Neue E-Marke Scout VW mit neuem US-Fokus
Volkswagen könnte viel mehr Autos verkaufen, doch von allen Seiten wird der Konzern in die Zange genommen. Deshalb will sich der Konzern auf den US-Markt fokussieren - mit einer neuen Marke.
Der Autokonzern Volkswagen hat im April einen weiteren schweren Einbruch bei den Auslieferungen hinnehmen müssen. Die Wolfsburger lieferten weltweit nur 516.500 Fahrzeuge aus und damit 37,8 Prozent weniger als im Vorjahresmonat. Besonders drastisch fiel der Rückgang auf dem für den Konzern mit Abstand wichtigsten Absatzmarkt in China aus, wo die Verkäufe um die Hälfte abrutschten.
Zum einen belastet den Konzern derzeit weiter der Mangel an Halbleitern, in China bremst zudem die Null-Covid-Politik der Regierung mit lokalen Lockdowns. Aber auch in anderen wichtigen Märkten sackten die Auslieferungen empfindlich ab. Am stärksten sank der Absatz in Zentral- und Osteuropa mit minus 55,5 Prozent, in Nordamerika um rund ein Viertel und um knapp 29 Prozent auf dem Heimatmarkt in Westeuropa. Nach den ersten vier Monaten konnte der Volkswagen-Konzern mit 2,41 Millionen Autos, Lkw und Bussen 26 Prozent weniger Fahrzeuge an die Kunden übergeben als ein Jahr zuvor.
Alle Marken betroffen
Bis auf den Luxusportwagenbauer Lamborghini verbuchten alle Marken des Konzerns hohe zweistellige Verkaufsrückgänge. Bei der Hauptmarke VW Pkw ging es um 40 Prozent runter, bei der tschechischen Schwester Skoda waren es 37 Prozent weniger als vor einem Jahr, und bei der spanischen VW-Tochter Seat belief sich das Minus auf 32 Prozent. Bei Audi gingen die Auslieferungen um 40 Prozent zurück, bei der Sportwagentochter und Renditeperle Porsche betrug das Minus 16 Prozent.
Angesichts der massiven Probleme der Branche und speziell von Volkswagen rechnen Beobachter nicht damit, dass es eine schnelle Besserung gibt. Vielmehr befürchten Experten, dass insbesondere die Produktion von Elektroautos auf längere Sicht beeinträchtigt bleiben könnte, da insbesondere wichtige Vorprodukte wie Lithium, Kobalt und Nickel durch den Krieg in der Ukraine nicht nur knapper, sondern auch erheblich teurer geworden sind.
Abkehr von China hin zu den USA
Die hohe Abhängigkeit vom chinesischen Markt mit mehr als drei Millionen verkauften Fahrzeugen im vergangenen Jahr zusammen mit der dort stark zunehmenden Konkurrenz durch aggressive Anbieter wie BYD (Build Your Dreams), China FAW (First Automotive Works) oder Geely, Großaktionär von Mercedes-Benz, lässt Volkswagen wieder stärker in Richtung des US-Marktes blicken.
Nach wirklichen Erfolgen wie dem VW Käfer, die allerdings bereits jahrzehntelang zurückliegen, und krassen Misserfolgen wie dem Diesel-Skandal wollen die Wolfsburger in den USA angesichts nur gut einer halben Million verkauften Fahrzeugen 2021 dort nun mit einer neuen Strategie angreifen und dabei offenbar auf Pick-up-Trucks setzen. Diese besonders in den USA beliebte Autogattung bietet Volkswagen derzeit aber erst gar nicht an.
Neue Marke Scout soll Lücke schließen
Ab 2026 will der Konzern deshalb mit einer eigenen Elektroautomarke nachlegen. Geplant ist, einen vollelektrischen Pritschenwagen und ein SUV unter dem Herstellernamen Scout in den Vereinigten Staaten herauszubringen. Dies wäre eine Art Wiederbelebung der Geländewagen des früheren Auto-, Lkw- und Landmaschinenbauers International Harvester aus Chicago, der im Zuge der Übernahme des US-Anbieters Navistar durch die VW-Tochter Traton an die Wolfsburger fiel. Erste Skizzen gibt es bereits. In einer ersten Stufe sollen 100 Millionen Euro an Investitionen in das Projekt fließen, hieß es aus dem Umfeld des Unternehmens.
Die Suche nach einer Möglichkeit, auf dem Markt für Pick-ups Fuß zu fassen und auch das Ziel eines Marktanteils von zehn Prozent zu erreichen, läuft bereits länger. Zwar haben die leichten Nutzfahrzeuge von Volkswagen mit dem Amarok seit vielen Jahren solch ein Modell im Programm - ausgerechnet in den USA wurde es aber nicht verkauft. Ein Grund war eine skurrile Importhürde, mit der Washington Handelshemmnisse für exportierte Hühnchen durch höhere Einfuhrzölle für bestimmte Autotypen vergolten hatte, die sogenannte "Chicken Tax".
In der Folge dominierten die heimischen Anbieter wie General Motors oder Ford das Inlandsgeschäft mit Pick-up-Trucks. Inzwischen sind auch US-Elektroautobauer wie Tesla oder Rivian in der Sparte aktiv. Dass es einen Markt für elektrische Pick-ups gibt, zeigt das Beispiel Ford F-150. Die Nachfrage für die Elektroversion des seit Jahrzehnten meist verkauften Automodells in den USA entwickelte sich zuletzt dermaßen stürmisch, dass Ford einen Bestellstopp verhängen musste. Offenbar hat sich herumgesprochen, welche Vorteile eine solches Modell in einem Land bieten kann, das häufiger von Stromausfällen betroffen ist als Deutschland. So kann der Stromspeicher des Modells, sofern vollgeladen, auch dazu genutzt werden, Häuser für mehrere Tage mit Strom zu versorgen.