Heizkosten für Landwirte Die Schweine und das teure Gas
Alle deutschen Schweineställe zusammen verbrauchen so viel Heizenergie wie eine Stadt in der Größe Braunschweigs. Das hat die Deutsche Umwelthilfe errechnet. Sie fordert, den Wärmebedarf in Schweineställen zu senken.
21 Millionen Schweine stehen in Deutschland in Ställen ohne Stroh, die mit externer Energie beheizt werden müssen. Rechnerisch sind dafür laut Deutscher Umwelthilfe jährlich 1,4 Milliarden Kilowattstunden Flüssiggas nötig. Das entspricht dem Heizenergiebedarf von 260.000 Menschen.
Weniger Schweine bedeuten auch mehr Tierwohl
Vor dem Hintergrund der drohenden Gasknappheit fordert die Umwelthilfe, dass landwirtschaftliche Betriebe in diesem Winter beim freiwilligen Abbau von Tierplätzen mit Heizbedarf finanziell unterstützt werden. Das Ziel müsse eine Reduzierung der Tierzahlen sein, nicht eine Reduzierung der Betriebe. Bei einem Umbau konventioneller Schweineställe zu tiergerechten Offenställen reduziere sich die Anzahl der Tiere, und die Haltung auf Stroh benötige keine externe Wärmezufuhr. Reinhild Benning von der Deutschen Umwelthilfe:
Praktisch könnte der Umbau so funktionieren, dass erstmal weniger Sauen gedeckt werden. Dadurch werden weniger Ferkel produziert, und im Anschluss können dann leerstehende Mastställe umgebaut werden. Betriebe, die sich vor dem Hintergrund der Gaskrise an einem Abbau der Tierplätze und damit einer Reduktion ihres Gasbedarfs beteiligen, sollten dafür eine Prämie erhalten.
Anschubfinanzierung reicht nicht aus
Agrarminister Cem Özdemir habe für den Umbau der landwirtschaftlichen Tierhaltung bereits eine Anschubfinanzierung in Höhe von einer Milliarde Euro für die Jahre 2023 bis 2026 gesichert, so eine Sprecherin des Bundeslandwirtschaftsministeriums gegenüber tagesschau.de. Das Ziel sei, Landwirtinnen und Landwirten eine langfristige staatliche Unterstützung zuzusichern, die ihre Ställe zugunsten von mehr Tierwohl- sowie Klima- und Umweltschutz umbauen. Der Umbau der Schweinehaltung sei der Sektor mit den derzeit größten Herausforderungen, so das Bundesministerium.
Ein Umbau der Tierhaltung ist Teil der Nutztierstrategie der Bundesregierung. Doch für eine Umsetzung dieser Strategie ist mehr Geld nötig, als bisher zugesagt. Das staatliche Thünen-Institut errechnete für unterschiedliche Szenarien einen Finanzbedarf bis 2040 von 2,5 bis 4,1 Milliarden Euro jährlich.
Viele Schweinehalter wollen Betrieb aufgeben
Für viele Schweinehalter sind Umbauprämien womöglich eine Chance, den Betrieb überhaupt erhalten zu können. Im September 2021 veröffentlichte die Interessengemeinschaft der Schweinehalter in Deutschland e.V. das Ergebnis einer Befragung von mehr als 1000 deutschen Sauenhaltern und Schweinemästern. Die Hälfte gab schon damals an, aufgrund der aktuellen Rahmenbedingungen in den kommenden zehn Jahren aus der Schweinehaltung auszusteigen.
Die aktuell hohen Gaskosten sind jetzt eine weitere Belastung für die Betriebe in einer wirtschaftlich bereits schwierigen Situation. Von 2012 bis 2022 nahm die Zahl der Schweinehaltungsbetriebe von gut 30.000 Betrieben auf knapp 18.000 Betriebe ab. Der Rückgang war mit 9,6 Prozent von 2021 auf 2022 besonders stark. Es lasse sich aber nicht konkret einschätzen, wie sich die gestiegenen Heizkosten auf die Schweinehaltung auswirkten, so eine Sprecherin des Landwirtschaftsministeriums gegenüber tagesschau.de. Das liege an weiteren Faktoren wie der Afrikanischen Schweinepest, der Corona-Krise, dem Brexit und dem Krieg in der Ukraine.
Hohe Gaspreise treffen Höfe unterschiedlich hart
Martin Schulz ist konventioneller Schweinehalter im niedersächsischen Quickborn. In der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft ist er zuständig für artgerechte Tierhaltung. Seine Schweine hält er auf Stroh und muss daher kein Geld für teures Gas ausgeben. "Da haben wir einen gewissen Vorteil, gar keine Frage", räumt er ein. Als die meisten Ställe gebaut worden seien - vor zwanzig Jahren -, habe der Preisdruck noch keine große Rolle gespielt. "Energie spielte ja aus Kostengründen über Jahrzehnte keine große Rolle, und das ändert sich sehr stark jetzt."
Die teure Energie ist vor allem ein Problem für Sauenhalter, weil die Ferkel sehr viel Wärme brauchen. Tobias Schütte aus Uelzen in Niedersachsen hat einen konventionellen Stall und züchtet 9000 Ferkel pro Jahr. Er betreibt für die Wärmeerzeugung ein effizientes Blockheizkraftwerk mit Flüssiggas. Sein Gastank fasst 4800 Liter. Pro Liter hat er im vergangenen Jahr zwischen 30 und 40 Cent gezahlt, heute sind es 62 Cent. Für jedes Ferkel habe er jetzt fünf Euro höhere Energieausgaben, so Schütte gegenüber tagesschau.de. Für seinen Betrieb heiße das, dass er in diesem Jahr mit 45.000 Euro zusätzlichen Betriebskosten konfrontiert sei.
Dass wegen dieser hohen Kosten viele konventionelle Schweineställe noch im kommenden Winter zur Stroh-Ställen umgebaut werden, hält er aber nicht für möglich. "Das sind viel zu kurze Zeiträume und die Summen, die da fließen müssen, die sind immens. Das kann man sich gar nicht vorstellen."