Werbeverbot im Saarland Die Prospekte werden dünner
Kleidung, Haushaltsgeräte, Wohnartikel: All das gibt es auch im Lockdown - bei Discountern und in Supermärkten. Im Saarland findet man das unfair und verbietet zumindest die Werbung.
Das Kaufhaus Pieper in der saarländischen Kreisstadt Saarlouis ist "das erste Haus am Platze". Am historischen Großen Markt gelegen, gehört es zu den wenigen klassischen Kaufhäusern, die heute noch in Familienbesitz sind - und zwar in vierter Generation. Hier gibt es alles: von Strümpfen und Haushaltswaren über Wohnungsdekoration bis hin zum Reisegepäck. Doch mit dem harten Lockdown musste auch Pieper schließen, nur die Lebensmittelabteilung hat noch geöffnet.
Was Inhaber Carl Jakob mächtig ärgert: Nur 600 Meter entfernt liegt das große SB-Warenhaus des saarländischen Handelsunternehmens Globus. Hier gibt es vieles, was Pieper auch im Angebot hat; neben Lebensmitteln auch ein großes sogenanntes Non-Food-Angebot. Nur hat Globus geöffnet und darf das alles verkaufen - und Pieper nicht. "Das ist natürlich eine Wettbewerbsverzerrung", sagt Jakob. Bereits im ersten Lockdown hatte der Einzelhändler gegen die Schließung seines Geschäfts beim saarländischen Verfassungsgericht geklagt, jedoch ohne Erfolg.
Vom Lockenstab bis zur Duftkerze: Supermärkte und Discounter bieten ein großes Angebot an sogenannten Non-Food-Produkten.
Zunächst nur freiwillige Selbstverpflichtung
Dass die Discounter, Supermärkte und vor allem die großen SB-Warenhäuser ihr Sortiment quasi unbegrenzt anbieten dürfen, ist Folge des sogenannten Schwerpunktprinzips. Das gilt in allen Bundesländern; im kleinen Saarland hat es allerdings besonders hohe Wellen geschlagen. Die Wege im kleinsten Flächenland sind kurz, nicht nur im übertragenen Sinne: Zwischen der Industrie- und Handelskammer (IHK) und dem Wirtschaftsministerium liegen nur wenige hundert Meter.
Auch die lokale Politik - Bürgermeister und Landräte - sorgten sich lautstark um die letzten kleinen Händler im Dorf. Es folgte ein digitaler Runder Tisch bei Wirtschaftsministerin Anke Rehlinger (SPD) mit allen Beteiligten. Am Ende stand eine freiwillige Selbstverpflichtung. Die beteiligten Händler wollten auf Werbeaktionen verzichten, die nicht zum normalen Angebot gehören.
Jetzt kommt das Verbot - außer für "click & collect"
Doch aus dieser Freiwilligkeit wird nun eine Verordnung der Großen Koalition im Saarland. Denn gerade vor dem Valentinstag am vergangenen Wochenende habe es viele Werbeaktionen gegeben, und damit seien vermehrt Anreize geschaffen worden, in die noch offenen Geschäfte zu gehen, heißt es aus dem saarländischen Wirtschaftsministerium. "Das sind aber Kontakte, die wir vermeiden wollen", so Ministerin Rehlinger. "Es geht nicht darum, den Verkauf von Waren zu verbieten."
Staubsauger, Fahrräder oder Bohrmaschinen - für alle diese Dinge darf nun außerhalb des Betriebsgeländes nicht mehr geworben werden. Wer dagegen verstößt, muss mit Bußgeldern zwischen 1000 und 10.000 Euro rechnen. Wer "click & collect" anbietet, darf hingegen weiter werben, egal wofür. Das vorübergehende Werbeverbot für Waren, die nicht zum täglichen Bedarf oder zur Grundversorgung gehören, sorge für mehr Fairness in der Branche, argumentiert die Wirtschaftsministerin.
Damit geht das Saarland einen Sonderweg. Auf Anfrage des SR ist derzeit in keinem anderen Bundesland eine ähnliche Maßnahme geplant. Auch weil mancherorts bezweifelt wird, ob sie vor Gerichten lange Bestand haben würde.
Wirkung und Rechtmäßigkeit sind umstritten
In den Sozialen Medien jedenfalls hat die saarländische Wirtschaftsministerin mit ihrem Vorstoß für viele Diskussionen gesorgt. Doch nicht nur dort: Kaum verwundern dürfte, dass das Werbeverbot auch bei Verlegern und in der Werbewirtschaft durchaus heftig kritisiert wird. Der Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft etwa geht davon aus, dass es juristisch gekippt wird.
Das Institut für Handelsforschung der Universität zu Köln hält die Wirkung dieses Verbotes zudem für überschaubar. Shoppen im Lockdown sei sowieso kein Erlebnis, schreibt Institutsdirektor Werner Reinartz auf Twitter. Zuspruch für das Teilverbot kommt dagegen von der IHK im Saarland. Es sei folgerichtig, so Geschäftsführer Mathias Hafner. Die Selbstverpflichtung habe nicht funktioniert.
Aber ausgerechnet beim saarländischen Einzelhandelsverband sieht man die Sache ganz anders: Dessen Hauptgeschäftsführer Fabian Schulz spricht von einem "Sturm im Wasserglas": "Kein Unternehmen wird auch nur einen Euro weniger Umsatz machen, wenn die entsprechende Werbung fehlt. Und kein kleines Unternehmen auch nur einen Euro mehr verdienen."
Händler wollen sich an Verbot halten
Aber das Werbeverbot scheint zu greifen, zumindest in Teilen. Der Discounter Aldi Süd teilte auf SR-Anfrage mit, dass man im Saarland bereits seit vergangener Woche keine Prospekte mehr verteile. Die saarländische Handelskette Globus, die deutschlandweit 47 SB-Warenhäuser betreibt, verzichtet nach eigenen Angaben bereits seit mehreren Wochen auf Reklame unter anderem für Kleidung, Schuhe oder Spielwaren. "Für die folgenden Wochen werden wir unsere Werbung für Nonfood-Produkte komplett einstellen", so ein Globus-Sprecher.
Allerdings seien damit vielleicht auch die falschen Unternehmen gezwungen zu reagieren, sagt zumindest Fabian Schulz vom saarländischen Einzelhandelsverband. Ihm sei es immer noch lieber, "wenn die Leute vor Ort im Warenhaus ihr Geld ausgeben, anstatt bei großen Internetgiganten, die hierzulande kaum Steuern zahlen".
Händler wollen Öffnungsszenario
Dass würde auch Einzelhändler Jakob aus Saarlouis so unterschreiben. Dass die Werbung der großen SB-Warenhäuser, Supermärkte und Discounter nun eingeschränkt wird, sei nie eine Forderung von ihm gewesen. Trotzdem danke er der saarländischen Wirtschaftsministerin. Für Jakob ist das Werbeverbot "ein Zeichen der Aufmerksamkeit".
Was es aber wirklich brauche, sei ein verbindliches Öffnungsszenario und kein Hangeln von Woche zu Woche. Das Kaufhaus Pieper hätte im vergangen Jahr eigentlich sein 135. Jubiläum gefeiert. Doch alles musste abgesagt werden - verschoben auf unbestimmte Zeit und in der Hoffnung, dass irgendwann wieder gefeiert werden kann.