Vinyl-Boom in Musikbranche Adele-Album sorgt für Stau in Presswerken
Vinyl-Schallplatten erleben ein Comeback. Die Presskapazitäten können mit der Nachfrage nicht mithalten. Für internationale Künstler wird das zum Problem, wie das aktuelle Adele-Album zeigt.
Sechs Jahre dauerte es nach dem Erscheinen ihres vorangegangenen Albums, bis die britische Sängerin Adele nun ein neues Album auf den Markt brachte. Am 19. November dieses Jahres wurde ihr viertes Album veröffentlicht - mit dem Titel "30". Es stürmte sofort die internationalen Charts und stand unter anderem in Deutschland, Großbritannien sowie den USA auf Platz eins.
In den US-amerikanischen "Billboard-Charts" hält sich "30" nun seit vier Wochen auf dem ersten Platz der meistverkauften Alben. Auch die Vinyl-Charts führt es an: Bereits 234.000 Schallplatten wurden nach Angaben von "Billboard" allein in den USA verkauft. Damit dürfte "30" das erfolgreichste Vinyl-Album 2021 werden. In Deutschland startete es ebenfalls erfolgreich und steht derzeit auf Platz zwei der Vinyl-Charts.
Was der Britin wohl wie ein vorgezogenes Weihnachtsgeschenk vorkommt, ist für andere Künstler ein ziemlich großes Problem. Denn Adele gab für den Verkauf ihres Vinyl-Albums eine Großbestellung auf: Nach Angaben der Branchenseite "Variety" ließ ihre Produktionsfirma Sony mehr als 500.000 Schallplatten pressen, um die Nachfrage bedienen zu können.
Absatz von Vinylplatten steigt seit Jahren
Das hat Auswirkungen auf die gesamte Musikbranche: Der britische Superstar Ed Sheeran musste wegen Adeles Großbestellung und der blockierten Produktionskapazitäten sein neues Album "Equals" früher als ursprünglich geplant fertigstellen. Sonst hätte er zum Release seines vierten Studioalbums überhaupt keine Vinyl-Platten verkaufen können. "Es gibt gefühlt nur drei Produktionsstätten auf der ganzen Welt für Vinylplatten. Deshalb muss man das ziemlich weit im Voraus anmelden. Adele und ihr Team hatten schon alles ausgebucht", sagte der Sänger kürzlich in einer australischen Radiosendung.
Der Absatz von Vinyl-Schallplatten geht derweil seit Jahren nach oben. Daten des Bundesverbands der Musikindustrie (BVMI) und von GfK Entertainment zeigen, dass im vergangenen Jahr in Deutschland rund 4,2 Millionen Schallplatten verkauft wurden - ein Plus von mehr als 20 Prozent im Vergleich zum Jahr 2019. Auch die Zahl der verkauften Abspielgeräte stieg zuletzt deutlich: Im ersten Halbjahr 2021 wurden in Deutschland 63.000 Plattenspieler verkauft. Schon länger erlebt Vinyl also ein Comeback, die Schallplatten werden immer beliebter.
Florian Drücke, BMVI-Vorstandsvorsitzender, findet das noch immer überraschend. "Vinyl ist mit einem Umsatzanteil von 5,5 Prozent mittlerweile wieder das drittstärkste Format im Gesamtmarkt für Musikverkäufe. Die Dynamik, die wir hier seit inzwischen 14 Jahren sehen, ist ungebrochen und für viele angesichts der omnipräsenten digitalen Nutzungsformen immer wieder verblüffend", sagte er zur Veröffentlichung der Zahlen im Sommer.
Kapazitäten kleiner als die Nachfrage
Laut "Billboard" wurden 2020 weltweit rund 160 Millionen Schallplatten gepresst. Im laufenden Jahr könnte die Zahl noch einmal deutlich darüber liegen. Weitaus größer ist jedoch die Nachfrage. "Billboard" schätzt, dass sie "irgendwo zwischen 320 Millionen und 400 Millionen" Schallplatten liegt.
Mit diesem enormen Interesse können die wenigen Hersteller, die weltweit Vinylplatten produzieren, nicht mithalten. Schon vor der Pandemie hatte die Nachfrage das Angebot an Presskapazitäten weit überstiegen. Auch Adele hatte bemängelt, dass man mittlerweile ein halbes Jahr vor Veröffentlichung des Albums Vinyl-Produktionen anmelden müsse.
Lieferengpässe belasten Situation zusätzlich
Weltweit gibt es nur begrenzte Kapazitäten für die Herstellung von Schallplatten. In Europa stellen gerade einmal fünf größere Firmen die Vinylplatten her. Eine davon ist "optimal media", ein deutsches Medienunternehmen mit Hauptsitz in Röbel/Müritz. Auch dort ist das Comeback der Schallplatte zu spüren. "Die Nachfrage zur Produktion von Schallplatten ist nach wie vor sehr hoch und unsere Produktionskapazitäten sind schon weit voraus sehr gut ausgelastet," sagte Petra Funk, Sprecherin von "optimal media", auf Anfrage von tagesschau.de.
Das Unternehmen hat in Röbel einen Standort, an denen jährlich 40 Millionen Schallplatten hergestellt werden. "Der reine Pressvorgang für eine Schallplatte dauert circa 25 Sekunden. Bevor es dazu kommen kann, sind jedoch noch etliche andere Schritte und somit auch mehr Zeit notwendig", so Funk. Auch andere Firmen arbeiten bereits an der Kapazitätsgrenze: "Produktionskapazitäten laufen voll ausgelastet, interne Prozesse sind bestmöglich optimiert sowie Investitionen in neue Maschinen getätigt", sagte Christiane Wakulat, Key Account Manager von MPO, einem der führenden Hersteller von Ton- und Datenträgern, jüngst der "Musikwoche".
Neben der hohen Nachfrage verschärfen darüber hinaus externe Faktoren die aktuelle Situation weiter. Die Rohstoffknappheit und die damit einhergehenden Lieferengpässe verstärken das Problem zusätzlich. Wann sich die Situation entspannt, ist derzeit nicht abzusehen.