Milliarden-Investition Eli Lilly will Abnehmspritze in Deutschland herstellen
Das Geschäft mit Abnehmspritzen boomt. Der US-Pharmakonzern Eli Lilly steht mit einem eigenen Präparat in den Startlöchern - und will auch von Deutschland aus den europäischen Markt erobern.
Eli Lilly will ein neues Werk im rheinland-pfälzischen Alzey errichten. Das gab das Unternehmen heute bekannt. Dort will der US-Pharmakonzern unter anderem seine Abnehmspritze Zepbound für den deutschen und europäischen Markt herstellen. 2,5 Milliarden Dollar will der Konzern, der zu den weltweit größten Pharmaunternehmen gehört, in das Werk investieren, bis zu 1000 Menschen sollen dort ab 2027 beschäftigt sein.
"Diese Investition bestärkt die Bundesregierung in ihren Bemühungen, den Pharmastandort Deutschland wieder attraktiver zu machen", sagte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach. Wirtschaftsminister Robert Habeck sprach von einer guten Nachricht für den Standort. Subventionen erhält der US-Konzern für seine Ansiedlung nicht.
Stark wachsendes Geschäft
Die Investition von Eli Lilly dürfte sich lohnen. Denn der Markt für Abnehmspritzen wächst rasant. Der dänische Hersteller Novo Nordisk ist mit seinem Abnehm-Präparat Wegovy das wertvollste europäische Unternehmen geworden, noch vor Nestlé und dem Luxusgüterkonzern LVMH.
Auch Warnungen von Medizinern vor bislang unbekannten oder nicht erforschten Nebenwirkungen der Abnehm-Präparate führen bisher nicht zu einem Abbruch des Erfolgs. Analysten der US-Investmentbank Goldman Sachs schätzen, dass sich die Umsätze mit Abnehmpräparaten bis zum Jahr 2030 versechzehnfachen könnten: von aktuell rund sechs Milliarden auf 100 Milliarden Dollar. Die Schätzung basiert unter anderem auf der Zahl der Menschen, die wegen Adipositas für eine Behandlung mit den Präparaten in Frage kommen.
Konkurrenz mit Novo Nordisk
Mit ihrem neuen Produkt Zepbound will Eli Lilly dem Konkurrenten Novo Nordisk die Marktführerschaft streitig machen. Laut Eli Lilly führt Zepbound schneller zu einer größeren Gewichtsabnahme als das Konkurrenzprodukt Wegovy. Die Goldman-Sachs-Analysten rechnen damit, dass sowohl Eli Lilly als auch Novo Nordisk die dominierenden Hersteller für diesen Typus Medikamente werden.
Auch der deutsche Hersteller Boehringer Ingelheim versucht, von dem Hype um hormonbasierte Abnehmpräparate zu profitieren. Im August gab das Unternehmen bekannt, dass sein Wirkstoff Survodutid in Phase-III-Zulassungsstudien erprobt werde.
Zepbound wartet in EU noch auf Zulassung
Aktuell ist Zepbound noch nicht in der EU und den USA erhältlich, aber startklar für den Markteintritt. Es soll Ende des Jahres in den USA zu kaufen sein, nachdem die US-Arzneimittelbehörde die Zulassung Anfang November erteilte.
In der EU muss die Kommission das Präparat zum Abnehmen noch genehmigen. Die europäische Arzneimittelbehörde EMA hat sich jedoch bereits für die Zulassung ausgesprochen. Das Eli-Lilly-Präparat "Mounjaro", das denselben aktiven Wirkstoff wie "Zepbound" hat - Tirzepatid -, ist sowohl in der EU als auch den USA bereits als Diabetes-Typ-2-Medikament zugelassen.
Erster Hersteller von kommerziellem Insulin
Eli Lilly wandelt mit der neuen Abnehmspritze auf Hormonbasis auf traditionsreichen Pfaden. Vor 100 Jahren brachte das amerikanische Unternehmen das erste kommerzielle Insulinpräparat auf den Markt. Das Diabetes-Medikament Trulicity war im vergangenen Jahr das umsatzstärkste Produkt des Herstellers, gefolgt von Verzenios, einem Medikament gegen fortgeschrittenen Brustkrebs.
In der Vergangenheit hatte es immer wieder Kritik an dem Konzern gegeben. Die "New York Times" warf Eli Lilly vor, über mehrere Jahre die Gesundheitsrisiken seines meistverkauften Medikament gegen Schizophrenie, Zyprexa, herunterzuspielen. Das Unternehmen wehrte sich vehement dagegen. Allerdings kassierte das Unternehmen 2009 die bis dato größte individuelle Unternehmensstrafe in der Geschichte der USA in Höhe von 515 Millionen Dollar. Dabei ging es um unerlaubte Werbung für Zyprexa.
Lilly in Deutschland bisher nur mit kleinem Standort
Die Investition des US-Konzerns, der hierzulande als "Lilly Deutschland" auftritt, stärkt den Pharmastandort Deutschland: Bislang war das Unternehmen hierzulande mit etwa 1.000 Beschäftigten vertreten. Produziert oder geforscht wurde in Deutschland gar nicht. Der bisher einzige deutsche Standort Bad Homburg ist allerdings laut Unternehmensangaben "einer der führenden europäischen Standorte bei der Durchführung klinischer Studien". Deutschland gilt als einer der wichtigsten Absatzmärkte für die Pharmaindustrie.
Der Geschäftsführer des "House of Pharma" an der Goethe-Universität Frankfurt, Otto Quintus Russe, lobt Eli Lilly als innovatives Unternehmen. Es seien eine Reihe vielversprechender Medikamente in der Pipeline. "Das Unternehmen setzt stark auf Forschung und hat in der jüngsten Vergangenheit eine Reihe richtiger Entscheidungen getroffen." Das zeigt sich auch im Börsenkurs: Der hat sich in den letzten sechs Jahren fast versechsfacht.
Für Russe ist die Ansiedlung in Deutschland dennoch eine große Überraschung, denn "zuletzt ist Deutschland nicht unbedingt durch gute Standortbedingungen für die Pharmabranche aufgefallen". Er erhoffe sich davon positive Signale, sagte Russe.