herbst hohe Wellen. 2,3 Milliarden Euro Investition, 1.000 neue Arbeitsplätze. Lilly will in Alzey nach eigenen Angaben vor allem Medikamente herstellen, die gespritzt werden. Darunter könnte unter anderem eine so genannte Abnehmspritze sein. Dieses Medikament für Menschen mit Diabetes und Fettleibigkeit ist gerade weltweit sehr gefragt. Ein Wachstumsmarkt.
Die Begeisterung über Lillys Investitionsentscheidung in Deutschland ist auch bei Politikern groß - auf kommunaler, Landes- und Bundesebene. Immer wieder ist zu hören: "Endlich mal etwas Positives in wirtschaftlich herausfordernden Zeiten!" 2027 will Lilly mit der Produktion in Alzey beginnen. Beim symbolischen Spatenstich sind deshalb auch Bundeskanzler Olaf Scholz und Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach dabei.
Viel Ehr, viel Arbeit
Für den Bürgermeister von Alzey, Steffen Jung (SPD), bringt die Lilly-Ansiedlung nicht nur jede Menge Lob und Aufmerksamkeit mit sich, sondern auch viel Arbeit - und das auf ganz verschiedenen Ebenen. Das Industriegebiet Ost, in dem Lilly auf 30 Hektar bauen wird, wurde zwar schon vor einigen Jahren erweitert; der Bebauungsplan musste zuletzt aber immer wieder auf die Bedürfnisse des Pharmagiganten angepasst werden.
Die Abstimmung mit einem internationalen Konzern ist für Jung und die meisten seiner Mitarbeitenden absolutes Neuland. Nicht nur, weil vieles auf Englisch läuft und Videoschalten - auch mit deutschen Spitzenpolitikern - nicht selten aus Zeitgründen auch mal nachts stattfinden müssen. Hinzu kommt der hohe Zeitdruck. Lilly möchte so schnell wie möglich mit der Produktion in Alzey beginnen. Die ersten Gespräche zwischen der Stadt und dem Unternehmen fanden vor nicht mal einem Jahr statt.
Alzeys Bürgermeister Steffen Jung (rechts) hat seit einem Jahr alle Hände voll zu tun.
Wohnraum und Kita-Plätze
Und dann müssen Jung und sein Team auch noch dafür sorgen, dass zusätzliche Kita- und Schulplätze entstehen und neuer Wohnraum geschaffen wird. Die von Lilly angepeilten 1.000 Beschäftigten und ihre Familien müssen schließlich irgendwo leben; ihre Kinder betreut und unterrichtet werden. Kein leichtes Unterfangen, schließlich gibt es schon jetzt in Alzey kaum Leerstand. Die Stadt liegt zwischen den Ballungszentren Rhein-Main und Rhein-Neckar.
Die große Herausforderung für Jung und sein Team liegt im Moment deshalb darin, die Weichen zu stellen, ohne zu wissen, wie viel zusätzlicher Wohnraum wirklich gebraucht wird. Der Kommunalpolitiker geht davon aus, dass auch viele Alzeyer, die bislang zum Beispiel in Ludwigshafen, Mannheim, Mainz oder Frankfurt arbeiten, in Zukunft für Lilly tätig sein werden.
Jung sagt, im Moment sei es ein bisschen der Blick in die Glaskugel, wie viel zusätzlicher Wohnraum am Ende deshalb tatsächlich benötigt wird. Dennoch: Überlegungen, welche Flächen als Neubaugebiete ausgewiesen werden könnten, laufen. Nicht nur in Alzey, sondern auch in Nachbargemeinden.
Bürgerinitiative jubelt
Womit Bürgermeister Jung derzeit hingegen eher weniger zu tun hat, sind Proteste gegen die Ansiedlung von Lilly. Und das, obwohl sich wegen der Erweiterung des Industriegebietes Ost vor einigen Jahren Bürger extra zu einer Interessensgemeinschaft zusammengeschlossen hatten: der IG Holzweg. Die Initiatoren fürchteten unter anderem eine Verschandelung der Landschaft, viel Lärm und Probleme mit dem Hochwasserschutz wegen der Versiegelung von Flächen. Eine weitere Sorge war, dass die Anwohner zwar mit den negativen Folgen der Erweiterung leben müssten, dass sich im Industriegebiet aber nur Firmen ansiedeln, die kaum neue Arbeitsplätze schaffen.
Über Jahre hinweg begleitete die Bürgerinitiative die Erweiterungspläne kritisch. Durch die Ansiedlung des Pharmakonzerns Lilly sieht sie ihre wesentlichen Bedenken allerdings ausgeräumt. IG Holzweg-Mitglied Christoph Meurer bezeichnet Lilly gar als "Glückfall" für Alzey. Das große und finanziell gut aufgestellte Unternehmen könne der Stadt und der ganzen Region großen Nutzen bringen - nicht nur wirtschaftlich, sondern beispielsweise auch beim Thema Hochwasserschutz. Außerdem sei mittlerweile klar, dass es größere Renaturierungs- und Ausgleichsflächen geben werde als ursprünglich geplant.
Und so dominieren in Alzey in Sachen Lilly-Ansiedlung derzeit Harmonie und Zuversicht - ein Zustand, der im Zusammenhang mit industriellen Großprojekten eher selten ist. Damit das so bleibt, wollen der US-Pharmariese und die Stadt einiges tun. Im Herbst soll es ein Fest für alle geben, außerdem wird in der Innenstadt ein Bürgerbüro eingerichtet, in dem sich Interessierte über den Fortgang der Arbeiten informieren können.