Fast-Food-Verpackungssteuer McDonald’s streitet mit Tübingen
Wer in Tübingen seine Pommes unterwegs essen möchte, muss für Schale oder Einwegbesteck eine Steuer zahlen. Manche Gastronomen reagieren gelassen - doch ein McDonald‘s-Restaurant wehrt sich juristisch.
Von Thomas Denzel, SWR Stuttgart
Die Schlange vor dem Imbiss "Salam Box" in Tübingen ist lang. Dabei war das nach Einführung der neuen Steuer nicht unbedingt zu erwarten. Denn die meisten hier nehmen ihr Essen mit, und seit dem 1. Januar zahlen Kunden zusätzlich zum Preis des Mitnahme-Gerichts auch für die Einwegverpackung. "Ich verliere keine Kunden wegen der Steuer", sagt Inhaber Imad Al-Samir, der hier seit mehr als 20 Jahren libanesische Küche anbietet. Die meisten Tübinger hätten genug Umweltbewusstsein und deshalb Verständnis für die neuen Vorgaben, glaubt er.
Bis zu 1,50 Euro Steuer pro Mahlzeit
50 Cent Steuer für eine Wegwerf-Verpackung oder für einen Einweg-Trinkbecher, 20 Cent für Einmal-Besteck - insgesamt werden maximal 1,50 Euro pro Mahlzeit fällig. Die Steuer wird erhoben auf alles, was eindeutig Mitnahme-Essen ist: auf warmes Essen oder auf kalte Gerichte, die mit Besteck verkauft werden. Und auf Salat, wenn er schon angemacht ist. Die Gastronomie-Betriebe zahlen die Steuer am Ende des Jahres an die Stadt und dürfen sie an ihre Kunden weitergeben. In Imad Al-Samirs Imbiss aber hat man die Wahl. Man kann auch Mehrweg-Geschirr gegen Pfand ausleihen oder sein eigenes Geschirr mitbringen. Das ist dann steuerfrei.
Viele Fast-Food-Anbieter in Tübingen machen nun ähnliche Angebote. Und fast alle, die heute bei "Salam Box" für ein Mittagessen anstehen, haben tatsächlich ihre eigene Plastikdose von zuhause unterm Arm. Unter ihnen viele junge Studenten und einige, die offen zugeben, dass es tatsächlich die Steuer war, die etwas bewegt hat. "Ich hatte schon immer ein schlechtes Gewissen, die Einweg-Verpackung zu nehmen", erzählt Daniel David, der sich gerade sein Mittagessen in eine mitgebrachte Plastikschüssel füllen lässt. Die aber habe er sich erst gekauft, als klar war, dass die Steuer kommt.
Zuschuss für Umstellung auf Mehrweg
"Wir erheben nur Kosten, die sonst auf die Stadt und die Allgemeinheit abgewälzt werden: die Kosten für die Entsorgung des Verpackungsmülls", sagt Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer von den Grünen. 700.000 Euro habe Tübingen im vergangenen Jahr für die Müllbeseitigung in der Innenstadt ausgegeben, der Großteil seien To-Go-Verpackungen gewesen. Der OB hofft, diesen Betrag nun auf die Hälfte senken zu können.
Hunderte Betriebe sind in Tübingen von der Steuer betroffen: Tankstellen, Cafés, Imbisse, Bäckereien, Metzgereien. Wenn sie auf ein Mehrweg-System umstellen, können sie bei der Stadt Förderung beantragen. Bis zu 500 Euro bekommen sie für die Anschaffung von Geschirr, bis zu 1000 Euro beim Kauf einer Spülmaschine - immer noch billiger als der viele Müll, hofft die Stadtverwaltung.
Umwelthilfe hofft auf Nachahmer
Auch Imad Al-Samir hat Geld von der Stadt bekommen und ist stolz, Teil der neuen Idee zu sein. Er ist davon überzeugt, dass es schon jetzt eine Verbesserung der Müllsituation gibt. "Wenn ich durch Tübingen gehe, sehe ich das. Bisher waren die Mülleimer immer überfüllt, jetzt ist es viel weniger." Auch die Deutsche Umwelthilfe (DUH) begrüßt das Tübinger Modell und hofft, dass es bundesweit Schule macht.
Doch nicht alle sind optimistisch. Selbst nicht alle Kunden in Al-Samirs Imbiss. Lara Koegs etwa ist skeptisch. Sie kommt zwar auch mit ihrer eigenen Plastikdose. Doch sie glaubt nicht, dass die Steuer viele überzeugen kann. "Die, die sich nicht um die Umwelt kümmern, die zahlen halt die Steuer. Ich glaube nicht, dass das wirklich viel bringt", befürchtet sie.
Überschreitet die Stadt ihre Kompetenzen?
Und es gibt Gegenwind von Deutschlands größtem Fast-Food-Anbieter McDonald’s. Das örtliche Restaurant klagt vor dem Verwaltungsgerichtshof Mannheim gegen das Tübinger System. Es zweifelt an, dass die Stadt tatsächlich berechtigt ist, die Steuer zu erheben. Gleichzeitig aber plant McDonald’s in Deutschland ein eigenes Mehrweg-System einzuführen und hat nun mitten im Streit mit Palmer angekündigt, es auch im Tübinger Restaurant testen zu wollen. Auf so verpackte Produkte fiele dann keine Steuer an.
"Mithilfe der neuen Mehrwegoption und der Unterstützung unserer Gäste ist es uns nun möglich, unsere Stadt noch ein Stück nachhaltiger zu machen", erklärt die Franchisenehmerin des Restaurants, Susanne Heppert. "McDonald’s kann sich nicht entscheiden, ob es grün sein will oder Dinosaurier-Positionen vertreten", sagt dazu Boris Palmer. Prinzipiell habe er nichts gegen McDonald’s. "Die können hier gerne noch ein zweites Restaurant aufmachen." Der Mehrweg-Test des Unternehmens beschränke sich zwar auf Getränkebecher und Desserts, dennoch freue er sich darüber, so Palmer. Jeder Schritt in diese Richtung sei zu begrüßen.
Dennoch wird der Streit im März wohl vor Gericht gehen. Palmer rechnet nicht damit, dass seine Steuer dort gekippt wird. Und bis dahin laufe ohnehin alles weiter wie geplant.