Betrugsverdacht in China Umweltbundesamt verweigert CO2-Zertifikate
Wegen Betrugsverdachts in China hat das Umweltbundesamt deutschen Konzernen die Ausstellung von Klimazertifikaten verweigert. Bei acht Klimaschutzprojekten gab es Unregelmäßigkeiten.
In der Affäre um mutmaßliche Betrugsfälle in China hat das Umweltbundesamt deutschen Konzernen die Ausstellung von Klimazertifikaten verweigert. Es gehe dabei um acht Klimaschutzprojekte in China, bei denen Unregelmäßigkeiten nachgewiesen worden seien, erklärte die Behörde heute. Die acht verweigerten Zertifikate entsprächen einer Einsparung von 215.000 Tonnen Kohlenstoffdioxid, die sich die Konzerne ursprünglich auf ihre Klimabilanz anrechnen lassen wollten.
Hintergrund der Maßnahmen, die das Umweltbundesamt (UBA) ergreift, ist ein im Juni bekannt gewordenes Betrugsgeflecht, in das deutsche Mineralölkonzerne involviert sein sollen. Genauere Angaben zu den Unternehmen könne das UBA aus juristischen Gründen nicht machen, sagte ein Sprecher der dpa.
UBA schaltet internationale Anwaltskanzlei ein
Bei sieben der acht Projekte sind nach Angaben des Amts die Anträge auf Freischaltung von Zertifikaten zurückgezogen worden, weil es "gravierende rechtliche und technische Ungereimtheiten" gegeben habe. Ein weiteres Projekt erhalte kein Zertifikat, da es entgegen der Regeln "vorzeitig begonnen" worden sei.
Neben eigenen Ermittlungen und den Ermittlungen der Berliner Staatsanwaltschaft habe die Behörde auch eine internationale Anwaltskanzlei eingeschaltet, um die mutmaßlichen Betrugsfälle aufzuklären. Diese sei auch in China vor Ort aktiv, erklärte das UBA weiter. Im nächsten Schritt würden 13 weitere Projekte unter die Lupe genommen.
Insgesamt stehen nach UBA-Angaben 40 von 69 China-Projekten unter Betrugsverdacht. Weitere Projekte wird es vorerst nicht geben: Bundesumweltministerin Steffi Lemke hatte angesichts der Verdachtsfälle alle Neuanträge mit Wirkung zum 1. Juli stoppen lassen.
Projekte haben nicht existiert
Die Mineralölkonzerne sind nach europäischen Regelungen verpflichtet, eine sogenannte Treibhausgas-Minderungsquote (THG-Quote) zu erfüllen. Das heißt, sie müssen den Treibstoff klimafreundlicher etwa durch den Einsatz von Agro-Sprit aus Pflanzen machen. Eine weitere Möglichkeit wurde ihnen aber über sogenannte Upstream-Emissions-Reduktions-Projekte (UER) eingeräumt. Dabei soll Klimaschutz vor der Verarbeitung des Rohöls in Raffinerien betrieben werden, vor allem indem das Abfackeln von Gasen bei der Ölförderung unterbunden wird.
Europaweit erwarben Mineralölkonzerne so Klimagutscheine in Höhe der erreichten CO2-Einsparungen, indem sie solche Vorhaben direkt oder indirekt über andere Projektträger etwa in China finanzierten. Bereits vor über einem Jahr kam jedoch der Verdacht auf, dass viele dieser Projekte gar nicht existierten oder so nicht anrechenbar seien.
"Schwere Umweltkriminalität"
Den bisherigen Erkenntnissen zufolge ließen sich die Konzerne im Rahmen dubioser Klimaprojekte in China wohl Beiträge auf ihre CO2-Bilanzen anrechnen, ohne dass es bei diesen Projekten zur tatsächlichen Reduktion von Treibhausgasen gekommen wäre. Teilweise hätten die Projekte gar nicht existiert, teilweise habe die angegebene CO2-Reduktion nicht mit der realen Einsparung übereingestimmt, hieß es.
Zuständig für die finale Freischaltung der Zertifikate ist das Umweltbundesamt. Die Behörde betonte erneut, dass es oft kaum möglich sei, aus der Ferne und auf Basis von Satellitenbildern oder eingereichter Berichte Missbrauch aufzuklären und nachzuweisen. Auch deshalb sei die internationale Anwaltskanzlei eingeschaltet worden.
Umweltministerin Lemke hatte vor einigen Wochen von "schwerer Umweltkriminalität" gesprochen und umfassende Aufklärung zugesagt. Das UBA suspendierte kurze Zeit später einen seiner für den Bereich zuständigen Mitarbeiter.
Mitte Juli kam es im Auftrag der Berliner Staatsanwaltschaft in Bayern und Nordrhein-Westfalen zu Durchsuchungen bei Unternehmen, die auf die Erstellung von Umweltgutachten spezialisiert sind - unter anderem zu den umstrittenen Zertifikaten. Ermittelt werde gegen 17 Personen wegen des Verdachts des gemeinschaftlichen gewerbsmäßigen Betruges, hieß es.