Aufbauarbeiten am Stand von BYD auf der Mondial de l'Auto 2022, Paris

Deutscher Markt Chinas Autobauer in den Startlöchern

Stand: 17.10.2022 15:52 Uhr

Für Chinas Autobauer wird der deutsche und der europäische Markt immer attraktiver. Konzerne wie BYD, Nio oder Great Wall Motors wittern auf dem Pariser Autosalon ihre Chance, im Bereich E-Mobilität Marktanteile zu erobern.  

Von Thomas Spinnler, tagesschau.de

Der Pariser Autosalon ist in der Krise. Fast alle berühmten Marken der Autobranche haben abgesagt. BMW, Volkswagen und Audi werden nicht dabei sein, Ford, Toyota, Hyundai oder Fiat verzichten auch. Mercedes hat lediglich einen Auftritt im Umfeld der Messe. Aus Frankreich wird Renault dabei sein und die Stellantis-Marken Peugeot, DS sowie Jeep. Aus China sind immerhin die beiden Konzerne BYD und Great Wall Motors präsent.     

Für die beiden Konzerne aus China ist die Gelegenheit, beim Pariser Autosalon in der europäischen Öffentlichkeit Aufmerksamkeit zu erzeugen, also nicht schlecht. Und darauf kommt es ihnen an, denn Chinas Autobauer richten den Blick immer stärker auf den deutschen Markt.

Technologisch konkurrenzfähig

Das Tor, das die chinesische Industrie öffnen möchte, ist aus deutscher Sicht ausgerechnet moderne Technologie. Sie galt bislang immer als ein wesentliches Argument für die hiesigen Hersteller - und als Vorsprung, der von Branchen-Newcomern schwer einholbar ist. "Mit dem Wandel der Branche hin zur E-Mobilität sehen die chinesischen Autobauer ihre Chance, nach Europa zu expandieren", sagt Automobil-Experte Ferdinand Dudenhöffer.

In Elekro-Segment ist es Chinas Autoindustrie tatsächlich gelungen, den viel zitierten "Vorsprung durch Technik" der bekannten Marken zu schwinden zu lassen. Experten zufolge sind ihre Chancen, sich auf dem Markt zu etablieren, deshalb sehr gut, da die Produkte mittlerweile konkurrenzfähig seien und den eigenen Markt bereits dominierten.    

Innovationsstarke chinesische Unternehmen

Das beweist auch der aktuelle Electromobility Report 2022 des Center of Automotive Management (CAM). Die Studie untersucht die Innovationsstärke der Automobilkonzerne. An der Spitze bleibt weiterhin Tesla, aber chinesische Konzerne wie BYD (Rang 3), Geely und SAIC liegen bereits in den Top Ten. Mit BAIC, Great Wall Motors, Nio und Xiaopeng zählen vier weitere chinesische Konzerne zu den besten 20.

Es erweise sich, dass die innovationsstarken Automobilhersteller im Bereich batterieelektrischer Fahrzeuge auch zu den Marktführern der E-Mobilität zählen, so Stefan Bratzel, Direktor des CAM, zu den Ergebnissen der Studie. Das gelte auch für chinesische Automobilhersteller, die jetzt in Europa den Marktzugang suchten. Die neuen Player werden laut Bratzel zu ernstzunehmenden Wettbewerbern für die etablierten Automobilhersteller.

Bessere Chancen bei günstigen Modellen

Wie ernst es die chinesische Konkurrenz meint, zeigen auch die Nachrichten der vergangenen Tage. Der Autovermieter Sixt hatte mitgeteilt, dass er Elektroautos des führenden chinesischen Autobauers BYD in sein Angebot nehme. Rund 100.000 E-Autos dieser Marke sollen es in den kommenden Jahren werden. Bis 2030 sollen 70 bis 90 Prozent der Flotte elektrisch unterwegs sein - auch mit chinesischer Hilfe. Der Autobauer Nio drängt jetzt ebenfalls auf den deutschen Markt. Anders als beispielsweise in Norwegen kann man die Elektroautos in Deutschland aber noch nicht kaufen; Verbraucher können die Modelle ET7, EL7 und ET5 immerhin mittlerweile mieten.

Chinesische Autobauer seien in Europa nicht besonders angesehen, vor allem nicht im Premiumsegment, meint Lihong Qin, Präsident und Mitbegründer von Nio gegenüber der Nachrichtenagentur Bloomberg. Das sei eine Herausforderung. "Wir wissen, dass wir etwas bewegen können, aber wir müssen es beweisen", so Qin. Allerdings räumen Branchenbeobachter ohnehin weniger den chinesischen Premiummodellen als vielmehr den kompakten und günstigeren Versionen Chancen auf dem Markt ein. Vor allem über den Preis könne China punkten, da der Vorsprung der etablierten Konzerne wie BMW, Audi oder Mercedes im Premiumsegment einfach noch zu groß sei.

Zu viel Premium

In Europa hätten sich viele Autobauer auch im Elektrobereich vor allem auf Premiummodelle fokussiert und auf Segmente, in den denen die Sensibilität für hohe Preise gering sei, schreibt Jato, ein US-Beratungsunternehmen für die Autoindustrie, in einer aktuellen Analyse. Hochpreisige Modelle versprechen bessere Gewinnmargen. Aber auch angesichts der konjunkturellen Lage können sich immer weniger Verbraucher die Fahrzeuge leisten.       

Die Jato-Studie zeigt, dass es die chinesischen Konzerne in den vergangenen Jahren geschafft haben, die Preise für Elektrofahrzeuge seit 2015 deutlich zu senken. In den USA und Europa sind sie seitdem hingegen gestiegen. In China kostete ein Elektroauto laut Jato im ersten Halbjahr 2022 im Schnitt 31.829 Euro. In Europa sind es 55.821 Euro. Zudem sind Elektroautos in der Volksrepublik bereits billiger als Verbrenner.   

Die Fachleute von Jato stellen deshalb fest: Weder in den USA noch in Europa sei es den Autobauern gelungen, die Preise für Elektroautos an die Bedürfnisse der Verbraucher mit geringerem oder mittlerem Einkommen anzupassen. Deshalb bestehe jetzt das Risiko, dass China einen bedeutenden Marktanteil in diesem Segment erobere. Diese Chance wird China versuchen zu nutzen.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete BR24 am 04. Oktober 2022 um 14:39 Uhr.